Die Schlaganfall-Vorsorge ist in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau. Bei der Nachsorge sieht das allerdings anders aus – hier hat die Pandemie Spuren hinterlassen. Was kann man dagegen unternehmen?
338 Schlaganfall-Spezialstationen hat die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft gemeinsam mit der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe bis Ende 2021 zertifiziert. Im vergangenen Jahr stieg vor allem die Zahl der telemedizinisch vernetzten Stationen von 18 auf 23. So ist nun auch in ländlichen Regionen eine nahezu flächendeckend gute Akutversorgung gewährleistet. Anders als in Frankreich oder Italien litt die Qualität der Akutversorgung in Deutschland nicht unter der Pandemie.
Die Behandlung der Patienten geschieht auf Grundlage der S2e-Leitlinie zur Versorgung des akuten ischämischen Schlaganfalls, die 2021 entstand. Sie berücksichtigt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Auswirkungen zeigte die COVID-19-Pandemie jedoch auf die Schlaganfall-Nachsorge. Viele Betroffene berichteten von zeitweise deutlichen Einschränkungen in der therapeutischen Versorgung. Die Kontaktbeschränkungen bereiteten vor allem der Schlaganfall-Selbsthilfe Sorgen. Zu Beginn der Pandemie engagierten sich rund 12.000 Patienten in den 350 Selbsthilfegruppen im Netzwerk der Deutschen Schlaganfall-Hilfe. Eine Umfrage der Stiftung ergab, dass unter der Pandemie der Kontakt zu etwa einem Drittel der Mitglieder verloren ging. Insbesondere kleinere Gruppen im ländlichen Raum sind in ihrer Existenz bedroht.
Die Verunsicherung vieler Schlaganfall-Betroffener machte sich auch in der Nutzung der Informations- und Beratungsangebote der Stiftung bemerkbar. So verzeichnete ein Online-Artikel zur Sinusvenenthrombose, einer sehr seltenen Nebenwirkung der Covid-Impfung, im Frühjahr 2021 an einem einzigen Tag 10.000 Aufrufe. Ein Trend, den auch die Berater im Service- und Beratungszentrum der Stiftung aus ihren telefonischen Patientenkontakten bestätigen. Die Informationsangebote waren gefragt wie nie zuvor. In nur drei Jahren hat sich die Zahl der Nutzer der Website verfünffacht. Mehr als 1,5 Millionen Besucher waren im vergangenen Jahr auf der Seite.
Unter Lockdowns und Kontaktbeschränkungen haben insbesondere jene Menschen gelitten, die aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität schon vorher stark von Einsamkeit bedroht waren. Der zunehmenden Isolierung begegnete die Deutsche Schlaganfall-Hilfe mit der Einführung neuer Online-Formate. Die internetbasierten Patienten-Veranstaltungen waren unerwartet gut frequentiert. Für Internet-Unerfahrene wurden Einführungen angeboten.
2021 endete das Innovationsfonds-Projekt STROKE OWL, eines der größten Modellprojekte mit Patientenlotsen in Deutschland. 1.600 Schlaganfall-Patienten wurden ein Jahr lang in der Nachsorge begleitet. Erste Ergebnisse zeigen, wie positiv sich das Engagement der Lotsen auf die Lebensqualität und Adhärenz der Patienten auswirkt. Mehr als die Hälfte von ihnen gaben an, durch die Lotsen stärker auf die Medikamenteneinnahme, auf ausreichende Bewegung und eine ausgewogene Ernährung zu achten. In der Modellregion Ostwestfalen-Lippe werden die Lotsen bereits durch die Krankenkassen weiterfinanziert.
„Die Lotsen sind im Koalitionsvertrag verstetigt, das ist schon mal ein Riesenerfolg“, kommentiert Barbara Steffens, Landeschefin der Techniker Krankenkasse in Nordrhein-Westfalen. Die wohl wichtigste Frage wird nun sein, aus welchen Mitteln die Patientenlotsen künftig bezahlt werden sollen. „Ich kann mir sehr gut Mischfinanzierungen vorstellen. Aber das muss man im Großen mit den Koalitionsfraktionen diskutieren“, so Steffens.
In ähnlichen Modellen denkt Dr. Michael Brinkmeier, Vorstandvorsitzender der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. „Damit Lotsen frei von Interessen anderer im Sinne der Hilfesuchenden agieren können, braucht es eine gerechte Finanzierung und ein Neudenken der bestehenden, oft starren Logiken der Sozialgesetzbücher“, so Brinkmeier.
Neben den Patientenlotsen stehen 2022 weitere Projekte zur Verbesserung der Nachsorge auf der Agenda der Deutschen Schlaganfall-Hilfe. Gut angenommen wird die Qualifizierung von Sanitätshäusern in der Beratung Schlaganfall-Betroffener. Die ersten fünf Unternehmen schlossen die Schulungen im vergangenen Jahr ab, weitere fünf folgen im Frühjahr 2022. Die Nachfrage ist unvermindert groß.
Bis Ende letzten Jahres wurden 572 ehrenamtliche Schlaganfall-Helfer in acht Bundesländern ausgebildet. Aufgrund der Pandemie waren deren Aktivitäten jedoch stark eingeschränkt. In 2022 soll das Programm ausgebaut werden. Die Ehrenamtlichen erhalten eine Grundlagenschulung in vier bis fünf Wochenendmodulen, um Betroffene im Alltag zu unterstützen, ihnen regionale Hilfeangebote zu vermitteln und Angehörige zu entlasten. Seit Anfang 2021 können Interessenten die Schulung auch online absolvieren.
Auch die körperliche Betätigung von Schlaganfall-Patienten soll weiter gefördert werden. „Keine Angebote“, „zu weit weg“ oder „alles belegt“ – das sind einer Online-Umfrage zufolge die häufigsten Gründe, weshalb Schlaganfall-Betroffene keinen Rehasport betreiben. Deshalb startete 2021 das Modellprojekt „SPORTnachSCHLAG“ in Nordrhein-Westfalen. Das Projekt war ein großer Erfolg: Bis Ende 2021 konnte die Stiftung 59 Vereine in NRW für das Projekt gewinnen. Sie erhalten in 2022 eine Förderung, um Übungsleiter auszubilden und neue Gruppen zu gründen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.
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