Salzarme Kost scheint bei Herzinsuffizienz doch keinen Effekt zu haben. Das zeigt eine neue Studie, die auf dem ACC-Kongress in Washington vorgestellt wurde. Unsere Top 5 Themen lest ihr hier.
Das Spektrum der klinischen Studien, die in Washington vorgestellt wurden, war wie gewohnt breit. Es deckte vor allem die klassische Kardiologie ab, während spezialisierte Themen etwas in den Hintergrund traten. Ein Grund dafür war, dass die europäischen Kardiologen zeitgleich die in Sachen Rhythmologie ungleich wichtigere Jahrestagung der European Heart Rhythm Association (EHRA) abhielten, ebenfalls in Präsenz, im maskenfreien Kopenhagen. So ganz hat sich das mit den Kongressen und ihrer Terminierung also noch nicht wieder eingegroovt. Kopenhagen klammern wir hier mal aus. Was gab es in Washington zu hören und zu sehen? Unsere Top 5.
Neue Ansätze für die Therapie von Fettstoffwechselstörungen gehen auch mal daneben. Das Antisense-Oligonukleotid Vupanorsen erlitt in der TRANSLATE-TIMI 70 Studie Schiffbruch. Vupanorsen ist ein Hemmstoff von ANGPTL3, ein Leberenzym, das die Lipoproteinlipase reguliert. Zwar wurden das Non-HDL-Cholesterin reduziert und die Triglyceride halbiert, gleichzeitig traten aber hepatische Nebenwirkungen auf, inklusive – kontraintuitiv – Hinweisen auf Leberverfettung. Der Hersteller hat das Entwicklungsprogramm gestoppt. Ob sich ANGPTL3 insgesamt als Sackgasse erweist, oder ob andere Medikamente, die dort ansetzen, mehr Erfolg haben, muss sich zeigen.
Herzinsuffizienzpatienten mit reduzierter EF sollten qua Leitlinien in der Regel mit Betablockern, RAS-Hemmstoffen, Mineralokortikoid-Antagonisten und SGLT2-Hemmern behandelt werden, doch nur vergleichsweise wenige erhalten alle vier Medikamentenklassen. In der PROMPT-HF Studie wurde bei 100 ambulanten kardiologischen Versorgern ein Pop-up evaluiert, dass Ärzte am Point-of-Care an die Leitlinienempfehlungen erinnert. Diese Erinnerung war von Kardiologen mitgestaltet worden, sie umfasst auch patientenindividuelle Parameter wie Kreatinin, Kalium, Blutdruck und Herzfrequenz.
Die Akzeptanz war hoch, der Effekt moderat. Acht von zehn Ärzten äußerten sich positiv zu dieser Art Reminder, die Quote der mit allen vier Medikamentenklassen behandelten Patienten stieg signifikant von 19 % auf 26 %, das entspricht einer Number-Needed-to-Remind von 14. Voraussetzung ist natürlich, dass IT-Systeme genutzt werden, die die nötigen Informationen auch alle digital und in Echtzeit zur Verfügung stellen können. Schon daran dürfte es vielerorts scheitern.
Hinweise, dass ein Grippe-Impfung auch das Herz schützt, gab es schon vorher. Vor allem die vor einem Jahr publizierte IAMI-Studie hatte darauf hingedeutet. Jetzt legt die randomisierte IVVE-Studie nach, allerdings nicht ganz überzeugend. Über 5.100 Herzinsuffizienzpatienten wurden rekrutiert, vor allem in Afrika und im Nahen und Mittleren Osten. Die Patienten durften in den letzten Jahren nicht gegen Influenza geimpft worden sein. Geimpft wurde dann drei Jahre lang jährlich entweder mit Grippeimpfstoff oder Placebo-Injektion. Primärer Endpunkt waren kardiovaskuläre Todesfälle und nicht tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle. Hier wurde die Signifikanz verfehlt: 14,8 % in der Verum-Gruppe gegenüber 16 % in der Placebo-Gruppe erlitten ein Endpunktereignis. Auch wenn zusätzlich noch Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz berücksichtigt wurden, wurde keine Signifikanz erreicht.
Signifikant war hingegen der Effekt auf Lungenentzündungen, die um 42 % reduziert wurden (p = 0,0006) und Hospitalisierungen jeglicher Art, die bei Impfungen 16 % geringer waren (p = 0,01). Dass es einen gewissen Herzschutz gibt, leiten die Studienärzte aus der Tatsache ab, dass auch der primäre Endpunkt signifikant wurde, wenn in einer nicht präspezifizierten Analyse nur Zeiträume mit hoher Zirkulation von Influenzaviren berücksichtigt wurden. Dann war das Risiko eines primären Endpunktereignisses bei Impfung um 18 % geringer. Hier findet ihr übrigens ein Experten-Interview von ESC TV, das sich mit der IVVE-Studie befasst.
Phase I, aber dennoch spannend: Lipoprotein (a) gilt als ein relevanter Risikofaktor für kardiovaskulärer Ereignisse, bei dem allerdings die unmittelbare Kausalität noch nicht so ganz geklärt ist. Nichtsdestotrotz erscheint es attraktiv, neben LDL auch Lp(a) abzusenken, um so das kardiovaskuläre Risiko zusätzlich zu Statinen zur LDL-Senkung zu reduzieren. Die APOLLO-Studie war eine Dosisfindungsstudie mit 30 Probanden, die die siRNA SLN360 evaluiert hat. Die RNA richtet sich gegen das Gen für Apolipoprotein(a), den geschwindigkeitsbestimmenden Faktor bei der hepatischen Synthese von Lp(a). Labortechnisch jedenfalls funktioniert der Ansatz: Die APOLLO-Studie zeigt, dass sich mit Hilfe der siRNA die Lp(a)-Spiegel dosisabhängig um bis zu 98 % absenken lassen. Ob's klinisch was bringt? Die Zeit wird es zeigen.
Aufs Podium unserer ACC-2022-Highlights schafft es diesmal eine nicht-pharmakologische Intervention, nämlich die Reduktion der Kochsalzzufuhr. In der bisher größten, randomisierten Studie zum Nutzen des NaCl-Restriktion bei Herzinsuffizienz, der SODIUM-HF-Studie, konnte der – bei Patienten bekanntlich nicht besonders beliebte Ansatz – nicht überzeugen. Eine salzarme Kost, definiert auf maximal 1,5 g Natrium pro Tag, hatte bei HFrEF-Patienten über ein Jahr lang keinen Effekt auf das Überleben und auch keinen auf kardiovaskuläre Klinikeinweisungen. Symptome und Lebensqualität waren in der salzarmen allerdings etwas besser. Einschränkend ist zudem zu sagen, dass auch den Patienten in der Kontrollgruppe in allgemeinen Worten empfohlen wurde, auf ihren Salzkonsum zu achten. Die Natriumaufnahme betrug dort geschätzte 2 bis 3 Gramm am Tag.
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