Moderne Bildgebungsverfahren ermöglichen eine immer genauere Untersuchung der Alzheimer-Demenz. So stellten Biochemiker im Tiermodell fest, dass die Plaquebildung in Blutgefäßen des Gehirns zu einer Verringerung der Durchblutung bestimmter Hirnbereiche führt.
In den Gehirnen aller Alzheimer-Patienten finden sich senile Plaques in großen Mengen. Bis vor wenigen Jahren konnten Mediziner diese extrazellulären Proteinablagerungen erst nach dem Tod der Betroffenen durch eine Obduktion eindeutig nachweisen. Mittlerweile gibt es aber ein hochspezifisches Bildgebungsverfahren, das ihnen ermöglicht, die Ablagerungen bereits zu Lebzeiten der Patienten aufzuspüren. Bei der Amyloid-Positronen-Emissions-Tomographie (PET) wird eine sehr kleine Menge einer radioaktiven Substanz injiziert, die sich spezifisch an das Peptid Beta-Amyloid, dem Hauptbestandteil der senilen Plaques, anlagert. Der radioaktive Zerfall der injizierten Substanz lässt sich mithilfe spezieller Detektoren messen und daraus deren räumliche Verteilung im Gehirn berechnen. Nun hat ein Forscherteam der Universität Tübingen die Amyloid-PET mit der Magnetresonanztomographie (MRT) kombiniert, um in einer Studie mit Alzheimer-Mäusen über einen längeren Zeitraum zu untersuchen, wie die Ablagerungen im Gehirn entstehen und die Krankheit dabei immer weiter fortschreitet. Wie die Forscher um Florian Maier und Bernd Pichler in der Fachzeitschrift Nature Medicine mitteilen, verringert sich bei den Tieren die Durchblutung bestimmter Hirnareale, wenn sich die Plaques in Blutgefäßen des Gehirns bilden. „Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen neuronaler Aktivität und dem Blutfluss im Gehirn“, sagt Pichler, Direktor der Abteilung für Präklinische Bildgebung und Radiopharmazie der Universität Tübingen. „Fast 90 Prozent der Alzheimer-Patienten haben eine vaskuläre Amyloidose, bei der sich Plaques in den Blutgefäßen des Gehirns anreichern.“
Für ihre Experimente verwendeten Maier und Pichler zwei verschiedene Mäusestämme, die beide eine der Alzheimer-Demenz entsprechende Erkrankung entwickeln. Ins Erbgut beider Stämme war mithilfe gentechnischer Methoden ein humanes Gen eingebracht worden, das den Bauplan einer mutierten Form von APP trägt. APP ist das Vorläuferprotein von Beta-Amyloid. Im Erbgut des zweiten Mäusestamms befand sich zusätzlich ein weiteres humanes Gen, das den Bauplan für eine mutierte Form des Proteins Präsenilin1 enthält. Präsenilin1 und weitere Proteine schneiden APP und sorgen so dafür, dass Beta-Amyloid entsteht. Die mutierten Gene von APP und Präsenilin1 finden sich auch bei familiär bedingten Formen der Alzheimer-Krankheit, die rund ein Prozent der Alzheimer-Fälle verursachen. Im Gehirn von Mäusen führt die Expression der humanen Gene zu einer verstärkten Bildung von Beta-Amyloid, so dass die betroffenen Tiere schon relativ früh eine Einschränkung ihrer kognitiven Fähigkeiten aufweisen. Mithilfe der Amyloid-PET verfolgten die Tübinger Forscher über viele Monate, wie in den Gehirnen beider Mäusestämme immer mehr Plaques entstanden. Dieser Prozess verlief in beiden Mäusestämmen jedoch auf unterschiedlicher Weise: Bei den Mäusen, deren Neuronen nur das humane APP exprimierten, bildeten sich erst nach 15 Monaten verstärkt Plaques. Die Ablagerungen verteilten sich ungleichmäßig über das Gehirn und hatten einen Durchmesser von 25 bis 200 Mikrometern. Auch die Blutgefäße im Gehirn waren von der Plaquebildung betroffen. Bei den Mäusen dagegen, deren Neuronen zusätzlich auch das humane Präsenilin1 exprimierten, tauchten die ersten Plaques schon nach rund drei Monaten auf. Die Ablagerungen verteilten sich gleichmäßig über das Gehirn und hatten nur eine Größe von 5 bis 25 Mikrometern. In den Blutgefäßen fanden sich keine Plaques.
Zusätzlich zu diesen Untersuchungen maßen die Forscher immer wieder den Blutfluss im frontalen Cortex beider Mäusestämme. Dafür verwendeten sie sowohl die PET als auch die MRT. Bei den Tieren, deren Neuronen kein humanes Präsenilin1 exprimierten, verringerte sich der Blutfluss mit zunehmender Plaquebildung, bei den anderen Tieren dagegen blieb der Blutfluss konstant. „Nur wenn die Plaques auch die Blutgefäße befallen, wird die Durchblutung in den davon betroffenen Gehirnarealen geringer“, sagt Pichler. Warum in einem Mäusestamm sich Beta-Amyloid in Blutgefäßen ablagert, im anderen aber nicht, darüber kann der Forscher nur Vermutungen anstellen: „Beta-Amyloid-Peptide können in unterschiedlicher Länge entstehen. Im Gehirn der Mäuse, deren Blutgefäße von Plaques betroffen sind, kommt vor allem die Form vor, die aus 40 Aminosäuren aufgebaut ist, im Gehirn der anderen Mäuse dagegen die Form, die aus 42 Aminosäuren aufgebaut ist.“ Wahrscheinlich, so Pichler, treibe Beta-Amyloid-40 die vaskuläre Amyloidose voran.
Andere Experten halten die Ergebnisse der Tübinger Forscher für sehr interessant: „Die Ablagerungen in den Gefäßen führen zu einer verschlechterten Durchblutung, die wiederum den Niedergang der Neuronen vorantreiben könnte“, sagt Alexander Drzezga, Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Uniklinik Köln. „Dies legt nahe, dass in manchen Fällen ein geringerer Blutfluss nicht nur die Folge, sondern auch die Ursache der Neurodegeneration sein könnte.“ Laut Maier und Pichler war die Abbildungsqualität in dieser Studie an lebenden Tieren erstmals gut genug, um die Dynamik der Abläufe räumlich und zeitlich genau zu verfolgen und auch quantitativ zu messen. Nach Einschätzung der Forscher lassen sich diese Verfahren auch beim Menschen nutzen. „Wir haben die Basis für eine verbesserte Diagnose gelegt, vor allem um die Alzheimer-Demenz gegenüber anderen Erkrankungen abzugrenzen“, sagt Pichler. Er und Maier planen nun eine ähnliche Studie mit Alzheimer-Patienten, die in ein bis zwei Jahren beginnen könnte.