Viele Alzheimer-Patienten leiden an einer Vielzahl psychiatrischer Probleme. Angstzustände und Apathie sind prominente Beispiele. Könnten die erhöhten Protein-Spiegel der Auslöser dafür sein?
Neben Gedächtnisproblemen und anderen kognitiven Symptomen leiden die meisten Menschen mit Alzheimer-Krankheit auch unter psychischen Problemen. Lange Zeit war unklar, ob diese auf Gewebeveränderungen im Gehirn zurückzuführen sind oder ob es sich um psychologische Reaktionen auf kognitive Symptome handelt. Eine Studie der Universität Lund in Schweden, die in der Zeitschrift Biological Psychiatry veröffentlicht wurde, hat neue Erkenntnisse gebracht.
Kognitive Symptome in Verbindung mit erhöhten Protein-Spiegeln bilden die Grundlage für die Diagnose der Alzheimer-Krankheit. Gleichzeitig haben Forscher und Ärzte in den letzten zehn Jahren erkannt, dass Veränderungen der Stimmung und des Verhaltens oft sehr frühe Anzeichen der Krankheit sind. Dennoch wurde diesen Symptomen bisher nicht dieselbe wissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt, wie den kognitiven Symptomen. Nun haben Wissenschaftler die komplexen Beziehungen zwischen psychologischen Symptomen, Alzheimer-Proteinen und kognitiven Symptomen untersucht.
In der Studie wurden 356 Personen über 65 Jahre untersucht, die zu Beginn der Untersuchung keine kognitiven Symptome aufwiesen. Neben der Analyse der Konzentrationen der Alzheimer-Proteine Beta-Amyloid und phosphoryliertes Tau in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit wurden auch die Angstzustände, die Apathie und die allgemeine kognitive Funktion der Teilnehmer in halbjährlichen Abständen untersucht. Die Teilnehmer wurden insgesamt acht Jahre lang beobachtet. Bei der Analyse der Daten fanden die Forscher einen klaren Zusammenhang zwischen erhöhten Beta-Amyloid-Werten zu Beginn der Studie und der späteren Entwicklung von Angstzuständen und Apathie.
Hauptautor Dr. Maurits Johansson erklärt: „Die Alzheimer-Krankheit betrifft große Teile des Gehirns, darunter auch die Regionen, die unser Gefühlsleben steuern. Unsere Studie zeigt, dass psychiatrische Symptome – ebenso wie kognitive Symptome – hauptsächlich als direkte Folge der zugrunde liegenden Veränderungen im Gehirn auftreten, die auf erhöhte Amyloid-Beta-Konzentrationen zurückzuführen sind.“ Die Forscher wiesen ferner nach, dass Amyloid-Beta die Entwicklung von Apathie vorwiegend durch direkte Auswirkungen vorantreibt und dass sich Apathie nur in begrenztem Umfang sekundär zum kognitiven Verfall entwickelt. Angstzustände wurden nicht mit kognitiven Veränderungen in Verbindung gebracht.
„Die Ergebnisse sprechen somit gegen die Vorstellung, dass diese frühen Veränderungen von Emotionen und Motivation bei der Alzheimer-Krankheit in erster Linie psychologische Reaktionen auf den kognitiven Verfall sind. Stattdessen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass zumindest Apathie und Angst durch die pathologische Anhäufung von Beta-Amyloid verursacht werden“, erläutert Professor Oskar Hansson. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass psychiatrische Symptome bei der Alzheimer-Krankheit als alternative Messgrößen in Behandlungsstudien verwendet werden könnten. Letztendlich könnte dies zu einem effektiveren Studiendesign führen“, fährt er fort.
„Eine frühere Studie deutete darauf hin, dass das Vorhandensein von Angst oder Apathie bei älteren Menschen, die weiterhin keine Anzeichen von Demenz zeigten, auf ein erhöhtes Risiko für künftige kognitive Beeinträchtigungen hinweisen könnte. Als nächster Schritt sind Studien erforderlich, um zu klären, wie diese Symptome zur klinischen Diagnose in den frühen Stadien der Krankheit beitragen können – möglicherweise sogar bevor die Kognition beeinträchtigt ist“, schließen die Forscher.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Lund University. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: William Warby, unsplash