Pilzinfektionen sind ein zunehmendes medizinisches Problem. Besonders tückisch: Die einzig wirksamen Medikamente sind oft durch Toleranzen eingeschränkt. Eine aktuelle Studie zeigt, wie es dazu kommt.
Die Behandlung von Pilzinfektionen wird häufig durch die Ausbildung einer Toleranz gegenüber Arzneimitteln erschwert. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Francis Crick Institute hat eine Ursache dafür im kooperativen Verhalten der Mikroorganismen gefunden. Eine gemeinschaftliche Beziehung verschiedener Hefezellen und deren Interaktion auf Ebene des Stoffwechsels bringt der ganzen Gemeinschaft Vorteile für das Wachstum und das Überleben. Der nun im Fachmagazin Nature Microbiology beschriebene Mechanismus eröffnet neue Ansätze zur Entwicklung besserer antimikrobieller Therapien.
Pilzinfektionen stellen ein zunehmendes medizinisches Problem dar und sind gefährlicher als vermutet: Jährlich sterben weltweit mehr Menschen an invasiven Pilzinfektionen als an Malaria. Es gibt lediglich drei Klassen von Medikamenten gegen eine solche Infektion. Der klinische Einsatz dieser sogenannten Antimykotika wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass die Mikroorganismen häufig tolerant gegenüber diesen Substanzen sind und eine Behandlung somit fehlschlägt.
Wie entsteht diese Arzneimitteltoleranz? Welche Rolle spielt dabei die Interaktion der Mikroorganismen miteinander und welche Vorteile bringt sie ihnen? Ein Forschungsteam an der Charité und am Francis Crick Institute in London hat nun in einer Studie einen Mechanismus aufgedeckt, der die mikrobielle Stoffwechselkooperation und die Arzneimitteltoleranz miteinander verbindet. „Wir haben herausgefunden, dass Hefezellen rege miteinander intergieren und wie sie dabei Stoffwechselprodukte austauschen. Darüber hinaus konnten wir zeigen, auf welche Weise dies Wachstumsvorteile bringt und zu einer Toleranz gegenüber gängigen Antimykotika führt“, sagt der Letztautor der Studie, Prof. Markus Ralser, Direktor des Instituts für Biochemie der Charité und Leiter einer Arbeitsgruppe am Francis Crick Institute.
Es ist bekannt, dass sich mikrobielle Gemeinschaften sowohl aus normal funktionsfähigen Zellen als auch aus solchen mit eingeschränktem Stoffwechsel zusammensetzen. Diese auxotrophen Zellen haben die Fähigkeit zur Herstellung einiger essenzieller Stoffwechselprodukte im Laufe der Evolution verloren und nehmen diese stattdessen von prototrophen Zellen in ihrer Umgebung auf. Welchen Vorteil diese Lebensweise den Zellen in der Gemeinschaft bringt, ist ein bisher ungelöstes grundlegendes Problem der Mikrobiologie, das die Autoren mit ihrer Studie nun zum Teil aufklären konnten.
Um die Koexistenz dieser verschiedenen Zelltypen zu untersuchen, nutzte das Forschungsteam die Möglichkeiten der Metagenomik, die die Gesamtheit der Mikroorganismen in der Umwelt erfasst: Anhand eines riesigen laborübergreifenden Datensatzes, der mehr als 12.000 mikrobielle Artengemeinschaften aus aller Welt umfasst, fanden sie heraus, dass Gemeinschaften, die sich sowohl aus stoffwechseldefizienten als auch aus stoffwechselkompetenten Zellen zusammensetzen, sehr häufig vorkommen. „Solche in ihrem Stoffwechsel eingeschränkten, auxotrophen Zellen sind vor allem in Kooperationen in Verbindung mit ihrem Wirtsorganismus – und insbesondere im Darmmikrobiom – stark verbreitet und scheinen einen Vorteil zu genießen“, erklärt Prof. Ralser der Charité Berlin. „Wir vermuten, dass dieses häufige Vorkommen durch Veränderungen in der gemeinsamen Stoffwechselumgebung erklärt werden kann – vor allem durch die vom Wirt bereitgestellte Umgebung mit den benötigten Stoffwechselprodukten.“
Den zugrundeliegenden biochemischen Mechanismus ergründeten die Forschenden mithilfe eines Hefemodells für metabolische Kooperation. Dieses Modellsystem ermöglichte es ihnen, stoffwechseldefiziente und -kompetente Zellpopulationen getrennt zu verfolgen und – mithilfe modernster Hochdurchsatz-Verfahren zur Protein- und Stoffwechselanalyse sowie Modellierung des Stoffwechsels und Arzneimitteltests – zu untersuchen.
Durch die Kombination dieser Technologien fanden sie heraus, dass kooperierende Mikroorganismen mit eingeschränktem Stoffwechsel, die in Gemeinschaft mit solchen mit funktionsfähigem Stoffwechsel wachsen, ihre metabolischen Prozesse anpassen und den Export von Stoffwechselprodukten verstärken. Auf diese Weise sind sie gleichzeitig in der Lage, eine Vielzahl antimikrobieller Wirkstoffe besser aus dem Zellinneren zu schleusen.
„Dieser Mechanismus bringt also für beide Zellpopulationen Vorteile mit sich“, resümiert Prof. Ralser. „Indem metabolisch interagierende Mikroorganismen ihre Exportaktivität steigern, tragen sie zum einen zu einer reichhaltigen gemeinsamen Stoffwechselumgebung bei, welche die Zellen der Gemeinschaft zum Wachstum und Überleben benötigen. So profitieren selbst solche mit funktionsfähigem Stoffwechsel von der kooperativen Beziehung. Zum anderen verringert sich die Wirkstoffkonzentration im Inneren der Zellen, so dass diese toleranter gegenüber Hunderten von antimikrobiellen Substanzen werden.“
Die Erkenntnisse der Studie gehen über die mikrobielle Ökologie hinaus und eröffnen neue Perspektiven. Weitergehende Untersuchungen sollen den Beitrag von Stoffwechsel und metabolischem Umfeld zur Ausbildung einer mikrobiellen Toleranz erschließen und somit zukünftig zur Entwicklung neuer Generationen von Antipilzmitteln beitragen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Charité Berlin. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Phoenix Han, unsplash