Nephrologen warnen: Die Versorgung von Dialysepatienten in der Ukraine und ihren Nachbarstaaten ist bedroht. Eine Taskforce soll nierenkranken Geflüchteten zu einer schnellen Behandlung verhelfen.
Die Berliner Sektion der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) hat eine Taskforce gebildet, um Hilfestellung bei der Versorgung dialysepflichtiger Menschen aus der Ukraine zu koordinieren. Berlin ist derzeit eine Drehscheibe für geflüchtete Menschen aus der Ukraine; viele wollen vorerst in Deutschland bleiben, einige in andere EU-Länder weiterreisen. Unter den Geflüchteten sind auch Menschen, die auf eine regelmäßige Dialysebehandlung angewiesen sind. Oft dauerte die Flucht mehrere Tage, so dass sie bei der Ankunft dringend eine Dialysebehandlung benötigen. Diese Versorgung will die Berliner Taskforce nun sicherstellen.
„Nach tagelanger Flucht sehen wir Menschen, die überwässert sind und bereits erste Vergiftungserscheinungen zeigen. Unser Ziel ist, die Betroffenen schnell und unbürokratisch nach Ankunft in Berlin zu dialysieren. Wir haben ein Netzwerk geschaffen, auch unter Einbindung der ambulanten Dialyseanbieter, um im Sinne der Ersten Hilfe freie Dialyseplätze in Berlin vermitteln zu können und die Kliniken zu entlasten. Wir arbeiten eng mit den Behörden zusammen, damit Dialysepatientinnen und -patienten, die in Berlin ankommen, von diesem Angebot erfahren“, erklärt Projekt-Koordinatorin Prof. Christiane Erley vom Erweiterten DGfN-Vorstand.
Wie die Expertin weiter ausführt, benötigen vor allem aber auch nierenkranke Menschen, die in der Ukraine geblieben sind – bzw. die ukrainischen Dialysezentren – Hilfe. Das gestaltet sich in Kriegsgebieten besonders schwierig. „Für die Durchführung der lebensnotwendigen Behandlung wird Wasser und Strom gebraucht – und in vielen ukrainischen Städten ist selbst das nicht mehr gewährleistet“, so Prof. Erley. „Für diese Menschen bleibt, solange sie noch transportfähig sind, oft nur die Flucht als einzige Überlebenschance.“
Doch auch die Dialysezentren in den Anrainerstaaten kommen an ihre Grenzen und benötigen Unterstützung. „Viele dialysepflichtige Geflüchtete benötigen unmittelbar nach Grenzübertritt nach Polen, Ungarn und Rumänien dringend eine Dialysebehandlung. Die DGfN prüft derzeit mit den verschiedenen Dialyseanbietern, wie man die Versorgung in den Grenzregionen stärken kann, so dass Durchreisende sowie auch die Menschen, die in diesen Regionen bleiben wollen, dialysiert werden können. Die DGfN steht mit der ‚European Renal Association‘ (ERA) in Kontakt, um auszuloten, wie eine Unterstützung seitens der europäischen Nephrologie erfolgen kann – materiell wie personell,“ erklärt Prof. Julia Weinmann-Menke, Pressesprecherin der DGfN.
2019 gab es in der Ukraine laut dem ERA-Register 10.250 Menschen, die auf eine Nierenersatztherapie angewiesen waren (7.869 Menschen an der mit Hämodialyse oder Hämodiafiltration, 922 Menschen, die eine Peritonealdialyse durchführten und 1.459 Nierentransplantierte). „Natürlich haben wir jetzt besonders Dialysepatientinnen und -patienten im Blick, da bei ihnen eine medizinische Unterversorgung binnen weniger Tage lebensbedrohlich werden kann. Vergessen dürfen wir aber auch nicht die anderen nephrologischen Patientinnen und Patienten“, erklärt Prof. Weinmann-Menke.
Bei Nierentransplantierten besteht die Gefahr von Abstoßungsreaktionen, wenn sie keine immunsuppressiven Medikamente erhalten. Bei nierenkranken Menschen, die noch keine Nierenersatztherapie benötigen, kann eine längere Unterbrechung der Medikation dazu führen, dass die Erkrankung schneller voranschreitet. Nicht zuletzt gilt es daher auch, die Versorgung aller nierenkranken Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind und in Deutschland bleiben möchten, langfristig sicherzustellen. Die DGfN plant die regionale Vernetzung von Nierenzentren, um sich darüber auszutauschen, wo es noch Behandlungskapazitäten und freie Dialyseplätze gibt und die Patienten dorthin zu vermitteln. Eine solche regionale Vernetzung soll durch die DGfN-Ländervertreter koordiniert werden.
„Die deutsche Nephrologie zeigt eine große Solidarität mit den ukrainischen Menschen. Wir wollen alles in unserer Macht stehende tun, um die Versorgung nierenkranker Ukrainerinnen und Ukrainern – egal ob in der Ukraine, in den Anrainerstaaten oder in Deutschland – in dieser humanitären Katastrophe sicherzustellen“, erklärt Prof. Weinmann-Menke. „Die Welle der Hilfsbereitschaft ist groß, unsere Herausforderung ist nun, die Hilfen bestmöglich zu koordinieren, um möglichst viele nierenkranke Menschen zu retten.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie.
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