In der Behandlung von Myokardinfarkten bestehen Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Patienten – mit teils erheblichen Auswirkungen. Mehr zu den Gründen und aktuellen Fallzahlen lest ihr hier.
Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Arteriosklerose und damit auch das Risiko einer koronaren Herzerkrankung. Der Herzinfarkt als Maximalausprägung einer koronaren Herzerkrankung gilt als typisches Krankheitsbild von Männern. Es sind etwa doppelt so viele Männer wie Frauen betroffen. Doch weibliche Patienten haben offenbar weniger gute Aussichten: Viele Studien belegen, dass Frauen bei ambulant auftretenden Herzinfarkten ein schlechteres Outcome haben als Männer.
In der Gender-Vasc-Studie aus dem Jahr 2021 berichten die Autoren, dass Frauen mit einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI) deutlich häufiger noch im Krankenhaus sterben. Während in der männlichen Patientengruppe 9,6 Prozent verstarben, waren es bei den Frauen 15 Prozent. Neben den Frauen haben auch Patienten, die einen STEMI im Krankenhaus erleiden, eine schlechte Prognose. Die Arbeitsgruppe um Julia Stehli geht nun in ihrer Studie der Fragestellung nach, ob es bei im Krankenhaus auftretenden ST-Hebungsinfarkten zu Geschlechterunterschieden in der Versorgung und im Behandlungsergebnis kommt.
Es wurden alle Patienten in die Studie eingeschlossen, die sich zwischen 2013 und 2018 mit STEMI einer perkutanen Koronarintervention (PCI) unterzogen und prospektiv in das Victorian Cardiac Outcomes Registry (VCOR) aufgenommen wurden. Bei VCOR handelt es sich um ein klinisches Qualitätsregister zur Überwachung der Leistung und der Ergebnisse von PCIs in Victoria. Die Daten der Patienten mit einem STEMI im Krankenhaus wurden auf Geschlechterunterschiede untersucht und mit Patienten verglichen, die einen Herzinfarkt außerhalb des Krankenhauses erlitten.
Insgesamt erlitten von 2013–2018 11.562 Patienten einen STEMI in Victoria. Von diesen trat bei 494 Patienten der STEMI im Krankenhaus (158 Frauen/336 Männer) und bei 6.999 außerhalb des Krankenhauses auf – 4.069 Patienten wurden von der Studie ausgeschlossen. Der Ausschluss erfolgte zum Beispiel, wenn Patienten einen STEMI in einem Krankenhaus ohne Herzkatheterlabor hatten und ein Transport in ein anderes Krankenhaus notwendig wurde.
Die Frauen mit einem STEMI im Krankenhaus waren signifikant älter (69,5 vs. 65,9 Jahre, p = 0,003) als die Männer – aber es gab keine Unterschiede in den Komorbiditäten und der Behandlung mit Antikoagulantien. Weibliche und männliche stationäre STEMI-Patienten hatten ähnliche Raten von Stentthrombose (17,1 % vs. 16,4 %). Weibliche STEMI‐Patienten im Krankenhaus erhielten mit signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit Statine (p = 0,030) und P2Y12-Inhibitoren (p = 0,040).
Weibliche Patienten hatten signifikant längere Zeiten vom Symptombeginn bis zur Stent-Platzierung (unbereinigt 119,4 vs.105,2 min, p < 0,001 und adjustiert 104,6 vs. 94,3 min, p < 0,001). Nur 27 % der weiblichen Krankenhaus-STEMI-Patienten erreichten im Vergleich mit 32 % der männlichen Patienten eine Zeit < 70 Minuten von Symptombeginn bis zur Stent-Platzierung. Weibliche Patienten mit STEMI im Krankenhaus hatten sowohl nach 12 Monaten (Gesamtmortalität: 27,1 % vs. 20,3 %, p = 0,92) als auch nach 30 Tagen (Gesamtmortalität: 13,9 % vs. 11,9 %, p = 0,43) ein schlechteres Outcome im Vergleich zu den männlichen Patienten. Allerdings waren die Ergebnisse nicht statistisch signifikant.
Interessanterweise machten Frauen einen größeren Anteil (31,9 % vs. 19,9 %) der Patienten mit innerklinischem STEMI im Vergleich zum STEMI außerhalb des Krankenhauses aus.
Die Datenlage zu Geschlechtsunterschieden bei Patienten mit einem STEMI im Krankenhaus ist rar. Die wichtigsten Ergebnisse der aktuellen Studie: Frauen mit stationärem STEMI hatten eine signifikant längere adjustierte Ischämiezeit im Vergleich zu Männern und erhielten weniger Ticagrelor und Statine. Es gab keine signifikante Wechselwirkung zwischen Geschlecht und Symptombeginn im Krankenhaus hinsichtlich der 12-Monats- und 30-Tages-Mortalität.
Als Ursache für die längere Ischämiezeit bei Frauen mit einem STEMI im Krankenhaus postulieren die Autoren, dass Herzinfarktsymptome bei weiblichen Patienten oft unspezifisch sind. Für die schlechtere Versorgung der Frauen mit Ticagrelor sehen die Autoren ein höheres Blutungsrisiko. Dieses konnte in früheren Studien belegt werden. Eine Limitation der Studie ist, dass nicht berücksichtigt wird, mit welcher Grunderkrankung die Patienten im Krankenhaus behandelt wurden und welchen Effekt dies auf die Mortalität hat.
Das stationäre Outcome bei Frauen mit STEMI scheint im Trend schlechter, wenn auch nicht signifikant. Allerdings kommt es bei ihnen auch zu längeren zeitlichen Verzögerung vom Beginn der Symptome bis zur Reperfusion als bei Männern (durchschnittlich 10 Minuten). Warum weibliche Patienten mit signifikant weniger Statinen und Clopidogrel behandelt werden, ist auf jeden Fall zu diskutieren.
Bildquelle: Tim Mossholder, unsplash