Das Projekt Land.in.Sicht der bvmd versucht, mehr Studierende für die landärztliche Versorgung zu begeistern. Wir sprachen mit Jonas Heismann, einem der Projektleiter, über ländliche Idylle, die Zukunft von Land.in.Sicht und den Sinn von viel Geld für die Allgemeinmedizin.
DocCheck: Herr Heismann, was hat es mit dem Projekt Land.in.Sicht auf sich? Heismann: Hinter Land.in.Sicht verbirgt sich ein Famulaturprojekt der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) e.V. in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Wir möchten Studierenden durch finanzielle Förderung die Möglichkeit bieten, das Berufsfeld des Landarztes in Form einer Famulatur kennenzulernen. Jeder Studierende bekommt hierfür ein Stipendium über 300 Euro sowie einen Fahrtkostenzuschuss bis zu 216 Euro. © Jonas Heismann DocCheck: Geht es bei dem Projekt nur um Famulaturplätze in der Allgemeinmedizin? Heismann: Nein, es geht um die ländliche Grundversorgung. Hieran tragen die Allgemeinmediziner einen großen Anteil und deswegen sind sie in dem Projekt mit 30 Famulaturplätzen vertreten. Allerdings sind in der Pilotphase von April 2014 bis März 2015 neben diesen Plätzen bei Allgemeinmedizinern auch 5 Famulaturplätze bei anderen Fachärzten der Grundversorgung wie Pädiatrie, Augenheilkunde, Orthopädie oder HNO dabei. Dies wurde von der KVB so gewünscht. DocCheck: Wie kommt es zu der Partnerschaft von KVB und bvmd? Heismann: Eigentlich ist es unser Ziel, das Projekt in ganz Deutschland zu etablieren. Da eine schrittweise Umsetzung aber deutlich leichter ist, haben wir uns sehr über die Bereitschaft der KVB gefreut, die Pilotphase von Land.in.Sicht zunächst in Bayern zu starten. DocCheck: Welche Ziele verfolgen die bvmd und die KVB jeweils mit dem Projekt? Heismann: Die KVB hat durch den Versorgungsauftrag und den drohenden Landärztemangel ein großes Interesse daran, die Ärzte von morgen, also die Medizinstudierenden, zu erreichen. Hierbei wird sie durch die bvmd unterstützt. Für die bvmd ist es wichtig, zu zeigen, dass man auch auf anderem Wege als durch Zwang zu einem PJ-Pflichtabschnitt Allgemeinmedizin, Medizinstudierende für den landärztlichen Beruf begeistern kann. Auch wir sehen den Bedarf an Allgemeinmedizinern, insbesondere in ländlichen Versorgungsgebieten – Studierende werden aber sicher keine Motivation für ein Fach und einen Versorgungsraum entwickeln, wenn man sie dort hinein zwingen möchte. DocCheck: Wie kommt denn das Projekt bei den Studierenden an? Heismann: Das Projekt kommt außerordentlich gut an: Wir hatten insgesamt dreimal so viele Bewerber wie Plätze. Das zeigt uns, dass das Interesse der Studierenden an diesem Projekt groß ist. Dadurch werden wir natürlich zu einer Ausweitung des Projektes auf weitere KVen angespornt. Gleichzeitig hat die Pilotphase auch noch kleinere Schwierigkeiten aufgedeckt, welche wir im kommenden Sommer beheben wollen. DocCheck: Welche Schwierigkeiten gab es denn? Heismann: Ein großes Problem waren die Unterkünfte: Eigentlich wollten wir die jeweiligen Gemeinden der landärztlichen Praxen für die Unterbringung der Famulanten miteinbeziehen. Das hat leider kaum funktioniert. Hierfür wurde eine Zwischenlösung durch die Arztpraxen gefunden.
DocCheck: Was ist denn der größte Erfolg des Projektes aus Deiner Sicht? Heismann: Für mich ist die große Resonanz auf das Projekt unter den Studierenden aber auch unter den KVen einer der größten Erfolge von Land.in.Sicht. Auch die durchweg positive Presse zeigt, dass die bvmd hier den richtigen Nerv getroffen hat. DocCheck: Welche Studierenden haben denn an dem Projekt teilgenommen? Bayerische oder solche, die Allgemeinmediziner werden wollen? Heismann: Das Bewerberfeld war sehr gemischt. Natürlich gab es viele Studierende aus Bayern, aber auch aus Berlin, Hamburg, Aachen und einigen weiteren Uni-Städten. Sicher bewarben sich auch besonders allgemeinmedizinbegeisterte Studierende, ein Großteil der Studierenden hatte aber keine größere Präferenz für die Allgemeinmedizin. Im Nachhinein waren aber eigentlich alle begeistert von der Arbeit als Landarzt. DocCheck: Die Teilnehmer bekommen eine üppige finanzielle Förderung und die Fahrtkosten gestellt. Warum muss aus Eurer Sicht die Allgemeinmedizin mit so viel Geld gefördert werden? Heismann: Wir als bvmd sehen das Stipendium und die Fahrtkosten nicht als spezielle Förderung der Allgemeinmedizin, sondern als Nachteilsausgleich für eine universitäts- und wohnortferne Famulatur. Die Studierenden können beispielsweise nicht neben der Famulatur arbeiten – wir möchten also keine wirtschaftlichen Anreize für die Allgemeinmedizin setzen, sondern viel mehr für Chancengleichheit sorgen. Dass dieser Ausgleich bei den Studierenden gut ankommt, zeigen unsere Bewerberzahlen. Uns ist es wichtig, den Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich die landärztliche Versorgungsrealität zumindest einmal anzuschauen. Die Begeisterung dafür kommt dann meist von ganz allein. DocCheck: Anhand der angebotenen Plätze kann man einen klaren Schwerpunkt des Projektes in der Allgemeinmedizin erkennen. Es gibt aber auch viele andere Fächer mit Nachwuchssorgen. Warum gibt es ein solches Programm nicht auch für Kinderärzte oder Augenheilkundler? Heismann: In unserer Pilotphase haben wir ja auch neben den Plätzen bei Allgemeinmedizinern andere Fachrichtungen eingeschlossen. Bei Land.in.Sicht geht es uns weniger darum, für eine einzelne Fachrichtung zu werben als vielmehr für die land- bzw. hausärztliche Versorgung zu begeistern. Zu dieser gehören eben auch Kinderärzte und Augenheilkundler. Allerdings gibt es nun mal einfach mehr Allgemeinmediziner auf dem Land, die dann auch entsprechend mehr Famulaturplätze anbieten. DocCheck: Wie geht es nach der Pilotphase mit Land.in.Sicht weiter? Heismann: Wir stehen zur Zeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den KVen in Bayern, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Baden-Württemberg und Hessen in Kontakt und hoffen, das Projekt im laufenden Jahr auch in einigen dieser Bereiche umsetzen zu können. Es ist angedacht, dass die KBV dabei in Zukunft den administrativen Rahmen stellen wird, die teilnehmenden KVen werden sich um die Famulaturplätze kümmern und die Stipendien tragen. Natürlich hoffen wir, dass wir im Sommer mehr Plätze als bisher anbieten können. DocCheck: Was muss man denn aus Deiner Sicht mitbringen, wenn man an Land.in.Sicht teilnehmen will? Heismann: Grundsätzlich sollte man Offenheit für neue Erfahrungen und andere Blickwinkel mitbringen und sich nicht von Vorurteilen gegenüber dem ländlichen Raum abschrecken lassen. DocCheck: Sollte ich denn schon im Voraus Spaß an der hausärztlichen Versorgung oder speziell der Allgemeinmedizin gehabt haben? Heismann: Nein, nicht zwangsläufig. Es ist natürlich schön, wenn man schon Spaß daran hat. Diese kann aber auch erst mit der Famulatur kommen. DocCheck: Wie und wann kann man sich denn auf die Plätze im Sommer bewerben? Heismann: Es gibt noch keinen konkreten Bewerbungsstart. Dieser wird aber voraussichtlich Anfang Mai sein. Die Bewerbung erfolgt online. Gut informiert bleibt man über unsere Facebook-Seite Land.in.Sicht oder die Website der bvmd. DocCheck: Nach welchen Kriterien wählt Ihr die Bewerber aus? Heismann: Da sich leider nur unter großem Aufwand objektive, qualitative Kriterien für die Auswahl der Bewerber finden lassen, folgen wir hier dem First come, first served-Prinzip. DocCheck: Könnt Ihr Euch vorstellen, ein solches Projekt auch für das PJ aufzuziehen? Heismann: Da es von den KVen schon viele Förderprogramme für das praktische Jahr in der Allgemeinmedizin oder der hausärztlichen Versorgung gibt, würde der Gewinn einer studentischen Initiative wohl nicht den Aufwand aufwiegen.