Ein 62-jähriger Mann kommt nach einem Sturz in die Notaufnahme. Doch der Sturz ist nicht sein einziges Problem: Seit längerem leidet er an nächtlichen Schweißausbrüchen, Mundgeschwüren und Abgeschlagenheit. Insgesamt hat er 10% Körpergewicht innerhalb von sechs Monaten verloren. Ein Zustand, der bei den Ärzten sämtliche Alarmglocken schrillen lässt.
Ein 62-jähriger Mann stellt sich nach einem Sturz in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Australien vor. Er beklagt nächtliche Schweißausbrüche, Mundgeschwüre sowie einen Gewichtsverlust von 10 % innerhalb von sechs Monaten. Zudem fühlt er sich seit etwa 6 Wochen abgeschlagen. In seiner medizinischen Vorgeschichte sind rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus Typ 2 und Bluthochdruck bekannt. Zudem hatte er schon einmal eine transitorische ischämische Attacke und ein exzidiertes Plattenepithelkarzinom der Haut. Er ist ehemaliger Raucher mit etwa 20 pack years. Für die rheumatoide Arthritis nimmt er verschiedene Medikamente ein, dies jedoch seit 18 Monaten unverändert.
Erste Laboruntersuchungen ergeben eine makrozytäre Anämie, Leukopenie sowie eine gestörte Leber- und Nierenfunktion. Merkwürdigerweise sind jedoch weder das C-reaktive Protein (CRP) noch die Laktatdehydrogenase (LDH) erhöht. Zur weiteren Abklärung lassen die Ärzte eine Ganzkörper-CT durchführen. Doch auch diese liefert keinerlei Hinweis auf die Ursache der Beschwerden. Könnte es vielleicht doch an seiner Medikation liegen? Der 62-jährige nimmt Methotrexat ein, welches die Ärzte - da sie hier eine Toxizität vermuten - vorerst absetzen und ihn mit Calciumfolinat behandeln. Anschließend ist im Serum kein Methotrexat mehr nachweisbar.
Doch in den folgenden drei Tagen entwickelt der Mann eine Thrombozytopenie und eine fortschreitende Anämie, sodass sogar eine Erythrozytentransfusion nötig wird. Doch damit nicht genug - zusätzlich entwickelt er Fieber mit trockenem Husten. Die Ärzte beginnen daher eine kalkulierte Antibiose für eine Sepsis unbekannter Ursache mit intravenösem Ceftriaxon und Flucloxacillin. Röntgenaufnahmen des Thorax sehen zu diesem Zeitpunkt allerdings unauffällig aus. Doch die absolute Neutrophilenzahl sinkt weiter. Die Ärzte verabreichen nun daher eine Einzeldosis Filgrastim 300 µg. Dabei handelt es sich im einen Granulozyten-Kolonien stimulierenden Faktor (G-CSF).
Doch auch darunter ergibt sich keine Besserung. Im Gegenteil - am folgenden Tag verschlechtert sich der Zustand des Mannes akut mit anhaltendem Fieber und fortschreitender Beeinträchtigung der Atmung, die eine Sauerstoffzufuhr erforderlich macht. Eine arterielle BGA zeigt eine Hypoxämie und auskultatorisch sind diffuse, grobe Knistergeräusche hörbar. Doch woher kommen diese? Die Ärzte fordern erneut CT-Aufnahmen des Thorax an. Darauf entdecken sie nun beidseits alveoläre Infiltrate, weshalb sie eine Schocklunge (ARDS) diagnostizieren.
Doch wie ist es dazu gekommen? Sämtlich Abstriche auf SARS-CoV-2 und andere häufige Atemwegsviren sind negativ. Wiederholte Blutuntersuchungen zeigen nun eine Akute-Phase-Reaktion, sowie eine Verdopplung der absoluten Neutrophilenzahl und eine Linksverschiebung mit zirkulierenden myeloischen Zellen und einer Population großer unreifer Zellen, wobei es sich vermutlich um Blasten handelt (4% der kernhaltigen Zellen).
In den folgenden Tagen bleibt der Zustand des Mannes kritisch, und auch die laborchemischen Parameter verschlechtern sich weiter. Um eine hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) und ein mögliches zugrundeliegendes hämatologisches Malignom auszuschließen, führen die Ärzte eine Knochenmarkaspiration durch. Dabei wird eine Hypozellularität mit linksverschobener Granulopoese deutlich, ein Überschuss an Blasten ist jedoch nicht erkennbar, und es gibt keine morphologischen Hinweise auf Hämophagozytose.
Angesichts der Immunsuppression und der fortschreitenden Ateminsuffizienz des Mannes, entscheiden sich die Ärzte nun, das Sputum des genauer unter die Lupe zu nehmen. Könnte sich darin der entscheidende Hinweis finden? Tatsächlich gelingt mittels PCR der Nachweis von P. jirovecii, sodass die Ärzte endlich eine Diagnose stellen können: Der 62-Jährige hat eine P. jirovecii-Pneumonie und ein ARDS, wobei letzteres durch die Verabreichung von G-CSF und die daraus resultierende Entzündungsreaktion verschlimmert wurde oder möglicherweise sogar eine direkte Folge davon war. Die Ärzte stellen die Antibiose auf Trimethoprim/Sulfamethoxazol um, worunter sich in den folgenden 4 Wochen endlich eine deutliche Besserung ergibt.
Text- und Bildquelle: Doig et al. / BMJ Case Reports
Bildquelle: Christina Victoria Craft / Unsplash