In der Ukraine gefährdet der Medikamenten-Mangel die medizinische Versorgung. Doch Hilfsorganisationen warnen vor gut gemeinten Arzneimittelspenden.
Seit dem Einfall russischer Truppen in die Ukraine vor knapp zwei Wochen sind die Menschen vor Ort auf medizinische Hilfslieferungen aus dem Ausland angewiesen. Denn der Mangel an Verbrauchsmaterial und Medikamenten gefährdet akut die dortige medizinische Versorgung. Gleichzeitig warnen Organisationen vor gutgemeinter Hilfe: Spenden von nicht mehr benötigten oder gar abgelaufenen Medikamenten würden das Problem nur verschlimmern.
Die Hilfsorganisation Apotheker ohne Grenzen (AoG) klärt auf ihrer Website über die Problematik mit privaten Arzneimittelspenden auf. So dürften etwa Medikamente nicht ohne entsprechende Dokumentation aus Deutschland ausgeführt und in andere Länder eingeführt werden – „sonst würde man ja Arzneifälschungen Tür und Tor öffnen“, schreibt die Organisation zur Begründung.
Zudem müssten einheimische Gesundheitsministerien den Einsatz von Arzneimitteln genehmigen. Ein weiteres Problem mit gespendeten Medikamenten aus Privathaushalten sei, dass diese in Deutschland zwar legal, anderswo aber verboten oder unbekannt sein können. Auch die Beschriftung der Medikamente in deutscher Sprache kann im Ausland eine Hürde darstellen.
All das führt dazu, dass privat gespendete Medikamente in Krisengebieten aufwändig sortiert oder entsorgt werden müssen. Das raubt Zeit und wichtige Ressourcen, die an anderer Stelle gebraucht werden. Doch woher kommen die dringend benötigten Medikamente stattdessen und wie landen sie am richtigen Ort? Dafür haben wir bei der Hilfsorganisation Polish Medical Mission (PMM) nachgefragt, die eng mit AoG zusammenarbeitet und derzeit Hilfslieferungen in die Ukraine organisiert.
Nach eigenen Angaben hat PMM aktuell Kontakt zu über 70 Krankenhäusern in der gesamten Ukraine, die die Organisation über ihren aktuellen Bedarf informieren. Im Gespräch mit DocCheck berichtet Dorota Zadroga, Sprecherin von Polish Medical Mission, von der Situation vor Ort: „Die Lager dort sind leer – sie haben zwar genug medizinisches Personal, um zu helfen, aber sie brauchen Unterstützung von außerhalb der Ukraine, wenn es um medizinische Güter wie Medikamente, Verbände, Schienen, Tragen und mehr geht.“ Eine Anfrage zur Entsendung polnischer Ärzte habe PMM aber bisher noch nicht erhalten.
Sollte der Tweet nicht angezeigt werden, bitte Seite aktualisieren.
Die Entsendung der Güter läuft so ab, erklärt Zadroga: „Von jedem Krankenhaus in der Ukraine erhalten wir eine genaue Liste des Bedarfs, den sie von uns benötigen. Auf dieser Grundlage nehmen wir dann Bestellungen vor.“ Damit die Organisation die Einkäufe schnell abwickeln kann, müssen diese Güter auf Lager sein. Deswegen lautet die eindringliche Bitte der Sprecherin, auch an medizinisches Personal: Keine Medikamente selber kaufen und die Organisation auf eigene Faust kontaktieren!
„Wir haben ein Team von Spezialisten und ein System, das es uns ermöglicht, die notwendigen Geräte und Medikamente schnell zu kaufen und zu versenden – wir haben einen offenen Grenzübergang für den Transport von Medikamenten“, so Zadroga. Allerdings zeichnen sich langsam auch in Polen Probleme bei der Versorgung mit medizinischen Geräten ab, weswegen PMM Bedarfsmaterial für die Ukraine nun auch vermehrt in Deutschland einkaufen wird.
Bildquelle: Volodymyr Hryshchenko, unsplash