Medikamente in Form von löslichen Pulvern oder Brausetabletten sind bei Patienten beliebt. Doch sie könnten sich auch negativ auf die kardiovaskuläre Gesundheit auswirken. Warum, lest ihr hier.
Zu viel Natrium ist nicht gut für den Blutdruck und damit indirekt für das gesamte kardiovaskuläre Risiko – so weit, so bekannt. Daher sind wohl jedem die einschlägigen Empfehlungen bekannt, die Natriumeinnahme in der Ernährung auf maximal 1,5–2 g täglich zu deckeln. Das Hauptaugenmerk liegt hier für gewöhnlich auf dem Kochsalz NaCl, welches den größten Anteil der Natriumzufuhr ausmacht.
Dass NaCl den Blutdruck erhöhen kann, ist gut belegt, aber bei anderen Natriumsalzen ist die Sachlage weniger eindeutig. Bisherige kontrollierte Studien lieferten keine oder widersprüchliche Hinweise auf einen solchen Effekt. Dementsprechend interessant ist nun eine aktuelle Studie aus dem European Heart Journal. Sie beschäftigt sich mit dem Kardio-Risiko, das von einer bisher wenig beachteten Quelle der Natriumzufuhr ausgeht: natriumhaltigen Medikamenten.
Medikamente gibt es häufig in unterschiedlichen Formulierungen, unter anderem in Form von löslichen Brausetabletten oder -pulvern. Besonders die löslichen Schmerzmittel sind bei Patienten wegen ihrer schnellen Wirksamkeit beliebt; die leichte Einnahme und der oft auch angenehme Geschmack tun ihr Übriges. In einer französischen Untersuchung gab fast ein Drittel der Teilnehmer an, in den letzten 30 Tagen eine Brausetablette zu sich genommen zu haben. In 95 % der Fälle handelte es sich dabei um freiverkäufliches Paracetamol, ASS, Vitamintabletten und Betain.
Diese Formulierungen basieren meist auf Natriumbicarbonat, was zum einen das lustige Sprudeln in Wasser erklärt, und zum anderen den hohen Natriumgehalt dieser Produkte. Eine lösliche Tablette Paracetamol (500 mg) enthält beispielsweise ca. 400 mg Natrium. Bei Einnahme von 5 Tabletten ist also die maximale Na-Zufuhr von 2 g pro Tag bereits erreicht. Dies veranlasste nun britische Forscher zu untersuchen, ob diese zusätzliche Na-Einnahme das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht.
Dies geschah in Form einer Beobachtungsstudie von britischen Patienten im Alter von 60–90 Jahren, die zwischen 2000 und 2017 mindestens ein Jahr lang durchgehend in einer Hausarztpraxis registriert waren. Abhängig davon, ob die Patienten unter arterieller Hypertonie litten oder nicht, wurden sie in zwei Kohorten unterteilt. Die nötigen Patientendaten entnahmen die Forscher THIN, einer umfassenden Datenbank, welche anonymisierte Patientendaten von britischen Allgemeinmedizinern sammelt.
Untersucht wurde nun, wie oft innerhalb eines Jahres nach einer Verschreibung von Paracetamol kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz) auftraten – abhängig davon, ob ein natriumhaltiges lösliches Präparat verschrieben wurde oder andere Formulierungen, die kein zusätzliches Natrium enthielten. Auch die Gesamtsterblichkeit wurde erhoben; nach Ursachen aufgeschlüsselt wurden die Todesfälle jedoch nicht.
In der Gruppe von Patienten mit Bluthochdruck erhielten insgesamt 4.532 Personen Na-haltiges Paracetamol; 122 CVD-Ereignisse wurden verzeichnet, was ein 1-Jahres-Risiko von 5,6 % ergab. Von den 146.866 Patienten, die mit nicht-Na-haltigem Paracetamol behandelt wurden, waren 3.051 betroffen (4,6 %). Unter statistischer Berücksichtigung diverser Co-Variablen ergab sich so ein Hazard Ratio von 1,59 (95 % CI 1,32–1,92) für alle kardiovaskulären Ereignisse; für die spezifischen Ereignisse bewegten sich die Werte in einem ähnlichen Bereich. Auch die Gesamtsterblichkeit war signifikant erhöht (HR: 2,05; 95 % CI 1,92–2,19).
Ein ähnlicher Effekt ließ sich auch bei der Patientengruppe ohne Hypertonie beobachten: Von den 5.351 Personen, die Na-haltiges Paracetamol erhielten, waren 105 von einem CVD-Ereignis betroffen (1-Jahres-Risiko: 4,4 %); in der Vergleichsgruppe mit 141.948 Personen waren es 2.079 (3,7 %). Der HR belief sich somit auf 1,45 (95 % CI 1,18–1,79), mit ähnlichen Werten für die spezifischen Erkrankungen. Auch hier ließ sich eine Erhöhung der Gesamtsterblichkeit beobachten (HR 1,87, 95% CI 1,74–2,00).
Weiterhin ließ sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung beobachten: Je länger Patienten Na-haltige Präparate erhielten, desto häufiger gab es CVD-Fälle. Die Forscher resümieren: „In dieser bevölkerungsbezogenen Kohortenstudie war die Einnahme von natriumhaltigem Paracetamol mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Mortalität bei Personen mit oder ohne Bluthochdruck verbunden.“ Die Ergebnisse blieben über mehrere Sensitivitätsanalysen hinweg konsistent, was darauf hinweise, dass die beobachteten Zusammenhänge robust sind.
Wie jede Beobachtungsstudie hat auch diese ihre Limitierungen: Es ist zwar möglich, eine Assoziation herzustellen, ein kausaler Zusammenhang ist dadurch allerdings nicht belegt. So könnte der beobachtete Effekt auch auf andere nicht untersuchte Ursachen zurückzuführen sein.
Auch konnten einige Daten nicht erhoben werden, wie die Autoren selber einräumen. Dazu gehört beispielsweise die Erfassung der täglichen Na-Aufnahme über die Nahrung. Ebenfalls lässt sich unmöglich kontrollieren, ob Patienten zusätzlich zum verschriebenen Medikament noch andere Na-haltige OTC-Medikamente oder Supplements zu sich genommen haben – umgekehrt heißt eine Verschreibung aber auch nicht, dass die Patienten die Medikamente auch tatsächlich eingenommen haben.
Prof. Tom Sanders, emeritierter Professor für Ernährung am Kings College London, weist auf einen weiteren zentralen Punkt hin: Auch wenn sich die Interventions- und Kontrollgruppen zwar sehr ähnlich waren, dürfte es einen spezifischen Grund geben, warum einigen Patienten die sprudelnde Variante verschrieben wurde und anderen nicht. „Sprudelnde Formulierungen werden bevorzugt, wenn Patienten unter saurem Reflux leiden. Es ist möglich, dass Patienten mit saurem Reflux ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen haben und dass es sich nicht um eine Auswirkung der Paracetamolformulierung handelt.“
Dennoch liefert die Studie einen berechtigten Grund, die Medikamenteneinahme zu überdenken: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass der Einzelne eine unnötige übermäßige Natriumaufnahme durch natriumhaltiges Paracetamol vermeiden sollte“, schreiben die Autoren. Zumindest was die Langzeitaufnahme betrifft, könnte ein Verzicht auf solche Formulierungen (auch bei anderen Medikamenten) für die Patienten sicherer sein – zumindest, wenn die Patienten keinen guten Grund haben, auf die lösliche Variante zurückzugreifen. Personen, die nicht in der Lage sind, Tabletten zu schlucken, sollten aufgrund dieser Ergebnisse natürlich nicht einfach überstürzt ihre Medikamente absetzen.
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