Krank durch das Krankenhaus: Nach neuen Fällen stehen Nosokomialinfektionen wieder auf der Agenda. Während Fachgesellschaften kaum Handlungsbedarf sehen, bemängeln Behörden fehlendes Personal. Manche Maßnahme entpuppt sich als Augenwischerei.
Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) sorgen gramnegative, multiresistente Keime (MRGN) seit mehr als zwei Monaten für unliebsame Schlagzeilen. Bis Ende Januar hatten sich 31 Intensivpatienten infiziert, und zwölf Betroffene waren verstorben. Inwieweit Bakterien den Tod herbeigeführt hatten, bleibt offen. Laboruntersuchungen zufolge handelt es sich um Acinetobacter baumannii mit Resistenzen gegen vier Antibiotikagruppen. Carbapeneme, Cephalosporine der dritten und vierten Generation, Fluorchinolone oder Penicilline waren davon betroffen. Während Gewerkschaftsvertreter auf eine „dramatische Arbeitsverdichtung“ im intensivmedizinischen Bereich hinweisen, relativiert die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) Aussagen zu vermeintlichen Fehlern.
Der DGHM zufolge hätten international dokumentierte Ausbrüche mit besagtem Keim gezeigt, dass auch bei optimaler Einhaltung von Hygienemaßnahmen Infektionen oft nur schwer einzudämmen seien. Deshalb gebe es keinerlei Anlass, als Ursache für das Geschehen in Kiel Hygienemängel oder sonstige Fehler in der Krankenversorgung zu vermuten, heißt es weiter. Gesetze, Verordnungen und evidenzgesicherte Empfehlungen in Deutschland seien ausreichend, um die Lage zu beherrschen. Mit Handlungsanweisungen allein ist es kaum getan, zeigt eine Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts (RKI).
Der Bericht zeichnet bei multiresistenten Erregern kein einheitliches Bild. Erfreuliche Entwicklungen gibt es im Zeitraum von 2008 bis 2012 bei MRSA, hier scheinen Maßnahmenpakete tatsächlich zu fruchten. Allerdings steigt die Prävalenz von Infektionen mit gramnegativen Bakterien, sprich MRGN. RKI-Experten kritisieren, dass Ärzte immer noch zu häufig Breitspektrumantibiotika wie Fluorchinolone oder Cephalosporine der dritten Generation einsetzen – vor allem im ambulanten Bereich. Kliniken hätten Änderungen laut Infektionsschutzänderungsgesetz weitgehend umgesetzt, heißt es weiter. Die gute Nachricht: Mittlerweile existiert in 97 Prozent aller Häuser eine Hygienekommission, und bei 58 Prozent gibt es spezifische Antibiotikaleitlinien. Allerdings fehlen Fachkräfte im Hygienebereich. In Krankenhäusern macht auch nicht jede Maßnahme Sinn, das belegen neue Veröffentlichungen.
Beispielsweise waschen Pflegekräfte Patienten auf Intensivstationen mit dem Antiseptikum Chlorhexidin, schließlich gilt die Haut als Reservoir nosokomialer Keime. Schon 2013 hat Michael W. Climo, Richmond, untersucht, inwieweit die Vorgehensweise einen Mehrwert bringt. Tatsächlich verringerte sich die Rate positiver Blutkulturen deutlich. Der Wissenschaftler konnte mögliche Laborartefakte nicht ausschließen: Kam es nur zu weniger falsch-positiven Blutkulturen, weil Chlorhexidin ubiquitäre Hautbakterien abgetötet hat? Jetzt befasst sich Michael Noto, Nashville, mit ähnlichen Fragestellungen. Um bessere Aussagen zu treffen, wählte er klinische Infektionen als Endpunkt. Der Forscher nahm Personen mit Venenkathetern, Blasenkathetern und mit künstlicher Beatmung in seine Studie auf. Teilnehmende Intensivstationen behandelten die Haut ihrer Patienten zeitweilig mit Chlorhexidinlösung oder mit Seife und Wasser. Große Unterschiede fand Noto nicht: Unter Chlorhexidin kam es pro 1.000 Patiententagen zu 2,86 Infektionen, unter Tensid waren es 2,90. Methodisch bleibt zu beanstanden, dass die Studie nicht verblindet wurde. Ob sich Infektionen tatsächlich auf Bakterien der Haut zurückzuführen lassen, ist ebenfalls fraglich. Trotzdem bleiben Zweifel am regelmäßigen Chlorhexidin-Einsatz.
Damit nicht genug: Immer häufiger verwenden Kliniken Türklinken aus Kupfer, um Krankenhausinfektionen zu verhindern. Als Ion ist das Schwermetall schon in Spuren für diverse Mikroorganismen toxisch. Grund genug für das Asklepios Klinikum Harburg, rund 600 Drücker aus einer Kupferlegierung zu verwenden. Untersuchungen hatten ergeben, dass bis zu zwei Drittel aller Keime abgetötet wurden. Experten der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zweifeln nicht an besagten Zahlen. Sie sehen jedoch keinen Effekt auf patientenrelevante Endpunkte wie Klinikinfektionen. Damit bleiben Griffe allenfalls Teil umfassender Hygienekonzepte.
Entsprechende Papiere beinhalten auch die werterhaltende Aufarbeitung chirurgischer Instrumente – ein Prozess nicht ohne Schwachstellen. Krankenhausversorgende Apotheken liefern teilweise Chemikalien mit hohen Mengen an Silikaten. Bei der Anwendung entstehen bräunlich-gelbe Ablagerungen, die sich visuell kaum von organischem Material unterscheiden lassen. Bei mechanischen Reinigungsschritten kam es ebenfalls zu Pannen. Jetzt diskutieren Verantwortliche, inwieweit sich die Ausbildung von technischen Sterilisationsassistenten stärker standardisieren lässt.