In Europa hat die Grippewelle begonnen. Überwachungsbehörden rechnen mit einem heftigeren Verlauf als im Vorjahr – aufgrund neuer Drift-Varianten. Sie befürchten, übliche Vakzine würden nur teils schützen. Das Problem bleibt, dass sich Risikopatienten zu selten impfen lassen.
Alle Jahre wieder suchen Influenzaviren Europa heim – und fordern rund 40.000 Todesfälle. Häufig sind Menschen jenseits des 70. Lebensjahres betroffen. Jetzt geht es los: Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) registrierte erhöhte Aktivitäten in Frankreich, Großbritannien und Spanien. Deutschland selbst ist mittlerweile ebenfalls betroffen. Google Flu Trends und die Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert Koch-Institut (RKI) berichten vom saisonal zu erwartenden, starken Anstieg.
Experten äußern sich besorgt. "Stärkeschwankungen im Zwei-Jahres-Rhythmus wurden auch schon häufig in der Vergangenheit beobachtet und mahnen zur Vorsicht für die kommende Saison“, schrieb das RKI nach einer vergleichsweise schwachen Erkrankungsperiode 2013/2014. Umfangreiche Daten zu Grippewintern der letzten Jahrzehnte sind jetzt im „Epidemiologischen Bulletin“ veröffentlicht worden. Damit nicht genug: Seit Oktober haben Forscher am ECDC Proben mit Influenzaviren untersucht. Besonders häufig trat der Typ A(H3N2) auf, hier gibt das Institut 57 Prozent an. Nach einer Infektion kommt es zu schweren Atemwegserkrankungen. Für eine heftige Grippewelle gibt es noch weitere Anhaltspunkte.
Im aktuellen Grippeimpfstoff 2014/2015 ist A(H3N2) zwar enthalten. Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) fanden jedoch etliche Drift-Varianten. Diese genetischen Spielarten unterscheiden sich von immunologischen Vorbildern für aktuelle Vakzine. Möglicherweise erkranken Patienten, obwohl sie geimpft worden sind. Sinnvoll ist die kleine Spritze dennoch. Nach erfolgter Impfung ist mit schwächeren Symptomen zu rechnen – ein entscheidendes Argument bei Risikopatienten.
Trotz dieser unumstößlichen Fakten lassen sich derzeit nur 65 Prozent aller Bewohner von Alten- und Pflegeheimen impfen. Das berichten die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und das Robert Koch-Institut (RKI). Knapp 90 Prozent der Zielgruppe hatten entsprechende Informationen vorab bekommen. Wenig schmeichelhaft: Auch nur jede zweite Pflegekraft entschied sich für den kleinen Stich.