Von tödlichen Giften kann die Medizin oft profitieren – Botox ist dafür das beste Beispiel. Kann uns das Toxin der Schwarzen Witwe auch zu so einem Fortschritt verhelfen?
Das Untersuchungsobjekt der Studie, die Schwarze Witwe, schnappt sich ihre Beute durch einen giftigen Biss. Dieser kann auch für Menschen tödlich enden. Wie das Nervengift der Spinne genau aufgebaut ist und im Detail wirkt, war bislang unklar.
Deutsche Forscher haben nun die Struktur und Funktionsweise des Toxins entschlüsselt – auch mit Blick auf mögliche medizinische Anwendungen.
Mit Latrotoxinen (LaTXs), einer Untergruppe der Neurotoxine macht die Schwarze Witwe ihre Opfer bewegungsunfähig – oder tötet sie. Dabei docken die Toxine an spezifischen Rezeptoren auf der Oberfläche von Nervenzellen an und bewirken letztlich die Freisetzung von Neurotransmittern. Durch den ständigen Einstrom von Calcium-Ionen in die Zelle werden Botenstoffe in großen Mengen freigesetzt. Die Folge sind Krämpfe.
Dieser Mechanismus ist einzigartig und unterscheidet die Latrotoxine von allen anderen Varianten der sogenannten porenformenden Toxine. Er wurde mithilfe der kryo-Elektronenmikroskopie (kryo-EM) aufgeklärt.
Mit dieser dreidimensionalen Methode lassen sich Biomoleküle bis zur atomaren Auflösung „fotografieren“. Die Proteinkomplexe werden dabei in flüssigem Ethan bei –196 °C in Millisekunden in eine dünne Schicht von amorphem Eis eingefroren. Anschließend werden Hunderttausende von Bildern aufgenommen, welche unterschiedliche Ansichten des Proteins zeigen – und so die Struktur des Nervengifts erkennen lassen.
Zudem gelang den Forschern mit Hilfe der Einzelmolekül-Elektrophysiologie (BLM-Technik), die prinzipiellen molekularen Wirkmechanismen der Latrotoxine im Detail zu klären. Es zeigte sich, dass das Spinnengift sich auch spontan in die Zelloberfläche einfügt und dort sehr selektive Calcium-Release Ionenkanäle bildet.
Die neuen Erkenntnisse sind grundlegend für das Verständnis des molekularen Wirkmechanismus der gesamten LaTX-Familie und legen den Grundstein für mögliche medizinische Anwendungen sowie für die Entwicklung eines effizienten Gegengifts. Zudem könnte die Forschung über die insektenspezifischen Toxine neue Möglichkeiten zur Schädlingsbekämpfung eröffnen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Jacobs University Bremen. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Sandro Shugladze, unsplash