62-jähriger Patient, Erstdiagnose Hypopharynxkarzinom. Aus der HNO zur weiteren internistisch-onkologischen Abklärung und Therapie übernommen. Ein Fallbericht.
Initial hatte sich der Patient mit seit drei Monaten progredienter Dysphagie und Dysphonie in der HNO-Abteilung vorgestellt. Weitere Beschwerden wurden verneint, ein moderater Gewichtsverlust von 3 kg war auf die Dysphagie zurückzuführen, weitere B-Symptomatik lag nicht vor. Die laborchemischen Tumormarker waren nicht erhöht. An relevanten Vorerkrankungen waren ein persistierender Nikotin- sowie ein nach der Diagnosestellung der malignen Erkrankung erneut begonnener Alkoholabusus zu nennen.
Im Rahmen einer Panendoskopie konnte die besagte Diagnose gesichert werden, histologisch stellte sich diese als ein Plattenepithelkarzinom des Hypopharynx dar. Bei CT-morphologischem Verdacht auf eine einzelne lokale Lymphknotenmetastase lautete die TNM-Klassifikation zu diesem Zeitpunkt T2 N1 Mx. Eine mögliche (kurative) Resektion lehnte der Patient aus Sorge vor einem möglichen Tracheostoma ab.
Zudem hatte sich in der Ausbreitungsdiagnostik auch ein suspekter Lungenrundherd gezeigt, weswegen die internistisch-onkologische Übernahme zur weiteren Abklärung erfolgte. In der Bronchoskopie stellte sich im linken Unterlappen eine endobronchiale Raumforderung dar. Histologisch ließ sich hier ebenfalls ein Plattenepithelkarzinom nachweisen, sodass der Verdacht auf eine Lungenmetastase des Hypopharynxkarzinoms bestand.
Allerdings sind auch Zweitmalignome, sowohl synchron als auch metachron auftretend, bei Patienten mit einem Kopf-Hals-Tumor nicht selten und mit einer schlechten Prognose verbunden. Einen großen Teil davon stellen – nicht zuletzt dank ähnlicher Risikofaktoren, bspw. Nikotinabusus – sekundäre, primäre Lungenkarzinome dar. [1, 2] Die korrekte Einordnung als Zweitmalignom oder Metastase hat maßgeblichen Einfluss auf das weitere therapeutische Procedere und auch die Prognose des Patienten: Liegen zwei unabhängige Erkrankungen vor oder ist eine der beiden Tumorerkrankungen bereits zu einem systemisch metastasierten Stadium fortgeschritten und damit im Regelfall nur noch palliativ zu behandeln?
Im vorliegenden Fall ließ sich diese Frage aus der Histologie allein nicht beantworten, da es sich an beiden Lokalisationen um nicht-verhornende Plattenepithelkarzinome handelte, auch die HPV-Negativität des Hypopharynxkarzinoms war nicht aufschlussreich.
Erste Hinweise lieferte die immunhistochemische Bestimmung der PD-L1-Expression (wenngleich auch diese bekanntermaßen einer Schwankungsbreite, insbesondere zwischen Primärtumor und Metastase, unterworfen ist [3, 4]). Während sie in der pulmonalen Läsion 0 % betrug, zeigte sich in der Probe aus dem Hypopharynx eine Expression von 40 %, entsprechend einem Immunscore von 4. Die weitere molekularpathologische Untersuchung des möglichen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (ALK-, RET-, ROS1-Translokationen, BRAF-, EGFR-Mutationen, NTRK-Fusionen) blieb hingegen unauffällig, sodass die Genese des Lungentumors letztlich nicht eindeutig zugeordnet werden konnte.
Hinsichtlich der weiteren Therapieplanung wurde sich im Zweifelsfall für die für den Patienten günstigere Variante zweier lokal begrenzter Erkrankungen entschieden, um zumindest formal eine kurative Chance zu erhalten. Somit lag neben dem initial diagnostizierten Hypopharynxkarzinom auch ein nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom des UICC-Stadiums IIB vor (T3 N0 M0). Da der Patient auch hier frühzeitig kategorisch eine operative Versorgung ablehnte, fiel die Entscheidung auf eine kurativ intendierte definitive Radiochemotherapie des klinisch als führend angesehenen T3-Tumors der Lunge.
Nach deren Abschluss stellte sich der Patient auf Grund von Incompliance, die durch belastende Nebenwirkungen der Strahlentherapie sowie den wieder floriden Alkoholabusus bedingt war, leider erst mit zwei Monaten Verzug zur Verlaufskontrolle via Computertomographie vor. Hier zeigte sich zwar ein stabiler pulmonaler Befund, jedoch leider auch eine Progredienz des Hypopharynxkarzinoms.
In der palliativen Zweitlinie empfahl die Tumorkonferenz daraufhin eine Immun-/Chemotherapie mit Pembrolizumab, 5-Fluorouracil und Carboplatin analog der KEYNOTE-048-Studie. [5] Auf Wunsch des Patienten nach seinen vorherigen Erfahrungen und zur Wahrung der Compliance wurde diese vorerst nur mit einer Pembrolizumab-Monotherapie eingeleitet. Die Therapie wurde vom Patienten sehr gut vertragen. In der ersten Verlaufskontrolle nach drei Monaten hatte sich sowohl pulmonal als auch am Hypopharynx eine stabile Erkrankung eingestellt, welche erfreulicherweise auch nach 18 Monaten weiterhin anhält.
Quellen
1. Coca-Pelaz A, Rodrigo JP, Suárez C, et al. The risk of second primary tumors in head and neck cancer: A systematic review. Head Neck. 2020; 42 (3) : 456–466. doi: 10.1002/hed.26016.
2. Griffioen GH, Louie AV, de Bree R, et al. Second primary lung cancers following a diagnosis of primary head and neck cancer. Lung Cancer. 2015; 88 (1): 94–99. doi: 10.1016/j.lungcan.2015.01.011.
3. Lee CC, Soon YY, Lum JHY, Tan CL, Tey JCS. Frequency of discordance in programmed death-ligand 1 (PD-L1) expression between primary tumors and paired distant metastases in advanced cancers: a systematic review and meta-analysis. Acta Oncol. 2020; 59 (6) :696–704. doi: 10.1080/0284186X.2020.1741678.
4. Naso JR, Banyi N, Al-Hashami Z, et al. Discordance in PD-L1 scores on repeat testing of non-small cell lung carcinomas. Cancer Treat Res Commun. 2021; 27: 100353. doi: 10.1016/j.ctarc.2021.100353.
5. Burtness B, Harrington KJ, Greil R, et al. Pembrolizumab alone or with chemotherapy versus cetuximab with chemotherapy for recurrent or metastatic squamous cell carcinoma of the head and neck (KEYNOTE-048): a randomised, open-label, phase 3 study [published correction appears in Lancet. 2020 Jan 25; 395 (10220): 272] [published correction appears in Lancet. 2020 Feb 22; 395 (10224): 564] [published correction appears in Lancet. 2021 Jun 12; 397 (10291): 2252]. Lancet. 2019; 394 (10212): 1915–1928. doi: 10.1016/S0140-6736(19)32591-7.
Der Autor des Fallberichts bleibt aus Datenschutzgründen für Arzt und Patient anonym. Er ist der Redaktion bekannt.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash