Den Ratschlag hat vermutlich jeder schon mal gehört: Täglich 10.000 Schritte gehen und man bleibt gesund. Ob ihr euren Patienten diesen Tipp tatsächlich mit auf den Weg geben solltet, erfahrt ihr hier.
Die Anzahl der täglichen Schritte ist ein einfaches und praktikables Maß zur Überwachung und Förderung körperlicher Aktivität. Wer gesund leben will, sollte am Tag 10.000 Schritte gehen. Heißt es. Doch woher stammt diese Empfehlung? Die Antwort ist überraschend. Recherchiert man den Ursprung der 10.000-Schritte-Regel, landet man schnell bei einem Gerät mit dem Namen Manpo-kei.
Hierbei handelt es sich um einen japanischen Schrittzähler, der Mitte der 1960-er Jahre auf den Markt kam. Um sein Gerät bekannt zu machen, brachte der Hersteller die Regel der 10.000 Schritte in Umlauf. Ziel war es, Begeisterung für die Olympischen Spiele 1964 in Tokio zu erwecken. Die Werbekampagne etablierte sich schnell zu einer allgemeingültigen Empfehlung, die sogar von der WHO übernommen wurde.
Diese Empfehlung wird allerdings immer wieder in Frage gestellt, weil sie wissenschaftlich nicht hinreichend fundiert ist. Aber wie viele Schritte am Tag sollen es denn nun sein? Das Forschungsteam um Dr. Amanda Paluch geht dieser Frage mit einer Metaanalyse nach, kürzlich im Journal Lancet Public Health erschienen ist.
Die Metaanalyse der Universität Amherst Massachusetts bezieht sich auf 15 prospektive Kohortenstudien aus Asien, Australien, Europa und Nordamerika. Ausgewertet wurden die Daten von 47.471 Erwachsenen und 3.013 Todesfällen. Die Studie der Epidemiologin Dr. Amanda Paluch bietet evidenzbasierte Schwellenwerte für die optimale Schrittzahl pro Tag verbunden mit reduziertem Risiko der Gesamtsterblichkeit.
Für jede Kohortenstudie erfolgte eine standardisierte statistische Analyse vom The Steps for Health Kollaborativ, deren Ergebnisse im Anschluss meta-analysiert wurden. Um die empfohlene Zahl erforderliche Schritte auszumachen, sortierte das Forschungsteam die 47.471 Erwachsenen aus den Studien anhand ihrer durchschnittlichen täglichen Schritte in vier Gruppen. Die niedrigste Schrittgruppe hatte durchschnittlich 3.500 Schritte, die zweite 5.800, die dritte 7.800 und die vierte 10.900.
Bei den Gruppen zwei bis vier war das Sterberisiko um 40 bis 53 Prozent geringer als bei der ersten Gruppe. Bei Erwachsenen ab 60 Jahren sank das Sterberisiko mit Zunahme der Anzahl der Schritte am Tag – allerdings pendelte sich das Risiko bei etwa 6.000 bis 8.000 Schritten pro Tag ein, was bedeutet, dass mehr Schritte keinen zusätzlichen Nutzen für die Langlebigkeit brachten. Bei Erwachsenen unter 60 Jahren sank das Risiko bis etwa 8.000 bis 10.000 Schritte pro Tag.
Die Autoren fanden inkonsistente Ergebnisse dazu, welchen Einfluss die Gehgeschwindigkeit, abgesehen von der Gesamtschrittzahl pro Tag, auf die Gesamtmortalität hat.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Autoren einer Studie aus dem Jahr 2020. Die Auswertung ihrer Daten zeigte, dass Menschen, die zwischen 8.000 und 12.000 Schritten täglich gehen, ein niedrigeres Risiko haben, vorzeitig zu sterben, als solche, die nur 4.000 Schritte am Tag zurücklegen. Auch die Untersuchung von I-Min Lee et al. zeigt, dass es nicht zwingend 10.000 Schritte am Tag sein müssen: Die im Jahr 2019 erschienene Untersuchung der Harvard Medical School publiziert im Fachjournal Jama Internal Medicine verglich die Anzahl von täglichen Schritten mit dem Sterberisiko.
Dabei wurden die Daten von 16.000 US-Bürgerinnen mit einem Durchschnittsalter von 72 Jahren erhoben. Das Ergebnis der Studie: Frauen, die pro Tag mindestens 4.400 Schritte liefen, hatten nach vier Jahren ein geringeres Sterberisiko als Probandinnen, die 2.700 Schritte täglich gingen. Dieser sogenannte statistische Vorteil steigerte sich bis zu einer Grenze von 7.500 Schritten täglich.
Mehr Schritte sind im Allgemeinen besser für die Gesundheit als wenige, insbesondere im Zeitalter von Homeoffice und dem oftmals damit verbundenen Bewegungsmangel, aber es müssen nicht 10.000 Schritte sein. Das Risiko für einen vorzeitigen Tod bei den über 60-Jährigen reduziert sich nach Paluch et al. bei 6.000 bis 8.000 Schritten täglich. Bei jüngeren, also unter 60 Jahre alten Personen, stabilisiert sich das Risiko bei etwa 8.000 bis 10.000 Schritten am Tag. Auch wenn wir uns von der 10.000-Schritte-Regel trennen müssen, schadet prinzipiell Bewegung nur dem, der sie nicht hat.
Bildquelle: Lindsay Henwood, Unsplash