Nun ist sie also vom Tisch, die Corona-Impfpflicht. Ein Blick in die Kristallkugel: Was wäre auf uns Apotheken zugekommen? Und ist ein Impfregister auch ohne Corona vielleicht keine so schlechte Idee?
Seit vergangenem Donnerstag ist der erste Vorstoß für eine allgemeine Corona-Impfpflicht aller Menschen ab 60 Jahren vom Tisch. Die Bundestagsabgeordneten votierten mit 378 Abgeordneten gegen und 296 Abgeordneten für den Entwurf. Es gab neun Enthaltungen. Das wird Gesundheitsminister Karl Lauterbach in seiner Position sicherlich auf Dauer schwächen, war er doch ganz klar ein Befürworter dieser Idee. Lasst uns in die Kristallkugel schauen: Was bedeutet das für uns Apotheken und was wäre möglicherweise an neuen Aufgaben auf uns zugekommen, wenn diese Sitzung anders ausgegangen wäre?
Grundsätzlich stand schon seit geraumer Zeit die Schaffung eines zentralen Impfregisters im Raum. Denn sollte sich eine Impfpflicht durchsetzen, wäre es auch nötig, bereits geimpfte Personen zentral zu erfassen, damit die Ungeimpften herausgefiltert und kontaktiert werden könnten. Bei den bislang per Impfzentren, Impfteams, Krankenhäusern, Arztpraxen und Betriebsärzten gemeldeten Impfungen an das RKI gab es in der Vergangenheit immer wieder Schwierigkeiten. Die nicht immer ganz korrekte Weitergabe der Impfzahlen wird beim COVID-19-Impfquoten-Monitoring in Deutschland (COVIMO) des RKI deutlich.
Bei den Meldungen der durchgeführten Impfungen durch Betriebsärzte wird geschätzt, dass nur etwa die Hälfte der bei DIM registrierten Ärzte die erfolgten Impfungen über die Webanwendung weitergeben, was zu einer Untererfassung der Impfquoten führt. Bei den Meldungen der durchgeführten Impfungen durch Ärzte wird ebenfalls davon ausgegangen, dass im Praxisalltag nicht alle durchgeführten Impfungen über die Meldeportale der KBV und PVS übermittelt werden.
Hier sollten die Apotheken ins Spiel kommen. Da man in der Vergangenheit im Zusammenhang mit den Impf- und Genesenenzertifikaten gesehen hat, dass die Apotheken vor Ort schnell, zuverlässig und flächendeckend dazu in der Lage sind, solche Daten sicher und sorgfältig zu prüfen und zu übermitteln, gab es im Vorfeld der Impfpflicht-Entscheidung Ideen, sie in die Schaffung eines zentralen Impfregisters einzubinden. Laut der Pharmazeutischen Zeitung (PZ) wurde darüber nachgedacht, neben der digitalen Übermittlung der eingelesenen Daten über eine App auch Apotheken als Übermittler zu beauftragen. Menschen, die nicht über eine CovPass-App oder eine Corona-Warn-App verfügen oder mit dieser nicht umgehen können, hätten sich dann an die Apotheke vor Ort gewandt. Hier hätten sie entsprechende Nachweise über die erfolgten Impfungen vorgelegt und die Apothekenmitarbeiter hätten diese dann an die entsprechende Stelle weitergeleitet. Diese Idee wurde Dr. Janosch Dahmen, Abgeordneter der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, so weitergegeben.
Eine weitere Idee zu den möglichen neuen Aufgaben der Apotheken ergänzte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens. Sie erläuterte, dass Menschen, die nicht über ein Smartphone oder eine der genannten Anwendungen verfügen, sich in der Apotheke auch einen Impfnachweis in gedruckter Form aushändigen lassen könnten, um bei möglichen Kontrollen einen entsprechenden Nachweis in der Hand zu haben. Sie betonte, dass dieses Procedere noch nicht mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) abgestimmt sei und dass es nicht zur Aufgabe der Apotheken gehören würde, die vorgelegten Impfnachweise zu kontrollieren.
Nun sind all diese Vorschläge aufgrund des Scheiterns der Anträge ja ebenfalls vorerst ad acta gelegt, doch zeigt dieser Vorschlag eines ganz deutlich: Die Apotheken werden von der Politik zunehmend als Möglichkeit erkannt, dezentral und flächendeckend Gesundheitsinformationen aufzunehmen, zu sammeln und weiterzugeben. Das ist erst mal eine gute Nachricht, denn es ist ein Steinchen mehr auf der Waagschale, die für uns Vor-Ort-Apotheke ausschlägt. Es ist einfach keine gute Idee, uns wegrationalisieren zu wollen.
Durch die nicht beschlossene Impfpflicht und das damit verbundene Nichterfassen der Daten bleibt uns dankenswerterweise auch die Diskussion mit Impfgegnern erspart, die die Apotheken zunehmend als Teil eines vermeintlichen „Überwachungsstaates“ sehen. Bereits beim Ausfüllen von Genesenenzertifikaten und Impfnachweisen haben die Mitarbeiter in den Apotheken sich so einiges anhören müssen. Gerade im Bereich der gefälschten Impfpässe hat die Kontrollfunktion, die die Apotheken hier übernommen haben, für eine erhöhte Anspannung in den Teams gesorgt – auch wenn Baehrens betont, dass die Apothekenmitarbeiter für die Weiterleitung der Daten an ein zentrales Register die Impfnachweise nicht hätten kontrollieren sollen. Es kann ja nicht im Sinne der Politik sein, auf diesem Weg Fälschungen zu übersehen und sich blind zu stellen. Dann wäre die ganze Unternehmung von vorneherein ad absurdum geführt, völlig unsinnig und nur eine neue Möglichkeit, Geld zu verbrennen, das wir nicht haben.
Der Aufbau eines zentralen Impfregisters ist trotz allem eine gute Idee, an der man festhalten sollte, auch wenn die Corona-Impfpflicht nun erst mal nicht kommen wird. So lassen sich die tatsächlichen Durchimpfungsraten innerhalb der Bevölkerung genauer bestimmen sowie Nebenwirkungen und Effektivität der Impfungen besser erkennen. Die hessische und die baden-württembergische Landesregierung sehen das ebenso, daher wird es vermutlich einen Modellversuch auf landesweiter oder kommunaler Ebene geben. Manfred Lucha (Grüne) ist Gesundheitsminister in Baden-Württemberg und betonte, dass ein Impfregister für ihn ein wichtiges Element der Verwaltungsmodernisierung und – durch die Möglichkeit der Verknüpfung mit digitalen Patientenakten – ein zentraler Baustein zur Digitalisierung des Gesundheitswesens ist. „Leider kommt das Thema im Bund nicht schnell genug voran. Deshalb wollen wir nicht länger warten, sondern selbst aktiv werden und unsere Konzepte und Erkenntnisse beisteuern.“
Genaueres zum Modellprojekt ist bislang nicht bekannt; nur, dass die Teilnahme daran erst einmal freiwillig erfolgen soll. Auch wer die Daten digital erfassen und weiterleiten soll, ist noch nicht bekannt. Ich denke, es könnte sich lohnen, wenn der Landesapothekerverband aktiv auf die Politik zugeht, und seine Mithilfe anbietet – zumindest, wenn man möchte, dass die Apotheken hier zukünftig eine tragende Rolle spielen sollen.
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