Eine Studie liefert einen experimentellen Beweis dafür, dass Rauchen zur Akkumulation von DNA-Mutationen führt. Sie zeigt aber auch, warum die stärksten Raucher nicht zwingend das höchste Krebsrisiko haben.
Zigarettenrauchen ist zwar die Hauptursache für Lungenkarzinome, aber nur eine Minderheit der Raucher erkrankt daran. Selbst lebenslange Raucher, die mehrere Packungen am Tag konsumieren, bekommen nicht zwingend Krebs. Eine Studie in Nature Genetics deutet auf eine mögliche Ursache für dieses Phänomen hin: Einige Raucher verfügen möglicherweise über robuste Mechanismen, die die Zellmutationen begrenzen – und sie so vor Krebs schützen.
Dass Rauchen zu Lungenkrebs führt, indem es DNA-Mutationen in normalen Lungenzellen auslöst, wird schon seit langem angenommen. „Bis zu unserer Studie konnte dies jedoch nie bewiesen werden, da es keine Möglichkeit gab, Mutationen in normalen Zellen genau zu quantifizieren“, so Dr. Jan Vijg, Mitautor der Studie und Professor für Genetik am Albert Einstein College of Medicine New York. Durch die Entwicklung einer verbesserten Methode zur Sequenzierung des gesamten Genoms einzelner Zellen konnte das Hindernis aber überwunden werden.
Bei der Sequenzierung des Genoms können Sequenzierungsfehler auftreten, die nur schwer von echten Mutationen zu unterscheiden sind – ein schwerwiegender Fehler bei der Analyse von Zellen mit seltenen und zufälligen Mutationen. Vijg löste dieses Problem 2017 durch die Entwicklung einer neuen Sequenzierungstechnik, der Single-Cell Multiple Displacement Amplification (SCMDA). Die Methode berücksichtigt und reduziert Sequenzierungsfehler.
Die Forscher nutzten also SCMDA, um die Mutationslandschaft normaler Lungenepithelzellen zweier Gruppen zu vergleichen: 14 Nie-Raucher im Alter von 11 bis 86 Jahren und 19 Raucher im Alter von 44 bis 81 Jahren, die maximal 116 Packungsjahre geraucht hatten. Ein Packungsjahr entspricht dabei einer Schachtel Zigaretten pro Tag in einem Jahr. Die Zellen wurden von Patienten entnommen, die sich für diagnostische Tests einer Bronchoskopie unterzogen, die nicht mit Krebs in Verbindung standen. „Diese Lungenzellen überleben Jahre, sogar Jahrzehnte, und können daher mit dem Alter und dem Rauchen Mutationen ansammeln“, sagte Dr. Simon Spivack, Mitautor der Studie und Professor für Medizin, Epidemiologie und Bevölkerungsgesundheit. „Von allen Zelltypen der Lunge gehören sie zu denjenigen, die am ehesten zu Krebs werden.“
Die Forscher stellten wenig überraschend fest, dass sich Mutationen in den Lungenzellen von Nichtrauchern mit zunehmendem Alter häufen – und dass in den Lungenzellen der Raucher deutlich mehr Mutationen gefunden wurden. „Dies bestätigt experimentell, dass Rauchen das Lungenkrebsrisiko erhöht, indem es die Häufigkeit von Mutationen erhöht, wie zuvor angenommen wurde“, so Spivack.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Zahl der in den Lungenzellen entdeckten Zellmutationen stieg geradlinig mit der Zahl der Packungsjahre an – damit vermutlich auch das Risiko für Lungenkrebs. Interessant ist jedoch, dass der Anstieg der Zellmutationen nach 23 Packungsjahren stagnierte.
„Die stärksten Raucher wiesen nicht die höchste Mutationslast auf“, so Spivack. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass diese Personen trotz ihres starken Rauchens so lange überlebt haben könnten, weil es ihnen gelungen ist, eine weitere Mutationsanhäufung zu unterdrücken. Diese Stagnation der Mutationen könnte darauf zurückzuführen sein, dass diese Menschen über sehr leistungsfähige Systeme zur Reparatur von DNA-Schäden oder zur Entgiftung des Zigarettenrauchs verfügen.“
Das Ergebnis eröffnet nun also eine interessante Forschungsrichtung: „Wir möchten neue Tests entwickeln, mit denen die Fähigkeit einer Person zur DNA-Reparatur oder Entgiftung gemessen werden kann, was einen neuen Weg zur Bewertung des Lungenkrebsrisikos bieten könnte“, erklärt Vijg. So könnten sich künftig schon frühzeitig diejenigen Raucher identifizieren lassen, die ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben und dementsprechend sorgfältig überwacht werden sollten. „Dies könnte sich als wichtiger Schritt in Richtung Prävention und Früherkennung des Lungenkrebsrisikos erweisen“, so Spivack.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Albert Einstein College of Medicine New York. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: lilartsy, unsplash