Doping ist nicht nur im Spitzensport ein Problem: Hunderttausende Fitness-Enthusiasten nehmen leistungssteigernde Substanzen, ohne sich um die Risiken zu scheren. Die Symptome eines solchen Medikamentenmissbrauchs werden häufig falsch gedeutet und therapiert.
Jan Ullrich, Lance Armstrong, Diego Maradona, Marion Jones – die Liste der Dopingsünder im Spitzensport ist lang, doch auch abseits des Rampenlichts wird fleißig gedopt. Dennoch wird über Doping im Breiten- und Freizeitsport nur selten berichtet, aktuelle Zahlen fehlen. Studien gehen jedoch davon aus, dass 10 bis 15 % aller Fitnessstudio-Besucher dopen. Männer greifen dabei anscheinend deutlich häufiger zu den verbotenen Substanzen als Frauen. In Deutschland waren 2014 8,55 Millionen Menschen Mitglied in einem Fitness-Studio, im selben Jahr waren 23,69 Millionen Mitglied in einem Sportverein. Die Zahl der deutschen Hobby-Doper wird in Deutschland auf 350.000 bis 400.000 geschätzt, die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen. Fitness liegt im Trend: Die Zahl der Fitness-Studio-Mitglieder steigt seit Jahren stetig, in den letzten 10 Jahren hat sie sich hierzulande fast verdoppelt. Die Sport- und Fitness-Branche boomt, und damit auch der Markt für leistungssteigernde Mittel. Der Einstieg ins Doping erfolgt häufig über harmlos scheinende Nahrungsergänzungsmittel, beispielsweise Kreatin, Glutamin, Protein-Vitamin-Mischungen und pflanzliche Mittel zum Muskelaufbau. Das Problem: Diese Mittel werden nicht wie Medikamente nach GMP-Standards hergestellt und sind daher oft verunreinigt. Zudem gibt es kaum klinische Studien zu den gesundheitlichen Folgen der Einnahme – insbesondere, wenn diese über viele Jahre erfolgt.
Zu den beliebtesten Dopingsubstanzen gehören anabole androgene Steroide (AAS) wie Stanozolol und Nandrolon. Diese synthetischen Testosteron-Derivate sollen eine rasche Regeneration und einen schnellen Muskelaufbau ermöglichen. Überschüssiges Testosteron wird jedoch im Körper durch das Enzym Aromatase in östrogenartig wirkende Substanzen umgebaut. Um den feminisierenden Eigenschaften dieser Testosteron-Abbauprodukte entgegenzuwirken, verwenden AAS-User häufig gleichzeitig Aromatase-Hemmer wie Anastrozol und Letrozol oder Östrogen-Rezeptor-Antagonisten wie Tamoxifen. Hier zeigt sich, dass sich Doper meist nicht mit dem Missbrauch einer Substanz oder Substanzklasse zufrieden geben. Die Gefahr für Wechselwirkungen ist bei einer solchen Polymedikation natürlich groß. Weitere Medikamente, die zum Dopen missbraucht werden, sind Beta-2-Sympathomimetika wie Clenbuterol und Hormone wie Insulin, hCG und Wachstumshormone, beispielsweise Somatotropin. Außerdem werden häufig Diuretika eingesetzt, um die Muskeln stärker hervortreten zu lassen, schnell Gewicht zu verlieren oder um Dopingsubstanzen auszuschwemmen und so den Missbrauch zu maskieren.
Doping kann eine Vielzahl von Symptomen verursachen, die aber häufig nicht mit dem Medikamentenmissbrauch in Zusammenhang gebracht werden – in der Folge kommt es dann zu einer Fehltherapie. Typische Anzeichen für den Gebrauch von Dopingmitteln sind:
Die körperlichen Folgen eines Dopings sind so vielgestaltig wie die Dopingsubstanzen selbst. Der dauerhafte Einsatz von Wachstumshormonen wie Somatotropin kann zu Akromegalie und Diabetes mellitus Typ 2 führen. AAS dagegen schädigen die Leber, was zu Läsionen, Peliosis hepatitis, hepatischen Adenomen und hepatozellulären Karzinomen führen kann. Zudem kann der Gebrauch von AAS Herz-Kreislauf-Schäden verursachen, beispielsweise ventrikuläre Hypertrophien, eine erhöhte Thrombozyten-Reaktivität, Arrhythmie, Myokardinfarkt oder Apoplex. Weiterhin kann es zu Störungen des Lipidstoffwechsels (erhöhtes LDL, vermindertes HDL) sowie Atherosklerose kommen. Auch das Liebesleben leidet unter dem AAS-Gebrauch: Es können erektile Dysfunktion, Libidoverlust und testikuläre Atrophie auftreten. Zudem tritt bei Männern durch die Konversion der AAS in Östrogene häufig eine Gynäkomastie auf, bei Frauen dagegen findet sich oft ein ausgeprägter Virilismus. Die Verwendung von AAS kann auch psychische Folgen haben, beispielsweise manische oder hypomanische Veränderungen, eine Steigerung der Aggressivität und – nach Absetzen der AAS – Depressionen, die bis zum Suizid führen können. Bei Jugendlichen haben AAS noch einen zusätzlichen schädlichen Effekt: Sie stoppen das Knochenwachstum.
Doch wer sind diese Menschen, die illegale Doping-Substanzen einnehmen? Das Bild vom muskelbepackten Bodybuilder, der sich mit Anabolika vollpumpt, ist lediglich eine Facette der Wirklichkeit. Neben Bodybuilding sind nämlich auch andere Sportarten wie Fitness- und Gesundheitssport für Doping anfällig. Und das, obwohl die Dachverbände der Bodybuilder und der Fitnessstudio-Branche sich klar gegen Doping positionieren. Doch überall, wo ein schöner, durchtrainierter Körper im Vordergrund des Trainings steht, ist die Versuchung groß, durch Hilfsmittel schneller ans Ziel des Traumkörpers zu gelangen. Ebenfalls gefährdet sind Sportler, für welche die Wettkampfleistung im Vordergrund steht, beispielsweise Marathonläufer und Radfahrer. Fitness und Leistung gelten heute als Indikatoren für Erfolg. Doping ist daher auch Ausdruck unserer leistungsorientierten und körperfixierten Gesellschaft. Dies macht nicht nur Erwachsenen zu schaffen: Kinder und Jugendliche leiden besonders unter dem Druck, und so verwundert es nicht, dass auch immer mehr junge Menschen zu Dopingmitteln greifen. Bis zu 9 % aller Schüler haben schon mindestens einmal selbst Dopingmittel genommen, das Einstiegsalter liegt bei 16 bis 19 Jahren. „Anfällig für diese Substanzen sind Jungs und junge Männer“, erklärt Professor Heiko Striegel, stellvertretender ärztlicher Direktor der Sportmedizin am Universitätsklinikum Tübingen. „Ihr Ziel ist es, einen muskelgestählten Traumkörper zu erreichen, so wie wir ihn von vielen Hochglanzmagazinen her kennen.“
Hobby-Doper sind immer in eingeschworene Netzwerke eingebettet. Der Erstkontakt mit Doping erfolgt häufig über Trainer, Trainingspartner oder Studiobesitzer; in einschlägigen Internetforen werden fleißig Tipps und Erfahrungen mit den verschiedensten Medikamenten-Cocktails ausgetauscht. Dank Bekannter im Fitnessstudio und blühendem Internet-Versandhandel ist es heute ein Leichtes, an Dopingmittel zu kommen – dass eine Vielzahl der illegal importierten Mittel jedoch zu wenig, gar keine oder falsche Inhaltsstoffe enthält, scheint die User nicht zu beunruhigen. Wenn es sich um Präparate handelt, die subkutan injiziert werden, kommt noch die Gefahr einer Sepsis durch unsterile Nadeln oder Injektionslösungen hinzu, an der Einstichstelle kann sich zudem ein Abszess bilden. Noch erschreckender ist jedoch, dass anscheinend jeder vierte Hobby-Doper seine Substanzen von einem Arzt bezieht. In einer Umfrage gab sogar jeder dritte User an, dass er unter ärztlicher Überwachung steht. Dabei sollte die ärztliche Position eigentlich klar sein: Laut einer Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission „widerspricht die Mitwirkung am Doping der elementaren Pflicht des Arztes zur Erhaltung der Gesundheit seines Patienten“. Doping ist jedoch nicht nur mit dem ärztlichen Berufsethos unvereinbar, es ist auch laut § 6a des Arzneimittelgesetzes strafbar: „Es ist verboten, Arzneimittel […] zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden“. Ein Verstoß wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet.
Erlangt der Arzt Kenntnis davon, dass sein Patient dopt, ist er jedoch weder zu einer Strafanzeige verpflichtet noch dazu berechtigt, da eine Anzeige eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht darstellen würde. Der Arzt sollte jedoch den Patienten eindringlich und unmissverständlich vor den Risiken warnen und auf das Verbot des Dopings hinweisen. Ob er die Behandlung abbricht, muss jeder Arzt im Einzelfall selbst entscheiden. Prinzipiell darf er aufgrund der bestehenden Vertragsabschlussfreiheit durchaus die ärztliche Behandlung von dopenden Personen ablehnen – eine Ausnahme stellt selbstverständlich die Notfallversorgung dar. Die Ethikkommission spricht sich aber aufgrund des Genfer Gelöbnisses gegen eine generelle Nichtbehandlung von Dopern aus. Sollte der Patient jedoch trotzdem weiter dopen wollen oder sogar die Unterstützung des Arztes beim Doping einfordern, so gesteht die Ethikkommission dem Arzt das Recht zu, die Behandlung abzubrechen. Anders sieht die Lage beim Doping von Kindern und Jugendlichen aus. Hier wäre der Bruch der Schweigepflicht zum Schutz eines höherwertigen Rechtsguts vertretbar. Der Arzt sollte in jedem Fall mit den Eltern sprechen und nötigenfalls den behandelnden Arzt anzeigen. Laut Arzneimittelgesetz liegt bei Abgabe oder Anwendung von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport an Personen unter 18 Jahren ein besonders schwerer Fall vor, der mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet wird.