Fazialisparese: Weg von der Schieflage

Fazialisparese: Weg von der SchieflageDie Neurologen haben ihre Leitlinie zur Fazialisparese renoviert. Wir haben für Euch die wichtigsten Empfehlungen zusammengefasst.

Fazialisparesen sind nicht selten. Die Inzidenz liegt bei 7 bis 40 pro 100.000 in einem Jahr, wobei das Risiko zunimmt, je älter die Menschen werden. Zuletzt ist die Fazialisparese wieder häufiger ins Gerede gekommen: Sowohl die COVID-19-Erkrankung als auch die mRNA-COVID-Impfungen sind möglicherweise mit einer leichten Erhöhung des Erkrankungsrisikos verbunden.Nicht deswegen, aber passend dazu haben die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN) ihre S2k-Leitlinie zur Fazialisparese kürzlich weitgehend neu gefasst. Sie ist mit 49 Seiten nicht überlang und lohnt der Lektüre. Wenn Euch das zu anstrengend ist, haben wir hier ein paar Highlights:

Differenzialdiagnostik ist wichtig! Rund ein Drittel aller Fazialisparesen sind NICHT idiopathisch. Die solltet Ihr finden. Als Ursachen in Frage kommen unter anderem der Zoster oticus, die Neuroborreliose, ein Herpes simplex, eine akute oder chronische Otitis media, diverse Tumore, das Heerfordt-Syndrom der Sarkoidose und auch eine Felsenbeinfraktur. Neuroborreliose und Zoster sind die beiden Elefanten im Raum.

Lumbalpunktion? Jein. In neun von zehn Fällen findet sich im Liquor nichts. Bei begründetem Verdacht auf nicht-idiopathische Genese sollte punktiert werden. Bei Kindern ist die Punktion zwingend, genauso eine Borrelien-Serologie, da der Anteil an Neuroborreliosen mit isolierter Fazialisparese bei Kindern besonders hoch ist.

Glukokortikoide? Ja! Steroide begünstigen die vollständige Rückbildung einer Fazialisparese und verringern das Risiko von Synkinesien, autonomen Störungen und ungünstigen Kontrakturen, wobei das Ergebnis speziell hinsichtlich Verhinderung kosmetisch störender Folgen nicht eindeutig ist. Die Number-Needed-to-Treat für schnellere Rückbildung beträgt Studien zufolge 10. Empfohlen werden entweder 10 Tage 2 x 25 mg Prednisolon oder 5 Tage 1 x 60 mg Prednisolon morgens mit danach Reduktion um 10 mg pro Tag.

Virostatika? Vielleicht. Die (ergänzende) Therapie mit Virostatika ist eine Einzelfallentscheidung und sollte Patienten mit schwerem Befund vorbehalten bleiben. Die Behandlung basiert auf der Hypothese, dass die idiopathische Fazialisparese letztlich eine Reaktivierung von Herpes-simplex-Typ 1 ist. In der Gesamtschau ergibt sich in Meta-Analysen kein eindeutiger Nutzen der Kombination, allerdings gibt es Hinweise auf weniger Spätfolgen. Bei Fazialisparese durch Zoster oticus ist das Virostatikum natürlich Pflicht: Aciclovir 3x/d 5-10 mg/kg oder 5x/d 800 mg, Valaciclovir 3x/d 1000 mg, Brivudin 1x/d 125 mg oder Famciclovir 3x/d 250-500 mg.

Rettet die Hornhaut! Bei passageren Störungen des Lidschlusses ist eine symptomatische Therapie zum Schutz der Hornhaut angezeigt, auch wenn dazu keine randomisierten Studien vorliegen. Künstliche Tränen und/oder Dexpanthenol Augensalbe kommen in Frage, außerdem ein nächtlicher Uhrglasverband. Die Lidbeschwerung mit Blei-, Gold- oder Platinplättchen kommt erst dann ins Spiel, wenn der Befund sich nicht zurückbildet.

Und was könnt Ihr Euch sparen? So einiges. Akupunktur beispielsweise konnte bisher nicht überzeugend nachweisen, dass sie hilfreich ist. Die hyperbare Oxygenation in einer Überdruckkammer ist ebenfalls Voodoo, solange keine Studien dazu vorliegen. Kaum Daten gibt es auch zur operativen Nervendekompression. Die zwei Studien, die die Leitlinienautoren in Sachen Nervenchirurgie gelten lassen, liefern keinen Grund, es zu tun. Und auch die physikalische Therapie bzw. Übungsbehandlung kann sich nicht wirklich auf (gute) Studien stützen, wobei die Neurologen darauf hinweisen, dass sie als psychische Unterstützung dann doch zu empfehlen sei.

Folge dem Kanal Nervenkitzel für weitere Neurologie-Themen.
Folgen

Bildquelle: Dominik Van Opdenbosch, unsplash