Nicht nur Augen und Füße – auch die Knochen von Diabetes-Patienten müssen Ärzte im Blick behalten. Welche Antidiabetika für den Knochenjob am besten geeignet sind, lest ihr hier.
Auf Augen und Füße müssen Diabetiker wegen Angiopathien besonders achten. Doch die Liste muss noch erweitert werden: um Knochen. Sowohl Diabetes als auch einige Antidiabetika können den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen.
Obwohl Patienten mit Typ-1-Diabetes (T1DM) aufgrund der niedrigen Knochenmineraldichte (BMD) ein höheres Risiko für Knochenbrüche haben, gibt es bei Typ-2-Diabetes-Patienten (T2DM) trotz normaler oder sogar hoher BMD eine erhöhte Inzidenz von Knochenbrüchen. Eine Insulintherapie bei T1DM-Patienten erhöht die Knochenmasse, möglicherweise durch direkte anabole Wirkungen von Insulin auf den Knochenstoffwechsel. Mehrere Faktoren können dazu führen, darunter Nierenversagen, Antidiabetika und eine erhöhte Prävalenz von Stürzen, auch aufgrund von Augenschäden.
Frühere Studien haben die biochemischen Marker für den Knochenumsatz bei T2DM-Patienten untersucht und berichten von niedrigeren Markern für die Knochenbildung bei diesen Patienten.
Eine weitere Möglichkeit für ein erhöhtes Frakturrisiko bei T2D ist eine abnormale Skelettdynamik. Unter Verwendung biochemischer Marker des Knochenumsatzes bei T2D wurde belegt, dass die Knochenbildung reduziert sein könnte. Auch hohe Nüchternglukosewerte können das Risiko von Hüftfrakturen erhöhen.
Bei beiden Arten von Diabetes besteht eine enge Korrelation zwischen Knochenbrüchigkeit und Frakturrisiko, unabhängig vom Status der Knochenmineraldichte. Patienten mit T2DM haben häufiger Hüft-, Arm- Fuß- und Knöchelfrakturen. Das Risiko von Hüftfrakturen ist bei T1DM-Patienten 7-mal höher als bei Nicht-Diabetikern. Darüber hinaus führen hyperglykämische Zustände eher zu einer adipogenen Differenzierung als zu einer Osteogenese sowie zu einem beeinträchtigten Wachstum und einer verstärkten Apoptose in Osteoblasten.
Die Daten einer Studie von Manavalan et al. deuten darauf hin, dass bei T2D nicht nur Veränderungen in der Anzahl zirkulierender osteogener Zellen vorliegen, sondern dass auch Unterschiede in der Funktion zirkulierender osteogener Zellen bestehen. Besonders tückisch ist, dass gerade Antidiabetika den Knochenstoffwechsel zusätzlich stören können. Hier ist jedoch eine differenzierte Sichtweise notwendig. Einige Substanzklassen vermindern sogar das Frakturrisiko.
Thiazolidindione sind eine Klasse von Antidiabetika wie Rosiglitazon und Troglitazon. Glitazone senken nachweislich das Risiko für Schlaganfall und Myokardinfarkt bei nichtdiabetischen Patienten mit cerebrovaskulären Erkrankungen. Sie entfalten ihre Wirkung durch Aktivierung des Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptors γ (PPAR γ). Trotz ihrer vorteilhaften Wirkungen bei der Sensibilisierung von Insulin und der glykämischen Kontrolle von Diabetes, haben Studien ein erhöhtes Frakturrisiko bei Patienten, insbesondere bei Frauen, festgestellt.
In einer Studie von Zhu et al. wurden 24.544 Teilnehmer mit 896 Frakturfällen aus 22 randomisierten kontrollierten Studien analysiert. Die Metaanalyse zeigt, dass eine signifikant erhöhte Frakturinzidenz bei Frauen, aber nicht bei Männern gefunden wurde. Bei Frauen war das Frakturrisiko bei der Behandlung mit Rosiglitazon und Pioglitazon ähnlich. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Glitazonbehandlung mit einem erhöhten Frakturrisiko bei Frauen verbunden ist, die Wirkungen von Rosiglitazon und Pioglitazon ähnlich sind, das Frakturrisiko unabhängig vom Alter ist und das Frakturrisiko keinen klaren Zusammenhang mit der Dauer der Exposition hat“, so die Autoren.
Laut Diabetesforum zeigen weitere randomisierte Studien auch bei Männern ein signifikant erhöhtes Frakturrisiko unter Therapie mit Thiazolidindionen. Zugrunde liege vermutlich eine vermehrte Differenzierung mesenchymaler Stammzellen zu Adipozyten mit zugleich verminderter Bildung von Osteoblasten. Eine Therapie mit Pioglitazon erscheint daher weder bei postmenopausalen Frauen noch Männern mit bekannter Osteoporose sinnvoll.
In einer Studie von Friscoli et al. betrafen Frakturen 8,8 % der mit Placebo behandelten Patienten innerhalb von 5 Jahren nach einem ischämischen Schlaganfall oder einer TIA. Pioglitazon erhöhte das absolute Frakturrisiko um 1,6 % bis 4,9 % und das relative Risiko um 47 % bis 60 %, je nach Frakturklassifikation. Allerdings erhöhte nur die Behandlung mit Pioglitazon die Spiegel der Knochenresorptionsmarker NTX und CTX signifikant, was darauf hindeutet, dass es die Knochenresorption bei T2DM-Patienten stimuliert.
Bei Pioglitazongabe korrelierten die Veränderungen des Nüchterninsulinspiegels signifikant mit einer erhöhten Knochenresorption, unabhängig von Alter und Geschlecht, so eine Studie von Mori et al.
Metformin als Mitglied der Biguanid-Antidiabetika ist ein weit verbreitetes orales Medikament zur Behandlung von T2DM. Obwohl es seit über 40 Jahren verwendet wird, ist sein Wirkungsmechanismus nicht vollständig geklärt. Der wichtigste bekannte antidiabetische Wirkungsmechanismus ist eine Blockade der mitochondrialen Atmungskette (Komplex I), die zu einer oxidativen Phosphorylierungstrennung und einem erhöhten AMP/ATP-Verhältnis führt. Dadurch führt ein erhöhtes Verhältnis von AMP/ATP zu einer Aktivierung der 5'-Adenosinmonophosphat-aktivierten Proteinkinase (AMPK) und Dutzende anderer Enzyme können durch AMPK reguliert werden.
AMPK ist ein Schlüsselregulator des Zellstoffwechsels und des Energiegleichgewichts. Der AMPK-Signalweg und seine stimulierenden Wirkungen auf Knochenbildung und -masse spielen eine wichtige Rolle in der Knochenphysiologie Die Förderung der Energieproduktion und der katabolischen Stoffwechselwege durch AMPK erzeugt Energie und ATP, um die normale Zellfunktion aufrechtzuerhalten; Metformin greift in diese Regelkreise ein.
Neuere Studien haben gezeigt, dass Metformin in vitro osteogen sein kann, nachdem es durch Aktivierung von AMPK zu einer Differenzierung von Osteoblastenzellen, einer Knochenmatrixsynthese und auch zu einer Proliferation von Osteoblasten führt. In Osteoklasten kann Metformin die RANKL-Signalgebung unterdrücken und die Osteoprotegrin-Expression durch Osteoblasten erhöhen, was zu einer verringerten Osteoklastenzahl und einer Verhinderung des Knochenabbaus führt.
Sulfonylharnstoffe, wie Glibenclamid, gehören zu den betagteren Antidiabetika, werden aber in Kombination oder Unverträglichkeit mit Metformin oder anderen eingesetzt. Insgesamt wurden 11 Studien mit 255.644 Personen in einer Metaanalyse von Zhang et al. eingeschlossen. Beim Vergleich von Sulfonylharnstoff-Anwendern mit Patienten, die keinen Sulfonylharnstoff eingenommen hatten, betrug das gepoolte Risikoverhältnis für die Entwicklung einer Fraktur 1,14. In Subgruppenanalysen betrug das gepoolte Risikoverhältnis für Knochenbrüche bei Patienten, die Sulfonylharnstoff im Vergleich zu Thiazolidindion, Metformin und Insulin erhielten, 1,25 .
Die Meta-Regression zeigte, dass Alter und Geschlecht nicht mit der Wirkung von Sulfonylharnstoff auf Frakturen in Zusammenhang standen. Die Anwendung von Sulfonylharnstoff war mit einem um 14 % erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Fraktur bei T2DM verbunden. Das durch Sulfonylharnstoff verursachte Frakturrisiko war ähnlich wie bei Thiazolidindion, höher als bei Metformin und niedriger als bei Insulin, so das Resümee der Autoren.
Laut Diabetesforum konnte in vitro eine Stimulation der Osteoblasten und eine Hemmung der Knochenresorption unter Einfluss von GLP-1 beobachtet werden. Das sei bedingt „durch teils direkte zelluläre Effekte, aber auch über indirekte Wirkung auf Hormone wie Calcitonin und Sclerostin“. Die Durchblutung des Knochens werde zudem durch GLP-1 verbessert. So ergebe sich insgesamt ein neutraler bis leicht positiver Effekt auf die Knochenstruktur sowie auf das Frakturrisiko. Allerdings werde die gemessene Knochendichte nicht signifikant beeinflusst.
Die Möglichkeit, dass GLP-1RAs die Blutversorgung der Knochen verbessern, ist spannend und deutet darauf hin, dass die GLP-1-Antidiabetika der steigenden Zahl älterer T2DM-Patienten mit Osteoporose und hohem Frakturrisiko zugutekommen.
SGLT2-Inhibitoren sind die neueste Klasse von oralen Medikamenten zur Behandlung von T2DM. Trotz der vorteilhaften Wirkungen von SGLT2-Inhibitoren auf kardiovaskuläre Ereignisse wurde in der CANVAS-Studie bei mit Canagliflozin behandelten Patienten ein erhöhtes Frakturrisiko beobachtet. Die genauen Mechanismen, durch die die SGLT2-Inhibitoren das Frakturrisiko erhöhen könnten, sind unklar. SGLT2 werden nicht im Knochen exprimiert. SGLT2-Inhibitoren könnten jedoch einen Einfluss auf die Homöostase von Phosphat und Kalzium haben, die für den Erhalt der Knochenstruktur unerlässlich sind. Dadurch wird die Aktivität des Natrium/Phosphat-Cotransporters, der sich an der Apikalmembran befindet, aufgrund des erhöhten elektrochemischen Natriumgradienten erhöht, was zu einer verstärkten Rückresorption von Phosphat im proximalen Schlauch führt.
Im Gegensatz zu den in CANVAS berichteten Ergebnissen beeinflusste Canagliflozin das Frakturrisiko in einer neueren, großen Studie bei Patienten mit diabetischer Nephropathie nicht. Empagliflozin und Dapagliflozin scheinen auch die Inzidenz von Frakturen nicht zu beeinflussen. Darüber hinaus gibt es keinen klaren pathogenetischen Mechanismus, durch den SGLT2-Inhibitoren das Frakturrisiko erhöhen. Daher sind die verfügbaren Daten nicht schlüssig, um diesen Arzneimitteln eine direkte Verantwortung für Knochenbrüche zuzuschreiben.
Der medizinische Laie wird nicht selten über unerwünschte Wirkungen von Antidiabetika in der Presse verunsichert, darunter kann die Adhärenz leiden. Arzt und Apotheker sollten hier proaktiv aufklären.
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