Das Protein CD95 auf der Oberfläche von Pankreaskrebszellen fördert die Metastasierung und die Fähigkeit, neue Tumoren zu initiieren. Wird das Oberflächenprotein im Mausmodell mit einem Wirkstoff blockiert, wachsen die Tumoren langsamer und bilden weniger Metastasen.
Wenn sich Krebszellen vom Tumor ablösen, durchlaufen sie ein komplexes Programm. „Sie machen eine regelrechte Verwandlung durch. Dabei verändern sie ihre Form, steigern ihre Beweglichkeit und haften nicht mehr aneinander“, erklärt Prof. Dr. Ana Martin-Villalba vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Gleichzeitig erwerben sie dabei auch Stammzell-Eigenschaften, also die Fähigkeit, neue Tumoren oder Metastasen zu bilden.“
Eine ganze Reihe von Wachstumsfaktoren kann dieses Entwicklungsprogramm anregen. Martin-Villalba hatte bereits 2008 beim Glioblastom entdeckt, dass das Oberflächenprotein CD95 wie ein Wachstumsfaktor auf die Hirntumorzellen wirkt und ihre Aggressivität steigert. Nun hatte die Wissenschaftlerin den Verdacht, dass CD95 auch beim Pankreaskarzinom die Verwandlung zur Bösartigkeit und zur Metastasierung vorantreiben könnte. Die Forscher aus Martin-Villalbas Team entdeckten an Tumorgewebeproben, dass Pankrebskrebszellen deutlich mehr CD95 auf ihrer Oberfläche exprimieren als gesunde Zellen der Bauchspeicheldrüsen. Tumorzellen, die besonders viel CD95 bilden, zeigten die deutlichsten Merkmale in Richtung Malignität. Tumorzellen aus Metastasen trugen darüber hinaus mehr CD95 als Zellen des Primärtumors.
Dabei kann sich nicht aus jeder Krebszelle ein neuer Tumor oder eine neue Metastase entwickeln. Dies ist eine exklusive Fähigkeit der so genannten Krebsstammzellen, auch „tumorinitiierende Zellen“ genannt. Als Beweis für diese Stammzelleigenschaft gilt es, wenn auf immungeschwächte Mäuse übertragene Krebszellen zu einem neuen Tumor auswachsen – was mit den CD95-tragenden Pankreaskrebszellen gelang. In Summe sind diese Ergebnisse ein starkes Indiz dafür, dass CD95 eine ursächliche Rolle für die Aggressivität des Pankreaskarzinoms spielt – aber noch kein Beweis dafür. Um diesen Nachweis zu erbringen, blockierten die Wissenschaftler die Aktivierung von CD95 mit einem spezifischen Wirkstoff. Mäuse, denen die Tumorzellen übertragen wurden und diese zusätzlich mit dem Wirkstoff erhielten, entwickelten kleinere Tumoren und auch weniger und kleinere Metastasen als die Kontrolltiere.
CD95 war ursprünglich als „Todesrezeptor“ bekannt geworden, weil es die Apoptose einleitet. Daher wurde es zunächst sogar für einen Tumor-Suppressor gehalten. Der Wirkstoff APG101, mit dem Martin-Villalbas Team das Krebswachstum drosseln konnte, vereitelt den Kontakt zwischen den CD95-Molekülen auf der Oberfläche der Krebszellen mit ihrem spezifischen Bindungspartner. Dadurch verhindert APG101, dass CD95-abhängige Reaktionswege in der Zelle aktiviert werden. Im Falle der Pankreaskrebszellen, so fanden die DKFZ-Forscher heraus, greift CD95 über das Adapterprotein Sck in einen bekannten Signalweg ein, der das Wachstum der Zellen anfeuert. „Krebsforscher suchen dringend nach Marker-Molekülen, über die sie im Blut von Krebspatienten Tumorzellen mit Metastasierungspotenzial identifizieren können. Dafür ist CD95 ein geeigneter Kandidat. Das könnte Ärzten helfen, den weiteren Verlauf der Erkrankung besser einzuschätzen“, sagt Martin-Villalba und ergänzt: „Darüber hinaus ist CD95 aber auch ein vielversprechendes Zielmolekül, über das wir möglicherweise sehr spezifisch Wachstum und Ausbreitung von Bauchspeicheldrüsenkrebs bremsen könnten.“ Originalpublikation: CD95 promotes metastatic spread via Sck in pancreatic ductal adenocarcinoma Ana Martin-Villalba et al.; Cell Death and Differentiation, doi: 10.1038/cdd.2014.217; 2015