Eine 68-jährige Frau hat seit einigen Tagen Schulterschmerzen. Außerdem sind ihre Entzündungswerte erhöht. An ein Trauma kann Sie sich nicht erinnern, doch merkwürdigerweise schlägt auch eine Antibiose zunächst nicht an - bis sie plötzlich auch noch neurologisch auffällig wird.
Eine 68-jährige Frau wird mit starken beidseitigen Schulterschmerzen in ein Krankenhaus eingewiesen. Die Schmerzen bestehen bereits seit einigen Tagen, ohne dass es jedoch ein Trauma gegeben hätte. Eine kardiale Ursache, z. B. ein Myokardinfarkt, war ebenfalls bereits von einem Kardiologen ausgeschlossen worden. Bei der Aufnahme ist die Patientin stabil und hat kein Fieber, aber ihre Laborwerte zeigten hohe Entzündungsmarker: Das C-reaktive Protein beträgt zu diesem Zeitpunkt 321 mg/l.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, ordnen die Ärzte eine Computertomographie (CT) von Kopf, Brust und Bauch an. Doch merkwürdigerweise zeigt sich dabei weder eine lokale Schulterpathologie noch ein eindeutiger Infektionsherd, welcher die Laborwerte erklären würde. Daher wird die Frau zunächst empirisch mit Breitbandantibiotika behandelt. Doch darunter zeigt sich keineswegs eine Besserung - im Gegenteil: Am folgenden Tag entwickelt sie Symptome eines Schocks, ihr Blutdruck ist auf 66/38 mmHg abgesackt, sie hat Hautflecken und wird mit einer Hypothermie bei 34,7 °C umgehend auf die Intensivstation verlegt.
Zunächst vermuten die Ärzte einen septischen Schock, doch nach kurzer Zeit normalisiert sich plötzlich die Körpertemperatur der Frau, und auch die Entzündungsmarker sind rückläufig. Könnte es sich dann möglicherweise um eine vaskuläre Ursache handeln? Die CT-Angiographie des Brustkorbs und des Abdomens ergibt keinerlei Anzeichen einer Aortendissektion, Blutung oder Lungenembolie. Liegt also vielleicht eher ein kardiogenes Geschehen vor? Auch eine kardiale Reevaluation ist unauffällig. Daher erachten die Ärzte einen hämorrhagischen, kardiogenen und obstruktiven Schock für unwahrscheinlich.
Doch eine Diagnose ist nach wie vor nicht gestellt. Es kommt noch gravierender, denn innerhalb der nächsten 12 Stunden zeigt die Patientin einen fortschreitenden motorischen und sensorischen Funktionsverlust an allen Extremitäten. Etwas Neurologisches? Eine Kernspintomographie muss her! Die Aufnahmen der Wirbelsäule zeigen tatsächlich eine Spondylodiszitis der Ebenen C4 bis C6 mit einem epiduralen Abszess, der das Rückenmark komprimiert, begleitet von einer Wirbelkompressionsfraktur von C5.
Die Ärzte vermuten, dass Letzteres zu einer Rückenmarksverletzung und folglich zu einem spinalen Schock geführt hat.
Daraufhin stellen sie das Antibiotikaregime auf Spondylodiszitis um und verabreichen der Frau zur Behandlung der Hypotonie orales Midodrin. Aufgrund umfangreicher Komorbiditäten kommt eine neurochirurgische Dekompression nicht in Frage, weshalb die Patientin am nächsten Tag zur weiteren Behandlung auf die Allgemeinstation verlegt wird.
Text- und Bildquelle: Kats et al. / Oxford Medical Case Reports
Bildquelle: Nick Scheerbart / Unsplash