Im Kongresskalender hat das jährliche Meeting der American Association for Cancer Research (AACR) seinen festen Platz – schließlich gehört die AACR zu den größten und ältesten Fachgesellschaften zur Erforschung von Krebs. Bei der diesjährigen Ausgabe, die vom 8. bis 13. April 2022 in New Orleans stattfand, durften aktuelle Daten zur molekularen Testung nicht fehlen. Hier fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse aus drei relevanten Präsentationen zur Bestimmung von homologer Rekombinations-Defizienz (HRD) und zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) für Sie zusammen:
Aus medizinischer Sicht ist die homologe Rekombinations-Defizienz (HRD) als Biomarker von großer Bedeutung, da bei einem positiven HRD-Status eine erhöhte zelluläre Empfindlichkeit gegenüber einer Therapie mit PARP-Inhibitoren vorliegt, z. B. beim Ovarialkarzinom. Eine Testung auf HRD kann somit eine sinnvolle Basis für die Therapiewahl sein.3
Forschende haben nun einen neuen Algorithmus entwickelt, um den HRD-Status zu bestimmen (HRDsig). Auch wenn dieser neue Algorithmus bisher klinisch noch nicht von Relevanz ist, zeigt sich in dieser Arbeit ein interessanter Aspekt. Die Autor:innen haben ermittelt, wie stark verschiedene Methoden zur HRD-Bestimmung bei der Identifikation HRD-positiver Patient:innen überlappen und ob der HRD-Status mit der Zeit bis zum Therapieende (TTD) unter PARP-Inhibitor korrelierte. Neben dem HRDsig wurden zwei etablierte Verfahren zur HRD-Bestimmung verglichen: genome-wide Loss of Heterozygosity (gLOH) und Genomic Instability Score (GIS).4
Bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom wiesen Fälle, die einen hohen gLOH-Wert (> 16 %) und/oder hohen GIS (> 42) hatten, ein hohes Maß an Überlappung auf. In der untersuchten Gruppe hatten 59 von 107 Patientinnen sowohl einen hohen gLOH-Wert als auch einen hohen GIS. Außerdem waren einer hoher gLOH und ein hoher GIS mit einer verbesserten TTD assoziiert (8,9 Monate [hoher gLOH] vs. 3,9 Monate [niedriger gLOH]; 7,8 Monate [hoher GIS] vs. 4,3 Monate [niedriger GIS]).4
Die Daten zeigen, dass die etablierten HRD-Algorithmen gLOH und GIS vergleichbar sind und dass durch ihre Anwendung Ovarialkarzinom-Patientinnen identifiziert werden können, die von einem PARP-Inhibitor profitieren.
Den Abstract dieser Präsentation finden Sie hier.
In einer weiteren Arbeit wurde die ctDNA-Sequenzierung bzw. Liquid Biopsy mit der Sequenzierung von Gewebebiopsien verglichen. Dabei kamen die Assays FoundationOne CDx und Liquid CDx zum Einsatz. Auch hier wurde jeder genomische Befund als Grundlage für Therapieentscheidungen in einem multidiziplinären Tumorboard diskutiert.2
In die Studie wurden insgesamt 1021 Patient:innen mit fortgeschrittener Krebserkrankung eingeschlossen (v. a. Darm-, Lungen-, Brust-, Prostata- und Pankreaskrebs). Daten sowohl zur ctDNA- als auch zur Gewebesequenzierung lagen für 824 Patient:innen (81 %) vor. Im Mittel vergingen bis zum Testergebnis 12 Tage für ctDNA- und 46 Tage für Gewebesequenzierungen. Bei 3,9 % der ctDNA bzw. 15 % der Gewebesequenzierungen konnte kein Testergebnis bestimmt werden.2
Die Ergebnisse zeigen, dass die Werte für Mikrosatelliteninstabilität (MSI) und Tumormutationslast (TMB) bei 71 % bzw. 64 % der Patient:innen übereinstimmten. Darüber hinaus war die Zahl der behandelbaren genomischen Alterationen in 346 Fällen (42 %) ähnlich. Eine höhere Zahl zeigte sich bei 289 Patient:innen (35 %) in den Gewebe- und bei 189 Patient:innen (23 %) in den ctDNA-Daten. Durch die ctDNA-Profile wurden insgesamt 239 (29 %) zusätzliche therapeutische Targets identifiziert, die durch die Gewebebiopsie allein nicht detektiert worden wären.2
Insgesamt empfahl das Tumorboard bei 430 Patient:innen (52 %) Therapien auf Basis der Sequenzdaten. Ohne ctDNA-Sequenzierung hätten 120 Patient:innen (15 %) keine zielgerichtete Therapieempfehlung erhalten.2
Zusammengefasst zeigt dieser systematische Vergleich, dass die ctDNA-Sequenzierung klinisch relevante Alterationen sowohl akkurat als auch in kurzer Zeit aufspüren und die Therapieentscheidung entscheidend unterstützen kann.2
Hier geht’s zum Abstract .
Die ctDNA-Analyse auf Basis einer Liquid Biopsy kann für die Tumortestung verschiedene Vorteile mit sich bringen: Sie ist weniger invasiv als herkömmliche Methoden (Gewebebiopsie), ist hochsensitiv und kann die Heterogenität eines Tumors abbilden. In einer Arbeit aus Frankreich wurde untersucht, inwieweit Patient:innen auf Basis einer ctDNA-Sequenzierung passenden klinischen Studien bzw. zielgerichteten Therapien zugeführt werden können.1
Insgesamt wurde bei 1772 Patient:innen ein molekulares ctDNA-Profiling durchgeführt. Dabei kam der Next-Generation-Sequencing- (NGS-) Assay FoundationOne Liquid CDx zur Anwendung. Jeder Fall wurde in einem multidiziplinären Tumorboard diskutiert und Therapien wurden gemäß den gefundenen molekularen Charakteristika der Patient:innen empfohlen. Die Testergebnisse lagen im Mittel nach 12 Tagen vor. Bei 1059 Patient:innen (64 %) wurden insgesamt 1825 theragnostische Alterationen entdeckt. Diese waren1
Im molekularen Tumorboard wurden für 589 dieser Patient:innen (56 %) passenden Therapien vorgeschlagen (klinische Studie, Off-Label-/Compassionate Use, zugelassenes Medikament oder Early Access Program). Zum Zeitpunkt der Datenanalyse sind davon 122 Patient:innen (21 %) behandelt worden und zeigten als bestes Ansprechen eine Komplettremission (CR, n = 4, 4 %), partielles Ansprechen (PR, n = 35, 35 %), stabile Erkrankung (SD, n = 27, 25 %) oder Progress (PD, n = 41, 38 %).1
Die Autor:innen schlussfolgern, dass die ctDNA-Sequenzierung mit einem breiten NGS-Panel eine effiziente Möglichkeit ist, passende Behandlungsmöglichkeiten auf Basis genomischer Daten zu empfehlen.1
Zum Abstract der Arbeit gelangen Sie hier.
Fazit
Umfassendes molekulares Tumorprofiling ist mittlerweile in vielen Fällen die Basis für Therapieentscheidungen, von denen zahlreiche Krebspatient:innen profitieren. Doch die Entwicklung ist natürlich noch nicht am Ende – auf diesem Kanal bleiben Sie auf dem Laufenden.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Wir freuen uns über eine Bewertung des Artikels über die Sternchenfunktion unten. Je mehr Sterne Sie vergeben, desto besser hat Ihnen der Artikel gefallen. Vielen Dank!
Referenzen: