Die Abwiegler, die Verunsicherten und die Aufbauscher. Diese drei Typen von Eltern und ihre Kinder sehe ich regelmäßig in der Praxis. Eines haben sie gemeinsam: Sie wissen immer alles besser.
Die Abwiegler sind die, die nicht glauben, was du ihnen als Arzt diagnostiziert hast. Plötzlich sind die Pickelchen, die du soeben als Scharlach präsentiertest, doch nur Hitzereaktionen – obwohl der Rachenabstrich klar positiv ist, das Kind echt krank ist und das Fieberthermometer unbestechlich die erhöhte Temperatur anzeigt. Aber schließlich steht morgen die Taufe der Großmutter und die Goldene Hochzeit des Nachbarbabys an, wahlweise spielt das Kind auch den Jesus im Krippenspiel. Das fiele dann ja alles ins Wasser! „Aber morgen in die Schule kann er schon?“, das ist dann ein Klassiker. Oder schlicht: „Aber ansteckend ist das nicht, oder?“ Sie wollen immer nur die Absolution, dass alles in Ordnung sei und reagieren ungehalten, wenn der Arzt ihr Weltbild durcheinander wirft.
Die Verunsicherten sind die, die nicht glauben, was du ihnen als Arzt diagnostiziert hast. „Sind Sie sich sicher?“, fragt der Vater und „Aber meine Nachbarin sagt, das ist wahrscheinlich doch die Pest“, bemerkt die Mutter. Sie kommen generell lieber dreimal zu viel als einmal zu wenig. Sie erhalten stets die freigehaltenen Termine am Freitagnachmittag. „Wissen Sie, so vor dem Wochenende, da wollten wir nochmal schauen lassen, ob’s Bobele gesund ist.“ Oder die Termine am Montagmorgen: „Der Arzt am Samstag hat was anderes gesagt als der Arzt am Sonntag.“ Die Verunsicherten geben übrigens häufiger Glaubuli als die anderen, denn „schließlich kann das nicht schaden und irgendetwas muss man ja tun.“
Und zu guter Letzt die Aufbauscher. Das sind übrigens die, die nicht glauben, was du ihnen als Arzt diagnostiziert hast. „Was denn, das ist nur Dreck?“, fragt die Oma und kratzt an dem vermeintlichen Zeckenstich herum. Danach ist das „Insekt“ unter ihrem Fingernagel – war ja auch keine Zecke. Sie sind eigentlich eine Untergruppe der Verunsicherten, aber mit einem anderen Motiv. Für sie ist alles, was du ihnen anbietest, zu wenig. Sie möchten immer ein Antibiotikum, zumindest mal ein Antibiotikaa, oder doch wenigstens einen Hustensaft. Sie sind die schwierigsten im Handling, denn sie appellieren an Doktors Gewissen, ja nicht den Krankheitsverlauf herunterzuspielen. Das kann auch ins Auge gehen. „Ich hab’s ja gleich gesagt, dass sie eine Lungenentzündung bekommt!“ Ja, ok. Aber das war aus der Warze am Fuß schwerlich abzuleiten.
Allen möchte ich entgegenrufen: „Und warum kommen Sie dann überhaupt zum Arzt?“ Ich bin schließlich der Gott in Weiß in Birkenstocks, der Allwissende, der Bestimmer.
Den vierten Typus, die ganz normalen Eltern, gibt es natürlich auch noch – aber aus Gründen des Spaßes und der Dramaturgie lassen wir sie ausnahmsweise einmal unter den Tisch fallen.
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