Bei der Bekämpfung von Bakterien lösen die Eiweiße TLR2 und TLR6 eine Kettenreaktion aus, welche dazu führt, dass Makrophagen vermehrt Eisen einlagern. Der bisher unbekannte Signalweg des Immunsystems könnte die Therapie der Anämie bei chronischen Infektionen verbessern.
Chronische Infektionen, wie sie häufig bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem auftreten, führen indirekt auch zu einem Mangel an rotem Blutfarbstoff. Die Betroffenen leiden unter Anämie. Nun haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) an Mäusen einen Signalweg entdeckt, der bei der Entstehung der Blutarmut eine wichtige Rolle spielt. Wird dieser Mechanismus in bestimmten Zellen des Immunsystems aktiviert, speichern sie ab sofort alles Eisen, das sie aufnehmen. Was zunächst dazu dient, die Krankheitserreger auszuhungern, schadet schließlich auch dem eigenen Körper. Das Eisen steht nämlich auch nicht mehr für die Bildung des roten Blutfarbstoffes zur Verfügung. Das Wissen um diesen bisher unbekannten Signalweg soll nun dazu beitragen, die Behandlung der Blutarmut bei chronischen Erkrankungen zu verbessern.
Bei der Bekämpfung von Bakterien setzt der Körper nicht nur auf den direkten Angriff durch Abwehrzellen. Gleichzeitig entzieht er den Eindringlingen einen lebenswichtigen Stoff: Eisen. Bei Säugetieren übernehmen diesen Job beispielsweise Makrophagen. Sie phagozytieren beschädigte rote Blutkörperchen und verdauen sie. Unter normalen Umständen geben sie das im Blutfarbstoff enthaltene Eisen zum Recycling wieder ins Blut ab. Bei einer Infektion halten sie das Eisen – sicher vor den Krankheitserregern – in ihrem Inneren zurück. Dazu reduzieren sie die Menge des Proteins Ferroportin, das Eisen aus dem Zellinnern nach außen transportiert. Bei der Frage nach dem Regulator für diesen Schutzmechanismus tippten Wissenschaftler bisher allein auf das Hormon Hepcidin. Es bindet an Ferroportin, sorgt für seinen Abbau und senkt so die Menge des verfügbaren Eisens im Körper. Der Signalweg, den Claudia Guida, Doktorandin in der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Martina Muckenthaler, Universitätsklinikum Heidelberg, und Prof. Dr. Matthias Henze, EMBL, nun entdeckte, funktioniert allerdings völlig unabhängig von Hepcidin. Stattdessen spielen darin zwei Bakterien-Detektoren des Immunsystems, die Eiweiße TLR2 und TLR6, eine Schlüsselrolle. Sie setzen ebenfalls eine Kettenreaktion in Gang, die zum Abbau von Ferroportin führt. Wie diese Kettenreaktion im Detail abläuft, untersucht das Team gerade näher.
„Bisher stand bei der Suche nach neuen Therapien zur Behandlung der Anämie bei chronischen Erkrankungen hauptsächlich Hepcidin im Fokus, dabei ist der Hepcidin-Spiegel gar nicht bei allen Patienten erhöht“, so Hentze. „Unsere Ergebnisse liefern erstmals einen alternativen Ansatz.“ „Wir wissen noch nicht, warum derselbe Schutzmechanismus, die Eiseneinlagerung in den Makrophagen, über zwei verschiedene Wege eingeleitet wird“, sagt Muckenthaler. Es könne sich um eine zusätzliche Absicherung oder um Antworten auf jeweils unterschiedliche Krankheitserreger handeln. Oder der neu entdeckte Weg leite eine sofortige Reaktion am Ort des Bakterienkontaktes ein, während der Hepcidin-Signalweg erst später einsetze und im gesamten Körper wirke. „Wenn wir die Zusammenhänge besser verstehen, können wir gezielt eingreifen“, so die Molekularmedizinerin. Originalpublikation: A novel inflammatory pathway mediating rapid hepcidin-independent hypoferremia Claudia Guida et al.; Blood, doi: 10.1182/blood-2014-08-595256; 2015