Wissenschaftler vermuten, dass eine gleichzeitige Infektion mit HPV und Chlamydien das Risiko für Krebserkrankungen massiv erhöht. Mithilfe eines Organmodells sind sie diesem Verdacht nun nachgegangen.
Patientinnen, die an Gebärmutterhalskrebs erkranken, sind häufig nicht nur mit dem humanen Papillomavirus (HPV), sondern auch mit dem bakteriellen Erreger Chlamydia trachomatis infiziert. Diese gehören zu den am weitesten verbreiteten sexuell übertragbaren Krankheitserregern.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Koinfektion von HPV und Chlamydien ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von bösartigem Gewebe ist. „Die Dynamik dieser Koinfektion und die zugrundeliegenden Mechanismen waren jedoch bisher weitgehend unbekannt“, fügt Dr. Rajendra Kumar Gurumurthy, Uni Würzburg, hinzu. Das Problem sei, dass „im Gegensatz zu Tumorviren, deren DNA in Tumoren gefunden werden kann, mit Krebs assoziierte Bakterien selten nachweisbare Elemente in Krebszellen hinterlassen“, so Mikrobiologin Dr. Cindrilla Chumduri. Um jedoch Bakterien mit der Krebsentwicklung in Verbindung zu bringen, sei es notwendig, die zellulären Prozesse zu identifizieren, die dazu beitragen, dass Zellen sich pathologisch verändern.
Chumduri und ihr Team haben daher in einer Studie versucht, diese Prozesse zu entschlüsseln. Mithilfe von gesunden Spenderzellen entwickelten die Forscher ein physiologisches Organoid-Modell des Gebärmutterhalses: An den lebensechten Organnachbildungen konnten sie die Wechselwirkungen zwischen den Krankheitserregern und dem befallenen Gewebe sowie die Krankheitsprozesse genau beobachten. Das Team wollte vor allem dem Verdacht nachgehen, dass die beiden Erreger in einer Art Team zusammenarbeiten, um die von ihnen infizierten Zellen so „umzuprogrammieren“, dass sie sich unkontrolliert vermehren.
Dabei konzentriert sich ihre Forschung auf zwei Gewebetypen: Zum einen die Ektozervix – der Teil der Gebärmutterhalsschleimhaut, der in die Vagina hineinragt. Und zweitens die Endozervix – der Teil der Schleimhaut, der den Gebärmutterhals innen auskleidet. Ihre wesentliche Aufgabe ist es, das Eindringen von Krankheitserregern in die Gebärmutter zu verhindern. „Die Bereiche, in denen Ekto- und Endozervix ineinander übergehen, bilden eine Übergangszone und sind besonders anfällig für Infektionen und Neoplasmen. Die meisten Gebärmutterhalskrebserkrankungen haben dort ihren Ursprung“, erklärt Chumduris.
Das Team konnte tatsächlich feststellen, dass es sich dabei nicht nur um einen Verdacht, sondern um einen konkret nachweisbaren Effekt handelt: „Unsere Analysen zeigen, dass HPV und Chlamydien eine einzigartige zelluläre Umprogrammierung des Wirts verursachen“, erklärt Chumduri. Mehrere Gene werden von den beiden Erregern auf unterschiedliche Weise hoch- oder herunterreguliert, was mit spezifischen Immunantworten verbunden ist.
Unter anderem beeinflussen die Erreger eine signifikante Teilmenge aller regulierten Gene, die für die Reparatur von DNA-Schäden verantwortlich sind. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass „die Ko-Persistenz von HPV und Chlamydien in einer Stammzelle die zelluläre und genomische Stabilität beeinträchtigen und das Fortschreiten von Neoplasmen fördern könnte“, so das Fazit. In Zukunft soll weiter mithilfe der 3D-Organoide geforscht werden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Hier gehts zur Originalpublikation.
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