Warum zur Hölle müssen wir Hausärzte eigentlich noch jeden Tag PCR-Tests stemmen? Bei uns stehen die Patienten schon bis ins Treppenhaus – die Lockerungen werden die Situation noch verschärfen.
Ein üblicher Praxisvormittag geht zu Ende, 24 PCR-Tests haben wir gemacht und genau so viele Patienten mit leichten bis mittleren Erkältungssymptomen gesehen. (Unsere Klientel ist so gut wie durchgeimpft; nur ein oder zweimal die Woche taucht jemand ohne Covid-Schutz mit Symptomen auf). Keiner ist ernsthaft krank, aber alle wollen und brauchen einen PCR-Test.
Längst sind wir am Ende unserer Kraft und zusehends genervt. Wenn Geimpfte nur lästige Symptome bekommen, aber nur seltenst in der Klinik landen: Warum brauchen die dann noch einen PCR-Test? Warum können sie nicht einfach zu Hause bleiben und sich auskurieren, mit einer telefonischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung versorgt? Weil sie dann keinen Nachweis haben, dass sie tatsächlich COVID-19 überstanden haben, und somit auch kein Genesenen-Zertifikat.
Also wird aus rein politischen Gründen unsere Praxis mit hoch infektiösen Patienten geflutet. Dann müssen wir und unsere Mitarbeiter uns immer wieder in Vollschutz kleiden und Abstriche machen. Wir müssen sehen, wo wir die Leute warten lassen, die trotz Terminierung nicht zum perfekten Zeitpunkt auftauchen. Derzeit stehen sie im Treppenhaus – was schon zu Ärger bei der Frauenarztpraxis über uns geführt hat, die zu Recht ihre Schwangeren nicht in der Nähe „unserer“ Infizierten sehen will. Manche können im Auto warten, aber viele haben keines oder wurden nur eben schnell gebracht. Soll ich ein Zelt auf dem Parkplatz errichten?
Mit Grauen blicke ich auf die aktuellen Lockerungen, wobei ich durchaus der Meinung bin, dass diese gerechtfertigt sein könnten. Schließlich waren unsere Grippekranken in stärkerem Maße von schweren Verläufen gequält, als es die C19-Geimpften jetzt durch Covid sind. Auch die Zahl an Krankenhauseinweisungen wegen Grippekomplikationen lag im Vergleich deutlich höher, aber keiner kam auf die Idee, deswegen alles zu beschränken und abzusperren. Aber WENN man Lockerungen plant – aus welchen Gründen auch immer – dann muss man auch die niedergelassenen Ärzte entlasten! Die Zahl der Infektionen wird zunächst noch einmal deutlich ansteigen, und es ist mir völlig unklar, warum wir dann noch dauernd Abstriche machen und wie wir den Ansturm bewältigen sollen!
Ich habe hohen Respekt vor dem, was in den Kliniken – vor allem auf den Intensivstationen – geleistet wird. Aber ich habe auch null Verständnis dafür, dass die Hausärzteschaft sich außerhalb des Schirms unseres Gesundheitsministeriums bewegt. Wir behandeln über 90 % der Covid-Infizierten. Wir rödeln am Rande unserer Kraft, um so „ganz nebenbei“ noch unseren anderen Patienten gerecht zu werden, aber das interessiert offensichtlich keinen! Lockern wir doch mal die Regeln, gibt halt ein paar mehr Covid-Kranke in den Praxen, und was die mit ihrer Hauptklientel, den chronisch Kranken und psychisch Belasteten machen, ist uns doch egal.
Einen ministeriellen Bonus mussten sich unsere MfA, die auf ihre deutlich erhöhte Belastung auch noch die Terminierung von vier Covid-Impfungen draufsatteln mussten, schon sehr schnell abschminken – auch sie laufen anscheinend unterm Radar. Ja, sie haben von uns einen Bonus bekommen, aber ganz ehrlich: Da nicht budgetierte Leistungen wie Vorsorge und DMPs, aber auch technische Leistungen wie Ultraschall und Ergometrie, deutlich weniger wurden, hat uns die Pandemie eher Einbußen gebracht.
Wir hatten das große Glück, dass wir „unsere“ Covid-Infektionen hintereinander abgewettert haben und nicht mehrere Leute gleichzeitig krank geworden sind. Wäre das passiert, hätten wir schließen müssen und die Nachbarpraxen (die übrigens auch nicht Däumchen drehen) hätten noch mehr Arbeit gehabt. Wer weiß, vielleicht kommt das noch. Nun war ja der Freedom Day, und jetzt werden die Infektionen auch unser durchgeimpftes Team nicht verschonen.
Ich kann nur hoffen, dass unsere Regierung auch einen „Testfreedom-Plan“ hat. 35 % der Hausärzte sind Ü60, und viele arbeiten trotz Rente noch weiter, weil es bisher Freude gemacht hat. Der Zwang zur Telematik hat jetzt einige aufgeben lassen, und wenn der Rest sich jetzt auch noch verheizt fühlt, hängen wieder welche den Kittel an die Wand. Besser, man sieht das jetzt, als man sieht uns gar nicht mehr!
Bildquelle: Hal Gatewood, unsplash