Verstaubt, verstaubter, GOÄ. Seit gut 30 Jahren wartet man auf eine Novelle der Gebührenordnung der Ärzte – vergebens. Nun scheint sich etwas zu bewegen. Lenkt Lauterbach noch ein?
Die GOÄ-Reform habe keine Priorität, lässt sich Gesundheitsminister Lauterbach zitieren und verweist angesichts der allgemeinen politischen Situation gern auf dringende Punkte wie die Bewältigung der Corona-Pandemie und die medizinische Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge. In der Tat wichtige Themen – das bedeutet aber nicht, dass es nicht weitere dringende Punkte gibt, die es anzugehen gilt.
Wie lange die Gebührenordnung schon keine Grundsanierung mehr erhalten hat, zeigt ein kleines Faktum am Rande: Im Gegensatz zu den Gebührenordnungen anderer Professionen (wie auch die GOZ der Zahnärzte) hält sich die Ärzteschaft noch an ein Preissystem, das in DM geschrieben ist. Für junge Ärzte: Deutsche Mark.
Doch dieses anachronistische Schmankerl ist nur ein Bild dafür, dass aktuell sowohl Ärzteschaft als aber auch die Patienten selbst auf dem Zahnfleisch gehen, was die Geduld mit einer sich seit Jahrzehnten schleppenden Novellierung betrifft – ist es doch auch für sie ein größerer bürokratischer Aufwand als es sein müsste.
Daneben warten noch weitere Herausforderungen, die in einer Neufassung angegangen werden müssten: Zum einen ist die GOÄ doch bis dato kaum digitalisiert sondern funktioniert weitestgehend analog. Zum anderen ist sie auch keineswegs interdisziplinär nutzbar.
Die für eine Reform benötigte Einigkeit zeigten nun SpiFa, PKVen und BÄK auf dem SpiFa-Fachärztetag 2022. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa) ist sich sicher: „Es gibt es keinen Grund mehr, das Thema nicht anzugehen oder den erarbeiteten Vorschlag abzulehnen. Die GOÄ ist ein definitorisches Element des freien Berufs der Ärzteschaft und muss jetzt umgesetzt werden, sonst sägt man an diesem Beruf.“
Gleichzeitig betonen die Verbände die Grundlage, mit der sie der Politik die goldene Brücke zum Beschluss bauen: So wird mit Hilfe von statistischen Daten nicht nur die notwendige Zweckmäßigkeit offenbart, sondern gleichzeitig größtmögliche Transparenz in der Errechnungsgrundlage der Ziffern und Buchstaben geschaffen. Ohne Politik geht es nicht: Die GOÄ ist eine von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats erlassende Rechtsverordnung.
Was die Details einer möglichen Novelle betrifft, gaben die Vertreter auf der SpiFa-Tagung einen Einblick: „So soll sich das Gesamtwerk nun mehr am modernen ärztlichen Handeln orientieren. Auch seien strukturelle Aspekte wie beispielsweise Betreuungsziffern, hausärztliche Betreuung oder die Betreuung psychisch Erkrankter in die Überlegungen mit eingeflossen“, so Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK).
„Wir müssen alle auch nur denkbaren Leistungen abbilden“, ergänzt Heinrich und erklärt damit, dass sich auch für euch Ärzte von Grund auf etwas ändern wird. So beinhalte der Entwurf eine neue Systematik, mit der das Regelwerk jedes Jahr kontinuierlich angepasst werden könne. „Alte Analogziffern können nicht mehr abgebildet werden. Am Ende des Jahres müssten neue Leistungen quasi eingesammelt und aufgenommen werden, wenn es das bedarf.“
Für euch bedeutet das: Viel Auswendiglernen, denn das neue Regelwerk wird in jedem Fall wesentlich umfangreicher, und es werden Ziffern beispielsweise neu vergeben. Gleichzeitig könnt ihr euch sicher sein, dass am Ende ein adäquates Ergebnis herauskommt – ist die neue GOÄ doch komplett betriebswirtschaftlich kalkuliert.
Doch bevor die Zukunftsmusik gespielt wird, liegt noch – beinahe traditionell – der Gang zum Gesetzgeber an. Ihren konsentierten Entwurf wollen die Insititutionen gemeinsam nach Ostern an die Politik überreichen und erwarten daraufhin positive Signale in der einen oder anderen Form.
Nun, gestern gingen bereits tausende Ärzte für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße – die Bereitschaft auch die Füße zu erheben, ist also da, wenn auch aktuell vor allem im stationären Bereich und wegen zu vieler Überstunden. Zu mehr Freizeit verhilft die GOÄ natürlich nicht. Aber auch wenn sie einem nicht mehr Schlaf und freie Tage beschert, so „gehört die Gebührenordnung zum Instrumentenkoffer des freiheitlichen Berufstandes der Ärzte“.
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