Wird der Vater mit Metformin behandelt, erhöht sich einer Studie zufolge eventuell das Risiko für Fehlbildungen der Babys. Lest hier, ob sich die Diabetes-Therapie bei Männern mit Kinderwunsch jetzt ändert.
Stehen die Einnahme von Metformin bei Diabetes und die Spermienentwicklung bei Männern im Zusammenhang? Eine dänische Studie suggeriert jetzt ein erhöhtes Risiko für Malformationen bei Neugeborenen bei väterlicher Einnahme des Medikaments. Die prospektive Kohortenstudie umfasst alle Geburten von 1997 bis 2016 in Dänemark ab der 20. Schwangerschaftswoche. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachjournal Annals of Internal Medicine.
Die Wissenschaftler untersuchten zunächst Daten aus landesweiten Registern zu Geburten, Patienten und Verschreibungen. Dabei verglichen sie Diabetes-Patienten, die entweder Insulin, Metformin oder Sulfonylharnstoff einnahmen, um festzustellen, ob die Nachkommen der entsprechenden Väter ein erhöhtes Risiko für Geburtsfehler durch die Medikation haben. Die Mütter der Kinder hatten hingegen keine Vorgeschichte von Diabetes oder essentieller Hypertonie, sodass das Augenmerk nur auf den Kindesvätern lag.
Die Forscher definierten: Säuglinge waren einem Diabetesmedikament ausgesetzt, wenn dem Vater in den drei Monaten vor Empfängnis eines der drei genannten Medikamente ausgestellt wurden. Die Wissenschaftler werteten Geburtsfehler der Nachkommen in Korrelation mit drei Parametern aus: Medikamente, Expositionszeit und Geschwister der Babys.
Von den 1.116.779 eingeschlossenen Nachkommen hatten 36.585 (3,3 %) mindestens einen Geburtsfehler. Bei insgesamt 7.069 Fällen lag eine Verordnung von blutzuckersenkenden Medikamenten bei den Eltern vor. Am häufigsten wurde Insulin verordnet (5.298), gefolgt von Metformin (1.451) und Sulfonylharnstoff (647).
Eine erhöhte Häufigkeit von Fehlbildungen trat dabei im Zusammenhang mit Metformin auf – die Forscher ermittelten ein Odds Ratio von 1,4 [95 % KI: 0,85–1,14]. Insbesondere das Risiko für Genitalfehler bei Jungen war dabei im Vergleich zur restlichen Kohorte (0,24 %) erhöht und trat in 0,9 % der Fälle auf (OR: 3,39 [95 % KI: 1,82–6,3]). Gleichzeitig war der Anteil männlicher Nachkommen geringer (49,4 % vs. 51,4 %). Jedoch erhöhte die Einnahme von Metformin vor oder nach der Spermienentwicklung (dem auf drei Monate vor der Empfängnis festgelegten Zeitraum) nicht das Risiko für Geburtsfehler; auch bei Geschwistern, die dem Medikament nicht ausgesetzt waren, konnten die Forscher kein erhöhtes Risiko feststellen.
Für Sulfonylharnstoff-exponierte Nachkommen wurde ebenfalls ein erhöhtes Odds Ratio (1,34 [95 % KI: 0,94–1,92]) bestimmt. Laut Autoren erschwere die erhöhte Häufigkeit von Geburtsfehlern in dieser Gruppe die Interpretation, da Metformin und Sulfonylharnstoffe unterschiedliche pharmakologische Mechanismen haben. Allerdings war das Ergebnis für die Sulfonylharnstoffe statistisch nicht signifikant und wies auch keine Spezifität für Genitaldefekte auf, daher könne es sich um eine zufällige Variation handeln, heißt es.
Die Autoren führen aus, dass während des erfassten Zeitraums von 1996 bis 2016 die Prävalenz von Typ-2-Diabetes in reproduktiven Altersgruppen deutlich gestiegen sei: „Bis zum Alter von 40 Jahren stieg die Prävalenz in diesem Zeitraum von nahezu 0 % auf fast 2 %.“ Das schiere Ausmaß der Diabetes-Pandemie lege nahe, dass die Behandlung angehender Väter mit Diabetes, einschließlich pharmakologischer Behandlung und Beratung zu Ernährung, körperlicher Betätigung und Gewichtsabnahme, Gegenstand weiterer Untersuchungen sein sollte.
Bedeutet das tatsächlich, dass die Einnahme von Metformin während der Spermienentwicklung zu Fehlbildungen führt? Wie wir wissen, ist Korrelation nicht gleich Kausalität. Da es sich um eine reine Assoziationsstudie handelt, ist nicht klar, welche biologischen Mechanismen und Auswirkung zugrunde liegen – oder ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang besteht.
„Ein wesentlicher Schwachpunkt der Studie ist das Fehlen von Daten zur Qualität der Blutglukoseeinstellung sowie des Body-Mass-Index der Studienpopulation“, erklärt Prof. Wolfgang Rathmann, Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologie des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ), gegenüber Science Media Center. Er führt auch auf, dass für Sulfonylharnstoffe ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen beobachtet wurde, dieses jedoch nicht statistisch signifikant war. „Dieses Ergebnis legt jedoch nahe, dass die Blutglukosekonzentrationen eine Rolle spielen.“
Außerdem waren die Eltern mit Metforminbehandlung älter und wiesen einen niedrigeren soziökonomischen Status auf; Väter erhielten zusätzlich häufiger Lipidsenker und kardiovaskuläre Therapeutika, erklärt der Epidemiologe. „Daher lag sehr wahrscheinlich ein ungünstigeres kardiometabolisches Risikofaktorprofil vor und es ist zu vermuten, dass die Väter häufiger adipös waren.“ Unklar sei auch, ob bei den Schwangeren ein unentdeckter Gestationsdiabetes vorlag, der das Risiko für Geburtsdefekte deutlich erhöhe.
Die Studienautoren merken auch an, dass keine Einzelheiten über die Einhaltung der Medikation oder die diabetische Kontrolle vorliegen. „Dies ist wichtig, denn eine schlechte Compliance und/oder eine schlechte Zuckerkontrolle könnten alternative Erklärungen für die höhere Zahl von Anomalien bei Kindern sein, deren Väter Metformin verschrieben bekamen“, erklärt Dr. Sarah Martins Da Silca, Senior Lecturer für Reproduktionsmedizin an der Universität Dundee, Großbritannien.
„Weitere Studien, die Details zur Diabeteskontrolle und zum Tabletteneinnahmeverhalten von Männern beinhalten, sind erforderlich, um wirklich zu verstehen, ob Metformin ein Problem darstellt und vermieden werden sollte, wenn versucht wird, schwanger zu werden.“ Rathmann merkt an: „Es ist eindeutig zu früh, anhand einer einzigen Studie eine Änderung der Therapieempfehlungen auszusprechen.“
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