Die Entwicklung neuer MS-Therapeutika schreitet schnell voran. Eines können Ärzte ihren Patienten aber jetzt schon raten, um den Krankheitsverlauf selbstbestimmt zu verbessern: Den Rauchstopp.
Die Entdeckung von EBV als möglichem direkten Auslöser einer MS-Erkrankung ist längst in aller Munde (wir berichteten) und verspricht neue tiefgreifende Therapieoptionen. Neben diesen Fortschritten spielt aber auch weiterhin die Modifizierung von Lebensstilfaktoren eine wichtige Rolle, da den Patienten so eine Möglichkeit gegeben wird, selbst Einfluss auf ihre Erkrankung zu nehmen.
Bislang sind bei der Multiplen Sklerose nicht viele solcher Faktoren entdeckt worden. Dass Rauchen – ja sogar Passivrauchen – einen wichtigen Lebensstilfaktor darstellt, ist aber schon seit Jahren bekannt. Inwiefern sich ein Rauchstopp auf eine bereits bestehende MS-Erkrankung auswirkt, wurde bislang jedoch noch nicht untersucht – aktuelle Studien beantworten diese Fragestellung nun. Zudem wurde der Einfluss des Alkoholkonsums untersucht, mit überraschendem Ergebnis.
In einer Studie aus Großbritannien wurden 7.983 MS-Patienten, unterteilt in Raucher, Nichtraucher und ehemalige Raucher, hinsichtlich der Progression motorischer und psychischer Funktionen untersucht. Dies geschah mittels etablierter MS-Fragebögen wie dem „MS walking scale 12“ (MSWS-12) für die motorischen Funktionen oder den „hospital anxiety and depression scales“ (HADS) bezüglich der psychischen Funktionen.
Parallel wurden 923 Patienten prospektiv über 4 Jahre mit Blick auf die selbe Fragestellung hin untersucht. Alle Patienten gaben im Verlauf eine Verschlechterung sowohl der motorischen Funktionen, als auch der psychischen Verfassung an. Raucher gaben dabei in allen Fragebögen schlechtere Ergebnisse als die Nichtraucher an. Außerdem kam es bei ihnen schneller zu einer Verschlechterung der motorischen Funktionen. Bei Patienten, die das Rauchen gänzlich einstellten, konnte eine Verlangsamung der Progression der motorischen Funktionen nachgewiesen werden. Diese passten sich im Verlauf denen von Nichtrauchern an, sodass zwischen beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied mehr bestand.
Eine Querschnittstudie aus Italien untersuchte zudem den Effekt von Alkoholkonsum und Rauchen auf den MS-Schweregrad. Hierzu wurden 351 MS-Patienten hinsichtlich ihres Alkohol- und Nikotinkonsums befragt. Die Schwere der MS-Symptome wurde anhand des „Multiple Sclerosis Severity Score“ (MSSS) bemessen. Wenig überraschend waren Raucher deutlich schwerer betroffen als Nichtraucher und landeten fast doppelt so häufig im oberen Drittel des MSSS. Der Alkoholkonsum hatte hingegen keinen signifikanten Einfluss auf die Schwere der MS-Erkrankung. Interessanterweise waren Raucher, die regelmäßig Alkohol konsumierten, nur etwas schwerer betroffen als abstinente Patienten.
Interessant an den Studienergebnissen ist nicht etwa, dass Rauchen einen schädlichen Einfluss auf MS-Patienten hat. Dies ist, wie oben erwähnt, bereits seit vielen Jahren bekannt. Erstmals konnte jedoch nachgewiesen werden, dass sich ein Rauchverzicht für MS-Patienten lohnt und ihnen ein Stück Autonomie über ihren Körper zurückgeben kann.
Dies ist insbesondere im Hinblick auf eine Krankheit relevant, der man als Patient oft nur ohnmächtig entgegenblicken kann. Ob man renitenten rauchenden MS-Patienten nun einen gesteigerten Alkoholkonsum anraten sollte, sei jedoch mal dahingestellt. Immerhin handelt es sich hierbei nur um die Ergebnisse einer Querschnittsstudie. Auch die Forscher selbst gestehen aufgrund des Studiendesigns eine verminderte Aussagekraft der Ergebnisse ein. Über die biologischen Hintergründe könne man aktuell nur spekulieren. Der große Einfluss von Alkohol auf das zentrale Nervensystem lässt sich jedoch schlecht abstreiten. In jedem Fall ist in beiden Bereichen weitere Forschung notwendig.
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