Die sogenannte Mito-AML liefert jetzt einen neuen Therapieansatz für akute myeloische Leukämie. Die Untergruppe wurde bei Analysen des Proteoms in AML-Zellen entdeckt.
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine aggressive Krebsart, die von Blutzellen verursacht wird. Kommt es im Knochenmark in unausgereiften Blutzellen zu bestimmten Erbgutveränderungen, können diese Zellen zu bösartigen Krebszellen werden und das Knochenmark überwuchern. Dadurch werden die normalen Blutzellen von den Leukämiezellen verdrängt. Dies führt zu Infektionen, Blutungen und schließlich zum Tod der Patienten. Die meisten Patienten, bei denen eine AML diagnostiziert wird, erhalten eine Chemotherapie.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden mithilfe von Erbgutstudien molekulare Untergruppen innerhalb der Krankheit nachgewiesen. Dies schafft die Grundlage für personalisierte Therapieansätze. Infolgedessen können Mediziner heute für einige genomische AML-Untergruppen spezifische Therapeutika zur Behandlung der Krankheit einsetzen. Diese Entdeckungen haben das molekulare Verständnis der Krankheit bei Ärzten und Wissenschaftlern revolutioniert.
Trotz dieser Entwicklungen ist die Prognose für die AML nach wie vor schlecht und zeigt den dringenden Bedarf, die krankhaft veränderten Prozesse besser zu verstehen sowie nach weiteren Therapien zu suchen.
In einem fachübergreifenden Projekt untersuchten Wissenschaftler um Matthias Mann (MPI für Biochemie), Thomas Oellerich und Hubert Serve (beide Universitätsklinikum Frankfurt DKTK & DKFZ), ob das Proteom in AML-Zellen bei der Identifizierung von Krankheits-Untergruppen, Biomarkern und therapeutischen Ansätzen helfen kann.
Um die Proteinexpressionsprofile in AML zu untersuchen, nutzte das Team die Massenspektrometrie. Diese Technologie ermöglicht es, Proteine durch Bestimmung ihres spezifischen Gewichts zu identifizieren und zu quantifizieren. Mithilfe der Proteinexpressionsprofile erhalten die Forscher einen Überblick, welche und wie viele Proteine in den krankhaft veränderten Zellen im Vergleich zu gesunden Zellen vorhanden sind. Parallel dazu untersuchte das Team das menschliche Erbgut von AML-Zellen mit Hilfe von DNA- und RNA-Sequenzierungstechnologien.
Durch die Kombination der Proteom- und Erbgutdaten wurden mehrere AML-Untergruppen entdeckt, die jeweils spezifische biologische Besonderheiten aufweisen. Bemerkenswert ist, dass eine Untergruppe nur auf der Proteomebene erkennbar und daher bisher nicht entdeckt worden war. Diese Untergruppe zeichnete sich durch eine hohe Anzahl an Mitochondrien-Proteinen, einen neu organisierten Mitochondrien-Stoffwechsel und klinische Resistenz gegenüber Chemotherapie aus. Die Untergruppe wurde deshalb Mito-AML genannt.
Das Forscherteam untersuchte weiter, ob die krankheitsspezifischen Stoffwechselveränderungen bei der Mito-AML therapeutisch genutzt werden können. In einer Reihe von Versuchen fanden sie heraus, dass Medikamente, die in die mitochondriale Atmung eingreifen, in Mito-AML-Zellkulturen hochwirksam sind und daher im Vergleich zu herkömmlichen Chemotherapeutika eine wirksamere Therapie darstellen könnten. Zu diesen Wirkstoffen zählt zum Beispiel der BCL2-Inhibitor Venetoclax. Im Anschluss daran kann jetzt geprüft werden, ob die Laborergebnisse sich auch in klinischen Patientenstudien bestätigen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Biochemie. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Brennan Martinez, unsplash