Das menschliche Gehirn bereitet sich auf’s Cyborg-Dasein vor, Pillen werden mit bunten Streuseln verziert und die Antwort auf Hitzestress ist grün. Drei Nerd-Studien zum Wochenende.
Eigentlich erwartet man von zuckrigen Süßigkeiten nicht, dass sie Medizin und Pharmazie voranbringen. Kleine Schokoladendrops mit bunten Zuckerstreuseln inspirierten nun aber Bioingenieur Prof. William Grover zu einer einfachen Methode, um Fälschungen von pharmazeutischen Produkten entgegen zu wirken – den „CandyCodes“. Sein Konzept stellt er in Scientific Reports vor.
Gerade in Entwicklungsländern sind gefälschte Medikamente ein Problem; es ist schwer bis unmöglich für den Patienten festzustellen, ob die Tablette, die er gerade schlucken möchte, authentisch ist oder nicht. Es gibt daher schon länger die Idee, jede Kapsel oder Tablette mit einzigartigen Codes zu versehen, die zur Verifizierung herhalten können. Die „CandyCodes“ könnten nun vielleicht eine tatsächlich praktikable Methode darstellen: Dazu muss die fertig produzierte Tablette nämlich lediglich im letzten Schritt der Herstellung mit einem essbaren Adhäsiv überzogen und mit bunten Zuckerstreuseln bestreut werden. Tada, fertig ist der fälschungssichere Code!
Anhand besagter Süßigkeiten konnte Grover nämlich feststellen: Jeder Drop war im Schnitt mit 92 Streuseln in zufälliger Anordnung bedeckt, bei 8 verschiedenen Streuselfarben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eines dieser zufällig erstellten Muster wiederholt ist quasi null, einen einzelnen Code gezielt zu fälschen wäre extrem zeitaufwändig. Grover berechnet, dass eine Firma 1017 solcher kodierten Pillen herstellen könnte, und immer noch in der Lage wäre, jede anhand ihres Musters zu identifizieren – das entspricht etwa 41 Mio. Pillen für jede Person auf dem Planeten. Mehr Farben, Größen und Formen der Streusel würden offensichtlich noch mehr einzigartige Codes ermöglichen.
Das Streuselmuster könnte dann vom Hersteller abgelichtet und in einen Code umgewandelt werden, welcher in einer Datenbank gespeichert wird. Möchte der Patient seine Tablette verifizieren, kann er sie einfach mit dem Smartphone abfotografieren und online mit der Datenbank abgleichen. Einen entsprechenden Algorithmus entwickelte Grover dann auch und probierte ihn an den Süßigkeiten aus. Mit Erfolg: Im Abgleich mit einer Datenbank aus Bildern von 120 Drops konnte er zufällig ausgewählte Süßigkeiten per Foto zuverlässig identifizieren. Selbst wenn die Testobjekte nach intensiver mechanischer Belastung in einem Pillenbehälter etwas mitgenommen waren, konnte der Algorithmus ihr einzigartiges Muster noch erkennen und zuordnen.
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Gerade ist die erste Hitzewelle des diesjährigen Sommers abgeflaut und die nächste steht sicherlich schon vor der Tür. Insbesondere in Städten wird die Hitze im Sommer zunehmend unerträglich – was also künftig tun, fragt man sich? Forscher der TU München zeigen, dass städtebauliche Maßnahmen den sommerlichen Hitzestress um die Hälfte verringern können. Die Voraussetzung: Mehr Grün.
In einer empirischen Studie beobachteten die Forscher drei Jahre lang die Temperaturen an verschiedenen innerstädtischen und suburbanen Standorten in Würzburg. Dabei stellten sie wenig überraschend fest, dass die mittlere Lufttemperatur an den innerstädtischen Standorten im Sommer durchschnittlich 1,3 °C höher war als in den Vororten. So wurden auf einem komplett baumlosen Marktplatz in den drei Jahren insgesamt 97 heiße Tage mit Temperaturen von über 30 °C verzeichnet. Neun davon überschritten auch den Schwellenwert für extremen Hitzestress – heißt, die Temperatur, die durch Verdunstungskühlung (wie sie der menschliche Körper über das Schwitzen betreibt) noch erreichbar war, lag oberhalb von 35 °C. In den grüneren Standorten in den Vororten gab es keinen solchen Tag.
Die Forscher resümieren also: Ein Anteil von 40 % Grünflachen in bebauter Umgebung könnte den Hitzestress halbieren. Dabei kommen verschiedene Begrünungsmöglichkeiten in Frage, wie mehr Bäume, Rasenflächen, und begrünte Dächer und Wände. Die Mischung macht es, da die einzelnen Begrünungstypen unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich bringen. So spenden Bäume mit ihren dichten Blätterkronen Schatten und reduzieren damit massiv den Eintrag von UV-Strahlung, und sie erreichen eine Abkühlung ihrer unmittelbaren Umgebung von bis zu 8 °C. Allerdings behindern sie in engen Straßenschluchten auch die Luftdurchmischung, sodass sich schadstoffbelastete Luft auf Fußgängerhöhe anstaut. Rasenflächen haben im Vergleich zwar keinen Schattenvorteil, sie reflektieren jedoch effektiv Wärmestrahlung und erlauben ein frisches Lüftchen.
Mehr strategische Grünflächenplanung ist also angesagt, um die Gesundheit im Sommer zu schonen.
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Das menschliche Gehirn hat ein ausgeprägtes Gefühl dafür, was zu seinem Körper dazu gehört und was nicht. Dass unsere Hand uns gehört, ist absolut keine Frage. Aber kann dieses Gefühl auch auf künstliche Gliedmaßen erweitert werden? Dies untersuchte ein französisch-japanisches Forscherteam. Das Besondere dabei: Sie untersuchten keine Ersatzprothese, sondern den Einsatz eines zusätzlichen Fingers, dessen Bewegung unabhängig von den anderen gesteuert werden kann.
Dieser neu entwickelte Roboter-Finger nutzt zur Bewegung einen Teil der elektrischen Aktivität der Unterarmmuskulatur, der sonst keine Gliedmaßenbewegung steuert. Durch einen Schieberegler gibt der Finger auch eine taktile Rückmeldung an die Seite der Handfläche. Da die Konstruktion recht auffällig aussieht, wurde sie im Experiment durch einen Handschuh verdeckt.
18 Probanden sollten sich nun in Testspielen an diesen zusätzlichen Finger gewöhnen. Dazu sollten sie sowohl ihre echten, als auch den künstlichen Finger entsprechend audiovisueller Signale bewegen – im Schnitt hatten sie dazu etwa 51 Minuten Zeit. Anschließend wurde anhand von Fragebögen und Verhaltenstests eruiert, wie die Teilnehmer ihre Hände wahrnahmen. Dabei zeigte sich, dass die Steuerung den Teilnehmern mit Leichtigkeit gelang. Als Teil ihres eigenen Körpers nahmen die Probanden den Finger aber noch nicht wahr – das Gehirn tut sich also schwerer damit, zusätzliche Gliedmaßen zu akzeptieren, als es das bei Ersatz-Gliedmaßen tut.
Trotzdem sehen die Forscher Hinweise darauf, dass es grundsätzlich möglich sein könnte, einen Roboterfinger als Körpereigentum zu betrachten. Die subjektive Einschätzung der Probanden, wie sehr der neue Finger Teil des Körpers ist, korrelierte deutlich mit einer Unsicherheit ob der räumlichen Position ihres echten kleinen Fingers – sprich, je „verkörperter“ der Finger, desto schwieriger fiel es den Teilnehmern einzuschätzen, wo im Raum sich ihr kleiner Finger und der Roboterfinger befanden. Ein Hinweis also, dass einige Teilnehmer damit begonnen hatten, diesen als Teil ihrer Hand wahrzunehmen.
Der erste Schritt also auf dem Weg zu Cyborgs mit Flügeln, Schwänzen und extra Armen? Das muss weitere Forschung wohl noch zeigen. Für die Entwicklung von Prothesen ist es aber auf jeden Fall ein interessanter Hinweis.
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Bildquelle: Joanna Kosinska, unsplash