Die Diabetes-Therapie der Zukunft setzt nicht allein auf eine Senkung des Blutzuckerspiegels. Die Kombi aus SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Rezeptoragonisten soll auch das metabolische Syndrom besser in den Griff kriegen.
SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Rezeptoragonisten sagen Langzeitschäden und Sterblichkeit bei Typ-2-Diabetes-Erkrankungen den Kampf an. Die beiden Substanzgruppen sind die zentralen Elemente einer neuen „multifaktoriellen Therapie“, in der neben Diabetes mellitus auch gleichzeitig die Begleiterkrankungen Adipositas, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung ins Visier genommen werden. Die Ergebnisse klinischer Studien und die Wirksamkeit der beiden Medikamente im Verbund stellte Prof. Jochen Seufert, Leiter der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg, im Rahmen des 65. Deutschen Kongress für Endokrinologie vor.
Mehr als jeder Zehnte in Deutschland leidet an Typ-2-Diabetes – Tendenz steigend. Entsprechend hoch ist auch die Zahl derer, die an den Begleiterscheinungen leiden und bei denen Diabetes im Rahmen des metabolischen Syndroms auftritt. Grade diese Kombination ist es auch, die ein besonderes Risiko für kardiovaskuläre und mikrovaskuläre Komplikationen mit sich bringt und damit letztlich eine erhöhte Sterblichkeit begünstigt.
Dass es aber gar nicht so weit kommen muss, sondern bereits die Verhinderung von Langzeitschäden wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Durchblutungsstörungen, Niereninsuffizienz, Erblindung, Nervenschädigungen und das diabetische Fußsyndrom verhindert werden können, ist das ausgegebene therapeutische Ziel des neuen Ansatzes.
SGLT2-Inhibitoren sind Antidiabetika zur oralen Einnahme. Zu ihnen gehören beispielsweise Dapagliflozin, Empagliflozin, Canagliflozin, Sotagliflozin und Ertugliflozin. Ihr Job ist es, den insulinabhängigen Natrium-/Glukose-Cotransporter SGLT-2 an der Niere zu hemmen. Das führt zu einer vermehrten Ausscheidung von Glukose – ohne die Gefahr einer Unterzuckerung. Schlussendlich wird so der Blutzuckerspiegel schonend gesenkt, auf lange Sicht geht die Adipositas zurück und der Blutdruck fällt.
Daneben wird für den neuen Therapieansatz die Medikamentengruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten ins Feld geführt. Vertreter mit erfolgreichen Langzeitstudien sind unter anderem Exenatid, Lixisenatid, Liraglutid, Semaglutid, Dulaglutid, Albiglutid und Efpeglenatid. Indem diese die Wirkung des Peptidhormons und Inkretin Glukagon-like Peptid 1 (GLP-1) imitieren, helfen sie dabei, Übergewicht zu reduzieren und haben gleichzeitig einen positiven Effekt auf Blutzucker und Blutdruck.
„Der Blutzucker-senkende Effekt ist hierbei durchaus mit Insulin zu vergleichen. Entsprechend empfehlen die nationalen und internationalen Leitlinien, GLP-1 Rezeptoragonisten vor dem Einsatz von Insulin zu erwägen“, ergänzt Seufert.
Klassisch für die Diabetes-Behandlung ist die Fokussierung auf den HbA1c-Wert als Zielparameter. Der langfristige durchschnittliche Zuckergehalt im Blut ist zwar weiterhin eine wichtige Konstante – rückt aber gegenüber der neuen Behandlungsstrategie in den Hintergrund.
Auch was die Dauer der Therapie betrifft, ändert sich nicht viel an den Behandlungsgrundlagen. „Trotz des neuen Fokus sprechen wir von einer Lebenszeittherapie. Formal ist der Typ-2-Diabetes eine nicht heilbare Erkrankung. Wir müssen also zu jedem Lebenszeitpunkt die Therapie individuell an die Umstände des Patienten und an die Schwere der Erkrankung anpassen – was aber mit den unterschiedlichen medikamentösen Therapieoptionen exzellent gelingt“, so Seufert.
… ist noch nicht bekannt. Für beide Medikamentengruppen existieren teils zehnjährige Studien – mit durchweg erfolgsversprechenden Ergebnissen. Und auch mit Blick auf die klinische Erfahrung können die Mediziner Positives berichten. „Wir können die Menschen mit Langzeittherapien beruhigen, dass auch über längere Zeiträume hinweg keine neuen Nebenwirkungen auftreten“, berichtet Seufert.
Obwohl Nebenwirkungen bekannt sind – wie mykotische Genitalinfektionen als Reaktion auf die SGLT2-Inhibitoren – sind diese behandelbar ohne die Therapie abzusetzen. Ähnlich verhält es sich bei den GLP-1-Rezeptoragonisten, deren Nebenwirkungen Übelkeit und Erbrechen sind. Zum einen gingen diese Nebenwirkungen schnell wieder weg – zum anderen lassen sie sich durch eine Reduktion der Dosis einfach im Griff behalten.
Ganz im Gegenteil lassen sich die Medikamente auch teilweise für „gesunde“ Menschen zur Gewichtskontrolle nutzen. Insbesondere die GLP-1-Rezeptoragonisten seien hier als „Lifestyle-Medikament“ einsetzbar. Allerdings werden diese nur mit Begleiterkrankungen von den Kassen übernommen. Nicht nur, dass die neue Therapieform also ausgesprochen erfolgversprechend ist, es bleibt also auch noch Raum für weitere Anwendungsfelder.
Bildquelle: Magdalena Kula Manchee, Unsplash