Können bestimmte Enzyme vor Nierenerkrankungen bei Typ-1-Diabetes schützen? Das erforschte nun eine groß angelegte Studie – mit überraschendem Ergebnis.
Eine anhaltende Hyperglykämie setzt Menschen mit Typ-1-Diabetes einem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten, Nervenschäden, Sehkraftverlust, Nierenerkrankungen und vorzeitigen Tod aus.
Jetzt haben Wissenschaftler um Dr. George King, wissenschaftlicher Leiter und Abteilungsleiter für vaskuläre Zellbiologie am Joslin Diabetes Center, neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie genau eine Überzuckerung zu Nierenerkrankungen beiträgt. Außerdem wurde ein potenzielles therapeutisches Ziel entdeckt. Ihre Arbeit, die im Journal of Clinical Investigation veröffentlicht wurde, beruht auf der Medalist Studie – einer langjährigen Beobachtungsstudie mit mehr als 1.000 Probanden.
Untersucht wurden Menschen, die seit 50 Jahren oder länger mit der Krankheit leben. Das Medalist-Projekt bringt überraschende Ergebnisse: Während beispielsweise bis zu 30 % der Menschen mit Diabetes an einer Nierenerkrankung leiden, trifft das nur auf 13 % der Medalists-Teilnehmer zu. Frühere Studien an Medalisten ergaben, dass Personen, die vor einer diabetischen Nierenerkrankung geschützt waren – im Vergleich zu Menschen mit Diabetes, die eine diabetische Nierenerkrankung entwickelten – erhöhte Enzym-Werte aufwiesen, die den Glukosestoffwechsel fördern. Das Team um King vermutete, dass diese Enzyme – wie etwa die Pyruvatkinase M2 (PKM2) – eine schützende Rolle spielen könnten, indem sie einen Teil der Schäden neutralisieren, die eine Hyperglykämie typischerweise an der Niere verursacht.
„Es besteht ein großes Interesse daran, die Mechanismen zu identifizieren, die den toxischen Auswirkungen der Hyperglykämie zugrunde liegen“, so King. „Wir haben auf molekularer Ebene nachgewiesen, dass die Aktivierung von PKM2 einen wichtigen Schutzfaktor für die Niere – den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) – erhöhen kann, um die Nierenfunktion zu normalisieren, aufrechtzuerhalten und so die durch chronischen Diabetes verursachte Funktionsstörung zu verhindern.“
Die Forscher manipulierten Mäuse so, dass sie PKM2 übermäßig produzieren, um dessen Rolle beim Schutz der Niere vor Diabetes aufzudecken. Nach sieben Monaten verglichen die sie die Nieren der gentechnisch veränderten Mäuse mit denen von Wildtyp-Mäusen (ohne gentechnische Veränderung) mit und ohne induzierten Diabetes. Die Mäuse, bei denen PKM2 in hohen Mengen produziert wurde, wiesen gesündere Nieren auf als die Wildtyp-Mäuse mit Diabetes.
„In diesem Experiment haben wir die überraschende Entdeckung gemacht, dass die Überexpression eines Enzyms in einer Untergruppe von Nierenzellen die Nierenfunktion und den Stoffwechsel normalisieren kann – sogar nach sieben Monaten erhöhter Blutzuckerwerte“, sagt Jialin Fu, Erstautor der Studie. „Diese Verbesserungen des Stoffwechsels könnten der diabetischen Nierenerkrankung zugutekommen, selbst wenn eine systemische Entzündung vorliegt, die ein häufiges Merkmal von Diabetes ist.“
Die Wissenschaftler wiesen nach, dass die Überexpression von PKM2 mehrere pathologische Veränderungen an den Zellen des Filtersystems der Niere verhindert, die häufig bei Diabetes auftreten. Die Wirkung des Enzyms bewahrte die Zellfunktion und verhinderte das Fortschreiten der Krankheit. Obwohl weitere Forschungsarbeiten erforderlich sind, unterstützen die Ergebnisse PKM2 als potenzielles therapeutisches Ziel für die Vorbeugung von diabetesbedingten Nierenerkrankungen. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die Überwachung des PKM2-Spiegels im Blut auch als Biomarker dienen könnte, der es Ärzten ermöglicht, das Fortschreiten der diabetischen Nierenerkrankung bei Patienten mit Diabetes zu überwachen und vorherzusagen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Joslin Diabetes Center. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Robina Weermeijer, unsplash