Heiko Maas plant, korrupte Heilberufler in die Schranken zu weisen. Sein Gesetzesentwurf holt zum Rundumschlag aus. Auch Apotheker geraten in die Schusslinie, nämlich bei Skonti beziehungsweise bei vermeintlich einseitigen Empfehlungen. Verbände fordern Nachbesserungen.
Neues aus der großen Koalition: Union und Sozialdemokraten planen Ergänzungen des Strafgesetzbuchs (StGB). Damit wollen sie Korruption im Gesundheitswesen besser ahnden. Ihr Beweggrund: Einem Urteil des Bundesgerichtshofs zufolge können Ärzte mit eigener Praxis strafrechtlich nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden – hier greift nur das Berufsrecht. Schwarz-Gelb hatte dem Bundesrat bereits einen Entwurf präsentiert, war aber am Diskontinuitätsprinzip gescheitert: Gesetzesvorhaben, die innerhalb einer Legislaturperiode nicht verabschiedet werden, verfallen nach Ablauf dieser Zeit. Jetzt liegt ein überarbeiteter Referentenentwurf von Heiko Maas (SPD) vor. Der Bundesjustizminister schreibt: „Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten.“ Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion, ergänzte, es gehe nicht um einen Pauschalverdacht gegen einen ganzen Berufsstand, „sondern darum, die wenigen schwarzen Schafe auch tatsächlich belangen zu können“.
Um ihre Ideen zu realisieren, will die Regierung einen neuen Paragraphen 299a in das StGB einfügen. Damit stellen Politiker „sachfremde Entscheidungen“ bei der Verordnung, beim Bezug oder bei der Abgabe von Heil- und Hilfsmitteln sowie bei Medizinprodukten unter Strafe. Wer Patienten oder Untersuchungsmaterial gegen Geld zuweist, muss ebenfalls mit einer Verfolgung rechnen - bis zu drei Jahre Haft oder Geldbußen sind möglich. Hinzu kommt Paragraph 300 mit Vorteilsnahmen großen Ausmaßes, etwa beim bandenmäßigen Betrug. Tätern drohen bis zu fünf Jahre Haft. Gemäß Paragraph 301 haben berufsständische Kammern, Verbände und Gewerbetreibende das Recht, entsprechende Vergehen anzuzeigen. In der überarbeiteten Version räumt Maas Krankenkassen ebenfalls das Recht zur Klage ein. Hinzu kommt ein regelmäßiger Austausch mit Staatsanwälten, berufsständischen Vertretern und Kassen – verankert im V. Sozialgesetzbuch.
Einige Formulierungen im neuen Gesetz habe es in sich. Fordern Apotheker von Lieferanten Preisvorteile ein oder nehmen Vergünstigungen an, kann dies zu Problemen führen. Der Gesetzgeber bewertet „branchenübliche und allgemein gewährte Rabatte und Skonti“ nicht als strafbar. Bei gängigen Werten fehle die Unrechtsvereinbarung, da derartige Vorteile allen Gewerbetreibenden gleichermaßen angeboten würden, so die Bundesregierung. Als unlauter gelten Skonti, sollten sie gegen gesetzliche oder berufsrechtliche Vorschriften verstoßen. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) definiert in Paragraph 7 Ausnahmen. Vorteile sind legitim, so lange sie nicht der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) widersprechen. Ansonsten kommt hier auch das Strafrecht zum Zuge. Dass von Korruption die Rede ist, widerspricht gängigen Definitionen aus ökonomischen Veröffentlichungen. Bei der Prinzipal-Agent-Theorie haben Prinzipal, etwa ein Firmenchef, und Agent, etwa ein Angestellter, vertragliche Bindungen. Der Agent erfüllt übertragene Aufgaben oft gegen die Interessen seines Vorgesetzten, aber natürlich zum eigenen Wohle. Was für Konzerne gelten mag, trifft noch lange nicht auf öffentliche Apotheken zu – schließlich vereint der Inhaber bei Verhandlungen mit dem Großhändler Klient und Agent in einer Person. An dieser Stelle bleibt Heiko Maas' Entwurf jedenfalls nebulös und könnte schnell zu problematischen Auswüchsen führen, auch bei Apothekern.
Aktuellstes Beispiel: Journalisten des NDR-Verbrauchermagazins „Markt“ wollten wissen, welche Präparate bei Halsschmerzen empfohlen werden. In neun von zehn getesteten Apotheken erhielten sie Dobendan® Direkt oder Dolo-Dobendan®. Einmal mehr ist die mediale Stichprobe zu klein, um repräsentative Aussagen zu treffen. Professor Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, stört sich daran kaum. Er kritisiert, Benzocain, Bestandteil von Dolo-Dobendan®, könne Allergien auslösen. Und bei Flurbiprofen als Inhaltsstoff von Dobendan® Direkt sei die Wirkung unklar. Kollegen gaben entsprechende Präparate trotzdem ab. „Das zeigt, dass das Marketing von Herstellern wirkt, jenseits der Fragestellung, ob es sich um sinnvolle Arzneimittel handelt. Auch Apotheker werden von Werbung beeinflusst“, moniert Glaeske. Tatsächlich nur anhand von Werbung? Überehrgeizige Staatsanwälte könnten bei derartigen Vorwürfen schon bald aktiv werden.
Kein Wunder, dass Verbände und Ländervertreter dringend Nachbesserungen fordern. „Die reichlich unspezifischen Formulierungen im Gesetzentwurf öffnen Tür und Tor für Denunziation und ambitionierte, aber uninformierte Staatsanwaltschaften mit Profilierungsbedürfnissen“, befürchtet Lars F. Lindemann vom Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands. Sinnvolle und notwendige Kooperationen könnten kriminalisiert werden. Fachärzte wünschen sich deshalb einen exakt formulierten Katalog, wie korruptes Verhalten definiert ist. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat sich bislang nicht geäußert.