Ihr habt Patienten, die auf tierische Produkte verzichten – ist das überhaupt gesund? Ja, aber es kann auch zu Nährstoffdefiziten kommen. Welche Blutwerte ihr im Blick haben solltet, erfahrt ihr hier.
Eine vegane Ernährungsweise, bei der man komplett auf tierische Produkte verzichtet, wird immer beliebter – insbesondere im letzten Jahrzehnt unter den Millennials. Schätzungsweise liegt die Prävalenz in Europa bei 1 % bis 10 %. Der Verzicht auf tierische Produkte und der erhöhte Konsum von Obst, Gemüse, Cerealien, Nüssen und Samen hat viele gesundheitliche Vorteile: Die Diät geht mit einer niedrigeren Inzidenz von Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Darmkrebs, Übergewicht, kardiovaskulären Erkrankungen und nicht-alkoholischer Fettleber einher. Allerdings gibt es noch keine ausführliche Bewertung zu den negativen gesundheitlichen Folgen des Veganismus – beispielsweise Nähstoffmängel. Supplemente wie Eisen, Zink, Jod, Selen, Calcium, langkettige n-3-Fettsäuren, Vitamin B12, D und B2 stehen deswegen zur Diskussion.
Ein systematisches Review untersuchte die vegane Diät in der europäischen Bevölkerung in Bezug auf die Nährstoffaufnahme sowie den gesundheitlichen Zustand. Die Forscher durchsuchten dafür Portale wie PubMed, Web of Science, ISS und di eCochrane Library. Auch Google Scholar wurde verwendet, um graue Literatur zu erfassen. Insgesamt charakterisierten die Forscher 48 von 2.549 Studien, die eine vegane Ernährungsweise ohne Nahrungsergänzungsmittel in der europäischen Bevölkerung untersuchten, als geeignet. Dadurch lag die Stichprobengröße bei 12.096 aus den Jahren 1987 bis 2020.
Insgesamt war die Nährstoffzufuhr bei der veganen Ernährung im Vergleich zu allen anderen Diät-Typen niedriger: Das schloss die Aufnahme von Proteinen und Vitamin B2, B3 (Niacin), B12, D sowie Jod, Zink, Kalzium, Kalium und Selen ein. Dabei war die Vitamin-B12-Zufuhr deutlich geringer (0,24 – 0,49 µg/Tag) als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt (4,0 µg/Tag). Auch die Kalziumzufuhr lag bei der Mehrheit unter der Empfehlung von 950 mg/Tag. Allerdings konnten die Forscher keine signifikanten Unterschiede in der Fettaufnahme sowie der Zufuhr von Eisen, Phosphor, Magnesium, Kupfer, Folsäure und den Vitaminen A, B1, B6, C, und E feststellen.
Veganer wiesen auch eine niedrigere glykämische Belastung auf. Die Eisenzufuhr selbst war bei veganer Ernährung sogar höher, als bei Nicht-Veganern; allerdings spiegelt sich das aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit nicht immer im Ferritinspiegel wider, erklären die Autoren. Veganer hatten außerdem, mit über 2 g pro Tag, einen erhöhten Natriumwert. Dagegen hatten sie, ähnlich zu anderen Diäten, einen niedrigeren BMI und eine geringere Prävalenz von Übergewicht und Fettleibigkeit.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Vermeidung von Nährstoffmängeln während einer veganen Ernährung eine Herausforderung sein kann“, schreiben die Forscher. Zwar könne im Allgemeinen eine vegane Diät – bei der die Aufnahme von Lebensmitteln aus mehreren Lebensmittelgruppen (z. B. Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse), Soja und hochwertigen Ölen zurückgeht – als gesund und ausgewogen bezeichnet werden. „Allerdings ist die geringe Zufuhr von Vitaminen B2, Niacin, B12, D, Eisen, Kalzium und Jod nicht zu übersehen.“ Die Autoren empfehlen, Maßnahmen gegen diese Mangelerscheinungen zu treffen. Außerdem sei eine vegane Ernährung mit einem besseren glykämischen Index und Lipidprofilen verbunden, sowie mit einer geringeren Inzidenz verschiedener Krebsarten.
Diese Ergebnisse gehen auch mit dem Positonspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) einher: „Bei einer rein pflanzlichen Ernährung ist eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich.“ Dabei sei der kritische Nährstoff Vitamin B12 – doch potenziell kritische Nährstoffe seien auch Protein bzw. unentbehrliche Aminosäuren, langkettige n3-Fettsäuren sowie weitere Vitamine (Riboflavin, Vitamin D) und Mineralstoffe (Calcium, Eisen, Jod, Zink, Selen). „Für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche wird eine vegane Ernährung […] nicht empfohlen“, heißt es. Sie weisen auch daraufhin, wer sich vegan ernähren möchte, solle dauerhaft ein Vitamin-B12-Präparat einnehmen und auf die ausreichende Zufuhr kritischer Nährstoffe achten. Eine Deckelung über nicht-tierische Produkte sei kaum möglich, da bei vielen anderen Lebensmitteln die Bioverfügbarkeit von Vitamin B12 ebenfalls kritisch oder nicht ausreichend geklärt ist. Um die Zufuhr von potenziell kritischen Nährstoffen über eine ausgewogene Ernährung zu sichern, hat die DGE eine Tabelle mit Optionen bei veganer Lebensweise erstellt:
Allerdings gehe die pflanzlich basierte Ernährung auch mit einer guten Versorgung mit Vitaminen (Vitamin C, Vitamin E, Thiamin und Folat) und Mineralstoffen (Magnesium und Kalium) sowie Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen einher. Zumindest wenn man nicht übermäßig Produkte konsumiert, die mit hohen Mengen an Zucker, Fett und Speisesalz angereichert werden.
Eine Meta-Analyse hat beispielsweise gezeigt, dass Personen, die sich vegetarisch ernährten im Vergleich zu Personen, die sich nicht vegetarisch ernähren, ein geringeres Risiko für ischämische Herzkrankheiten, Krebs und kardiovaskuläre Krankheiten hatten. Allerdings ist bei solchen Studien häufig zu beachten, dass der generelle Lebensstil der Probanden eine große Rolle spielt, sodass die niedrigeren Krankheitsrisiken vermutlich nicht ausschließlich auf die Ernährung zurückzuführen seien, erklärt die DGE.
Das Fazit? Eine vegane Ernährung kann in ausgewogener Praktizierung viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringen, doch birgt gleichzeitig auch das Risiko einer Mangelernährung – insbesondere was Vitamin B12 angeht. Daher ist diese Lebensform nicht für jede Person empfehlenswert. Sollte sie in Betracht gezogen werden, wäre eine Ernährungsberatung ratsam.
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