Die Apotheke ist eine Welt für sich. Schräge Kundenwünsche können Berufsanfänger ganz schön aus dem Konzept bringen – da kann man schon mal alles Gelernte vergessen.
Letztes Jahr habe ich meine Oberkurse immer nur in halber Klassenstärke unterrichtet, um den damals noch strengen Coronabestimmungen Rechnung zu tragen. Die Atmosphäre bei solch kleinen Kursen empfinde ich als etwas ganz Besonderes: Es bleibt einfach mehr Zeit für das soziale Miteinander und es kommen ganz andere Themen auf. Wir lachten mehr zusammen, aber es wurde sich auch getraut, über Ängste zu sprechen.
Ausgerechnet eine meiner besten Schülerinnen hat sich getraut, etwas zur Sprache zu bringen, was vermutlich jede Neu-PTA kennt: Die Angst vor dem Kunden. „Was ist, wenn er mich etwas fragt, das ich nicht beantworten kann? Ich habe das Gefühl, dass ich GAR NICHTS weiß! Ich habe Angst, dann dumm dazustehen.“
Ja, ich denke sie kann gar nicht ermessen wie verdammt gut die meisten Berufsanfänger – mich eingeschlossen – das verstehen können. Ich weiß heute noch, wie mein erster Kunde ausgesehen hat und was ich bei ihm falsch gemacht habe. Aber ich weiß ebenfalls aus eigener Erfahrung, dass das auch besser werden wird.
Was sie braucht ist ein Team, das sie auffängt und ihr unterstützend zur Seite steht. Sie darf sich niemals scheuen, bei einer Beratung um Hilfe zu bitten. Und sie muss ehrlich sein. Wenn sie etwas nicht weiß, ist das kein Beinbruch. Sie sollte dem Kunden dann offen sagen, dass sie sich noch in der Ausbildung befindet und um sicherzugehen, dass die Beratung zu 100% stimmt, gerne einen Kollegen mit dazunehmen möchte. Ist das zeitlich nicht möglich, kann sie ihm sagen, dass sie sich erkundigt und ihn umgehend anruft, sobald sie sicher ist, was in dieser Situation zu tun ist.
Ich habe ihr erklärt, dass niemand sauer auf sie sein wird, wenn man sieht, dass sie sich ehrlich bemüht, den Kunden bestmöglich zu bedienen. Niemand kann, wird und darf erwarten, dass sie schon alles kann, wenn sie aus der Schule kommt. Dort bekommt sie nur das Fundament, das tragfähig ist, in dem man aber noch nicht wohnen kann. Ihr Haus baut sie in den nächsten Jahren darauf auf. Solche Gespräche tun glaube ich beiden Seiten gut.
Abgeschlossen haben den Schultag dann Erzählungen der anderen Klassenkameraden über die ersten skurrilen Erlebnisse in der Apotheke. Eine Schülerin wurde beispielsweise von einem Kunden nach dem „Playboy“ gefragt – den sie dann auch eifrig suchen ging – bevor ihr Chef ihr verriet, dass der Kunde die Apotheken Umschau haben wollte.
Eine andere Schülerin erzählte von einem Anruf einer Dame, die sie gebeten hat, quasi per Ferndiagnose über das Telefon herauszufinden, ob ihr Zwergsiebenschläfer gestorben ist. Er war seit drei Tagen nicht mehr aus seinem Häuschen gekommen…
Ein Schüler wurde von einer Kundin gebeten, ihr bei seinem nächsten Botendienst doch drei Kästen Mineralwasser mitzubringen. Die seien so schwer.
Und ein anderer Schüler muss jedes Mal, wenn er bei einer Dame etwas vorbeibringt, nach dem Klingeln an der Haustüre warten, bis sie den Schlüssel herunterwirft. Dann soll er die Post mit nach oben, und den Müll (getrennt) mit nach unten nehmen.
Alles Dinge, die ich so oder so ähnlich auch kenne, und die irgendwie auch die Würze in den Alltag bringen. Man hat etwas zu erzählen, zu lachen und sich aufzuregen. Die Arbeit in der Apotheke ist schon etwas ganz Besonderes!
Bildquelle: Naomi Suzuki, unsplash