Eine Demenz wird oft erst spät diagnostiziert – wenn das Erinnerungsvermögen bereits nachlässt. Methoden zur Früherkennung sind jedoch aufwändig und teuer. Ein Forschungsteam will dies nun ändern.
Die Alzheimer-Krankheit ist die weltweit häufigste Demenzerkrankung. An ihr erkranken vor allem ältere Menschen. Bereits Jahrzehnte bevor eine verminderte Denkleistung auffällt, sind erste neurodegenerative Veränderungen im Gehirn nachweisbar. Diese lassen sich jedoch nur durch teure oder aufwändige Verfahren feststellen. Für eine frühzeitige Diagnose im größeren Maßstab, eignen sich diese Methoden nicht.
Ein Forschungsteam versuchte daher, eine nicht-invasive Methode zur Früherkennung von Demenz-Symptomen zu entwickeln. Dazu knüpften sie an das Wissen an, dass feine Veränderungen im Gehirn auftreten können noch bevor das Erinnerungsvermögen nachlässt. Diese äußern sich über das autonome Nervensystem, das unbewusste Körpervorgänge – wie bspw. die Körpertemperatur – steuert. Grundsätzlich ist der menschliche Körper in der Lage, seine Temperatur im Bereich von 1°C konstant zu halten. Im Tagesverlauf treten charakteristische Schwankungen dieser Werte auf. Dieser tägliche Rhythmus ist bei Alzheimer-Patienten jedoch verändert. Ihre Körperkerntemperatur ist bis zu 0.2 °C erhöht. Gleichzeitig sind die Ausschläge der täglichen Temperaturschwankungen gedämpft.
Auf Basis dieser körpereigenen Parameter entwickelte das Forschungsteam einen Sensor-Gurt, der die Körperkerntemperatur von Testpersonen über den Tag verteilt ermitteln kann. Beim Einsatz der Sensoren fanden die Wissenschatfler heraus, dass veränderte Hauttemperaturwerte tatsächlich einen Hinweis auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Testpersonen geben können – und zwar bevor eine Demenzerkrankung auftritt. Unter den Testpersonen waren gesunde Menschen mit oder ohne leichte Hirnleistungsstörung. Diese milde kognitive Beeinträchtigung (MCI) stellt keine Behinderung im Alltag dar, sie gilt aber als eine mögliche Vorstufe von Alzheimer. Es stellte sich heraus, dass eine niedrigere Körpertemperatur, die über den Tag stärker schwankt, mit einer besseren Hirnleistung verknüpft war. Bei Personen mit MCI variierte die Körpertemperatur weniger und war insgesamt leicht erhöht.
Auch der Herzschlag ist natürlichen Schwankungen unterworfen, die zeigen, wie sich unser Nervensystem an momentane Herausforderungen anpasst. Die kleine Stille zwischen zwei Herzschlägen hat große Aussagekraft: Bleibt die Pause stets gleich, ist das Nervensystem nicht in Höchstform. In früheren Studien wurde ermittelt, dass sich schlechtere Messwerte bei älteren, aber gesunden Menschen durch ein kognitiv-motorisches Tanztraining innerhalb von sechs Monaten verbessern lassen. Im Versuch tanzten die Personen dazu die Schrittfolgen eines Videos nach. Teilnehmende, die stattdessen lediglich geradeaus auf einem Laufband trainierten, zudem aber ihr Gedächtnis schulten, verbesserten ihre Leistungen dagegen weniger. Da also auch der Herzschlag zur Kontrolle der kognitiven Gesundheit genutzt werden kann, statteten die Forschenden den Gurt weiterhin mit einem Sensor zur Bewegungsmessung aus.
Für die präzise Erfassung von Veränderungen dieser Parameter werden Messungen über einen längeren Zeitraum benötigt. „Die Langzeitmessungen sollten in den Alltag integrierbar sein", betont Studienautor Simon Annaheim. Die erfassten Daten werden von den Forschenden in ein eigens entwickeltes mathematisches Modell integriert. Das Ziel: Die Entwicklung eines Frühwarnsystems, das den Verlauf von kognitiven Einschränkungen abschätzen kann. „Es geht darum, mit einem geeigneten Training frühzeitig einzugreifen, sobald sich erste negative Anzeichen messen lassen", sagt Studienautor Patrick Eggenberger. „Mit unserem Sensor-System lassen sich allfällige Verbesserungen der kognitiven Leistung durch bewegungsbasierte Therapieformen verfolgen". Das Forscherteam hofft, dass sich durch die Sensor-Messungen der Verlauf von milden Hirnleistungsstörungen zukünftig präzise vorhersagen lässt.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Asiya Kiev, unsplash.