Die aktuelle Variante der Vogelgrippe wird häufiger als bisher auf Säugetiere übertragen. Für Menschen besteht noch keine Gefahr – doch Forscher befürchten, dass sich das ändern könnte.
Die Vogelgrippe – auch aviäre Influenza genannt – ist vor allem unter wildlebenden Wasservögeln verbreitet. Aktuell kursiert eine besonders virulente Variante mit der Bezeichnung H5N1, die für ein Massensterben bei Wildvögeln sorgt: Seit Ende 2021 wurden in Frankreich tausende tote Strandläufer gefunden; an der englischen Küste starben etwa 10 % der dortigen Nonnengans-Population. Wie das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) berichtet, gebe es auch in Deutschland in erheblichem Maße Infektionen bei Wildvögeln. Bei gehaltenen Vögeln, insbesondere in kommerziellen Geflügelhaltungen, seien die Infektionszahlen jedoch vergleichsweise niedrig, so das FLI.
Die aktuelle Infektionswelle ist mit ihrer raschen Ausbreitung und der extrem hohen Häufigkeit beispiellos. Bei Wildvögeln bedrohe der Erreger ganze Populationen, insbesondere solche, die bereits gefährdet sind, berichten die Biologen Michelle Wille und Ian Barr von der University of Melbourne. Das Problem: Bisher ist die Ursache für die rasche Verbreitung noch unklar. Möglicherweise rufe die aktuelle Variante eine höhere Viruslast hervor, was Ansteckungen erleichtere, so Wille und Barr.
Besonders beunruhigend ist die Übertragung auf Fleisch und Aas fressende Säugetiere wie Füchse und Fischotter. Die Zahl liege in der aktuellen H5N1-Welle höher, als bei vorherigen Infektionswellen, erklärt das FLI. Unklar ist, ob dies auf eine erhöhte Empfänglichkeit von Säugetieren für das zirkulierende Virus zurückzuführen ist, oder auf die höhere Anzahl infektiöser Vogelkadaver.
Einige Vogelgrippe-Varianten können auch auf den Menschen übertragen werden und – in bisher seltenen Fällen – tödlich verlaufende Erkrankungen auslösen. Bisher ist dem FLI zwar keine Übertragung des hochpathogenen aviären Influenzavirus (HPAIV) von Mensch zu Mensch bekannt, dennoch kann es bei einem sehr intensiven Kontakt zu infizierten Tieren zu einer Infektion des Menschen kommen. Die britische Gesundheitsbehörde UKHSA warnte deshalb davor, kranke oder tote Vögel zu berühren. Vor allem die Mutationen bereiten Experten Sorgen: Willem und Barr warnen vor den hochpathogenen Vogelgrippeviren, die eines Tages so mutieren könnten, dass sie auch von Mensch zu Mensch übertragen werden können. Wie bei Corona wäre es praktisch unmöglich, das Virus unter Kontrolle zu bringen, wenn das Virus durch die Luft von Mensch zu Mensch übertragen würde.
Experten empfehlen daher Wildvögeln und Geflügel, sowie die Schnittstellen zwischen Menschen und Geflügel kontinuierlich zu überwachen: „Das Risiko einer Ausbreitung von HPAIV H5 bei Wildvögeln sowie einer Übertragung auf Geflügel und gehaltene Vögel in Deutschland wird weiterhin als hoch eingestuft. Es wird dringend empfohlen, Biosicherheitsmaßnahmen in den Geflügelhaltungen auf hohem Niveau zu halten und, wenn nötig, weiter zu verbessern“, so die Experten des Friedrich-Löffler-Instituts. Impfungen von Geflügel gegen das Vogelgrippe-Virus gibt es bisher nicht.
Dieser Beitrag basiert auf einem Text des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Hier findet ihr die Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Instituts.
Bildquelle: Grey Bendig, unsplash.