Studien zeigen: Patienten, die eine Corona-Infektion überstanden haben, sind deutlich anfälliger für eine chronische Nierenerkrankung. Wozu Ärzte ehemaligen COVID-19-Patienten raten sollten.
Die Folgen einer COVID-19-Erkrankung sind vielfältig und weitreichend. „Zu wenig Beachtung hat bislang die Niere in diesem Kontext erhalten“, betont Prof. Julia Weinmann-Menke von der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN).
Denn bereits eine Autopsiestudie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zu Beginn der Pandemie zeigte, dass bei den an COVID-19 Verstorbenen das Nierengewebe geschädigt war. Und eine Studie aus Aachen, die Ende 2021 publiziert wurde, wies nach: SARS-CoV-2 infiziert Nierenzellen und dieser Prozess ist mit einer tubulointerstitiellen Nierenfibrose, also einer Vernarbung des Nierengewebes, assoziiert. Was bedeutet das konkret für Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren?
Um das zu beantworten, untersuchte eine Studie die Nierenfunktion von 89.216 US-Veteranen 30 Tage nach akuter COVID-19-Erkrankung sowie von 1.637.467 Kontrollpersonen, die keine SARS-COV-2-Infektion durchgemacht hatten. Und fand so heraus, wie stark die Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden. Das Risiko, nach COVID-19 einen Nierenfunktionsabfall von mehr als 50 Prozent zu erleben, ist um das 1,6-Fache erhöht gewesen, das Risiko, ein „Komplettversagen“ der Nieren zu erleiden und auf eine Transplantation oder chronische Dialysebehandlung angewiesen zu sein, sogar fast um das Dreifache. Die Studie zeigte außerdem: Je schwerer die COVID-19-Akuterkrankung war, desto höher das Risiko für eine eingeschränkte Nierenfunktion in der Folge.
Ein schweres „Nieren-Event“ (in der Studie definiert als eine Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR) um mehr als 50 Prozent, Erreichen der Dialysepflichtigkeit oder Tod) erlitten sechs Monate nach Akuterkrankung 2 von 1.000 Betroffenen, deren COVID-Erkrankung nicht im Krankenhaus behandelt werden musste, fast 32 von 1.000 Betroffenen, die wegen COVID-19 hospitalisiert worden waren, und 80 von 1.000, die auf der Intensivstation aufgenommen worden waren.
Die Hamburg City Health Study zeigte darüber hinaus, dass die GFR auch bei Menschen, die eine COVID-19-Erkrankung durchgemacht hatten, aber deswegen nicht im Krankenhaus behandelt werden mussten, geringer war als in der Kontrollgruppe, die sich nicht mit SARS-CoV-2 infiziert hatte. Insofern können die Nieren auch von weniger schwer verlaufenden COVID-19-Erkrankungen in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn auch nicht so weitreichend wie nach einem schweren, intensivpflichtigen Krankheitsverlauf.
Laut DIVI-Register wurden in Deutschland insgesamt 169.000 Menschen wegen COVID auf der Intensivstation behandelt (Stand Mitte Februar 2022). Diese Zahl enthält auch jene Patienten, die an der Erkrankung gestorben sind (ca. 30 bis 50 Prozent). „Insbesondere von denen, die eine intensivpflichtige COVID-19-Erkrankung überstanden haben, wird ein Teil eine deutliche Nierenfunktionseinschränkung davontragen, aber es unter Umständen eine Zeit lang gar nicht bemerken“, erklärt Weinmann-Menke.
Beispiel: Hat ein Mensch eine GFR von 80 ml/min/1,73 m2, die dann durch eine COVID-19-Erkrankung um 50 Prozent oder auch nur 30 Prozent zurückgeht, führt das meistens noch nicht zu Symptomen. Die stellen sich oft erst ein, wenn die GFR unter 30 oder 20 ml/min/1,75 m2 fällt. „Genau das ist die Crux an einer chronischen Nierenkrankheit, dass sie zunächst ‚stumm‘ verläuft, aber die Nierenfunktion ohne Behandlung in Folge immer weiter sinkt“, betont Weinmann-Menke.
Wenn Betroffene nach COVID-19 also einen Teil der Nierenfunktion eingebüßt haben, wäre es wichtig, diese Menschen zu diesem Zeitpunkt zu diagnostizieren und einer Behandlung zuzuführen, um den Krankheitsverlauf einzudämmen. „Es liegt uns sehr am Herzen, dass ehemalige COVID-19-Patientinnen und -Patienten um ihr erhöhtes ‚Nierenrisiko‘ wissen und – wie Menschen mit Bluthochdruck oder Diabetes mellitus – vom Hausarzt jährlich die Nierenwerte überprüfen lassen, um nicht das Zeitfenster für eine frühzeitige Therapie zu verpassen“, ergänzt Weinmann-Menke.
Denn im Hinblick auf die Behandlung habe sich in den vergangenen Jahren vieles getan. Es konnte z. B. gezeigt werden, dass bestimmte Diabetes-Medikamente den Nierenfunktionsverlust und die Dialysepflichtigkeit effektiv aufhalten können – auch bei Menschen, die gar kein Diabetes haben. Doch die Medikamente können nach jetziger Zulassung nur bei Patienten mit einer GFR von über 25 ml/min/1,75 m2 neu angesetzt werden. So ist es wichtig, dass Betroffene nicht erst in der nephrologischen Sprechstunde vorstellig werden, wenn die Nierenfunktion bereits unter diesen Wert gefallen ist: „Es geht uns nicht darum, Ängste zu schüren, sondern Menschen für eine COVID-19-Folgekomplikation zu sensibilisieren, die in den meisten Fällen gut behandelbar ist, wenn sie rechtzeitig erkannt wird“, bekräftigt Weinmann-Menke.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN).
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