Nach zwei Jahrzehnten Stillstand wird kräftig umgekrempelt: SGLT2-Hemmer nehmen Kurs auf die ambulante Versorgung. Erstmals gibt es Optionen für Patienten mit HFpEF.
In Deutschland leiden ca. 5 % der erwachsenen Bevölkerung an einer chronischen Herzinsuffizienz. Aufgrund der verbesserten Überlebenschancen nach akuten Myokardinfarkten, Herzklappenvitien, Kardiomyopathien und sekundären Myokarderkrankungen wird die Zahl der Herzschwächeerkrankten in Zukunft vermutlich weiter ansteigen. Mit Fortschreiten der Erkrankung kann es zu Dekompensationen der Herzinsuffizienz kommen, die in der Regel mit einer erhöhten Rate an Hospitalisationen verbunden sind. Eine suffiziente Therapie der Herzschwäche ist notwendig, um Dekompensationen vorzubeugen und einen Progress der Erkrankung zu verhindern. Nach einer langen Zeit des Stillstands wurde im August 2021 die ESC-Leitlinie für Herzinsuffizienz erneuert.
Beim Therapiealgorithmus für die Herzinsuffizienz mit einer reduzierten Pumpfunktion (HFrEF) hat sich einiges geändert: Die Leitlinien von 2021 weichen vom konventionellen Stufenschema ab und wurden etwas vereinfacht.
Keine Veränderung gab es hingegen bei der Empfehlung, einen ACE-Inhibitor bei geeigneten Patienten – die während dieser Behandlung weiterhin unter Symptomen leiden – durch einen ARNI zu ersetzen (I-B-Empfehlung). Allerdings kann eine First-Line-Behandlung mit einem ARNI statt ACE-Inhibitor erwogen werden.
Neu in der ESC-Leitlinie ist die Klasse-I-A-Empfehlung für die SGLT2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin. Grund für die Aufnahme in die Leitlinie sind die Studienergebnisse von EMPEROR-Reduced und DAPA-HF: Demnach konnten die beiden SGLT2-Hemmer signifikant herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen und Tode reduzieren. Laut der Autoren sollen alle Patienten mit einer reduzierten Pumpfunktion, deren Medikation bereits einen ACEi/ARNI, Betablocker und MRA beinhaltet, mit diesen Substanzen behandelt werden, wenn sie nicht kontraindiziert sind – unabhängig davon, ob die Patienten an Diabetes mellitus leiden oder nicht.
Die Angiotensinrezeptorblocker haben dagegen an Bedeutung verloren: Sie sind aus der Standardtherapie verschwunden und werden ab sofort nur dann empfohlen, wenn ACEi oder ARNI nicht vertragen werden (I-B-Empfehlung).
An der Kategorisierung einer Herzinsuffizienz hat sich im Prinzip nichts geändert: Sie wird weiterhin anhand der linksventrikulären Auswurfleistung festgelegt. Neu ist allerdings, dass die Abkürzung HFmrEF nicht mehr für „heart failure with mid-range ejection fraction“ steht, sondern für „heart failure with mildly reduced ejection fraction“. Bei einer Ejektionsfraktion ≤ 40 % liegt eine HFrEF vor, zwischen 41 % bis 49 % eine HFmrEF und bei ≥ 50 % eine HFpEF. Die Therapieempfehlungen für die Patienten mit HFmrEF unterscheiden sich kaum von denen für die HFrEF – mit der Ausnahme, dass SGLT2-Inhibitoren gar nicht und alle anderen Wirkstoffe, neben den Diuretika, nur mit einer Klasse-IIb-C-Empfehlung aufgeführt sind.
Was die Therapieempfehlungen der HFpEF betrifft, gibt es seit dem letzten Update der Leitlinie im Jahr 2016 keine Änderungen. Es wird aufgrund mangelnder Evidenz kein Medikament zur Prognoseverbesserung empfohlen. Der Erfolg der SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienzpatienten mit erhaltener Pumpfunktion wurde in der Leitlinie von 2021 noch nicht erfasst. Ob sich dies in der nächsten Fassung der Leitlinie ändern wird, bleibt abzuwarten. Allerdings haben die Autoren eine Änderung im Diagnose-Algorithmus der HFpEF vorgenommen. Er wurde vereinfacht und besteht aus drei wesentlichen Kriterien: Symptome und Anzeichen einer Herzinsuffizienz (LVEF ≥ 50 %), objektive Evidenz für strukturelle und/oder funktionelle kardiale Auffälligkeiten – übereinstimmend mit einer linksventrikulären diastolischen Dysfunktion – und erhöhter LV-Füllungsdruck, einschließlich erhöhter natriuetischer Peptide.
Zum ersten Mal empfehlen die Leitlinien für Herzinsuffizienzpatienten eine regelmäßige Kontrolle auf das Vorliegen eines möglichen Eisenmangels und einer Anämie. Hierbei handelt es sich um eine Klasse-I-C-Empfehlung. Eine detaillierte Berichterstattung zu den Auswirkungen von Eisenmangel auf Herzinsuffizienz findet ihr hier.
Auch die therapeutischen Konsequenzen haben sich geändert: Bei einem Serum-Ferritin < 100 ng/ml oder 100–299 ng/ml mit Transferrinsättigung < 20% wird eine i. v. Eisencarboxymaltose-Gabe für symptomatische Patienten (LVEF < 50 %) mit erst kürzlich zurückliegender herzinsuffizienzbedingter Klinikeinweisung empfohlen, um das Risiko für weitere Hospitalisierungen zu senken (IIa-B).
Fortschritte in Forschung, Behandlung und Diagnose der letzten Jahre wurden nun mit in die Leitlinie aufgenommen – dennoch ist Luft nach oben. Laut Autoren haben jüngste klinische Studien starke Beweise für neue Behandlungsoptionen geliefert; so könne die Behandlung von Herzinsuffizienz in den nächsten Jahren noch große Veränderungen erfahren.
Dennoch sei die Evidenzlage nicht ausreichend genug. Gefordert wird mehr Forschung zur Epidemiologie, Kategorisierung, Diagnose, Pharmakotherapie, Devices und generellem Krankheitsmanagement. „Neue Entdeckungen stellen jedoch neue Herausforderungen dar und viele Bereiche mit Mangel an Beweisen bleiben bestehen“, heißt es. Es klingt also so, als wurde die ESC-Leitlinie nicht zum letzten Mal aktualisiert.
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