Wenn das Immunsystem lahmt, macht die Covid-Impfung Schwierigkeiten. Doch bei bestimmten Tumorpatienten wirkt sie besser als gedacht.
Chronisch krank ist nicht gleich chronisch krank, und immunsupprimiert ist nicht gleich immunsupprimiert. Das ist eine der Lektionen von jetzt rund 15 Monaten Erfahrung mit den mRNA-Covid-Impfstoffen. Die Immunogenität der Corona-Impfstoffe lässt bei medikamentös immunsupprimierten Transplantatpatienten in vielen Fällen zu wünschen übrig, sodass betreuende Ärzte regelhaft Viert- oder sogar Fünftimpfungen durchführen. Bei immunologisch therapierten, rheumatologischen Patienten und auch bei MS-Patienten sieht es dagegen besser aus. Hier machen zwar einzelne Medikamente, namentlich solche, die gegen B-Zellen gerichtet sind, Probleme. Aber für die Mehrheit der Patienten ist die Impfung hoch effektiv.
Die gute Nachricht: Im Großen und Ganzen gilt Letzteres auch für Patienten mit soliden Tumoren. Für die primäre Impfserie mit Erst- und Zweitdosis eines mRNA-Impfstoffs ist das schon seit letztem Jahr bekannt. So berichtete die Arbeitsgruppe um Vincenzo Di Nola vom nationalen Krebsinstitut IRCCS in Rom Ende 2021 über die Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie mit 816 Krebspatienten mit soliden Tumoren, die mit zwei Dosen BioNTech-Impfstoff im Abstand von drei Wochen geimpft worden waren. Als Vergleichsgruppe dienten nach Alter und Geschlecht gematchte Angehörige von Gesundheitsberufen.
Es zeigte sich dabei, dass die Responderrate, definiert als Spike-Protein-IgG > 15 AU/ml, nach der ersten Impfung mit 61 % bei den Krebspatienten deutlich niedriger war als bei den Kontrollprobanden, bei denen sie 93 % betrug. Mit der zweiten Impfung machten die Krebspatienten den Abstand dann aber weitgehend wett und erreichten eine Responderrate von ebenfalls 93 %, gegenüber 100 % in der Vergleichsgruppe.
So weit, so erfreulich. Was die Italiener in der Folge allerdings auch zeigen konnten: Die serologische Impfantwort ließ nach der zweiten Impfung schneller wieder nach als bei Kontrollprobanden. Vor diesem Hintergrund interessierte natürlich die Effektivität der Booster-Impfung. Und über diese Daten berichten Di Nola und Kollegen jetzt in den Annals of Oncology.
Es handelt sich nach Angaben der Autoren um die erste wirklich große derartige Booster-Kohorte. Zwischen September und November 2021 – also in Italien während der dort beginnenden Delta-Welle – erhielten 407 Krebspatienten mit soliden Tumoren jeweils einen Booster mit dem BioNTech-Impfstoff. Darunter waren ein Viertel Brustkrebspatientinnen und ein Fünftel Lungenkrebspatienten. Der Abstand zur Zweitimpfung betrug 4 bis 6 Monate.
Die allermeisten Patienten und Patientinnen hatten in den vier Wochen vor der Impfung aktive Anti-Tumor-Therapien erhalten. Rund ein Drittel der Patienten erhielt Chemotherapie entweder allein oder in Kombination mit monoklonalen Antikörpern wie Anti-HER2-Antikörper, antiangiogenetischen Antikörpern oder Antikörpern für eine Checkpoint-Blockade. Gut ein Fünftel erhielt gezielte Tumortherapien, rund ein Sechstel Nicht-Antikörper-Immuntherapien. Jeder neunte Patient hatte die vier Wochen vor der Impfung durchgehend Steroide erhalten.
Insgesamt zeigte sich bei den 407 Patienten ein beeindruckender Booster-Effekt. Die Responderrate betrug 98,8 %, es gab nur fünf Non-Responder. Diese fünf Patienten waren in der Messung unmittelbar vor der Booster-Impfung allesamt seronegativ gewesen, und nur einer hatte nach der zweiten Dosis eine Serokonversion erreicht. Vier der fünf Non-Responder waren unter aktiver Therapie, darunter einmal Chemo, zweimal gezielte Therapie und einmal Immuntherapie.
An der Therapie lag die Non-Response allerdings eher nicht: Die Italiener fanden in der Gesamtauswertung keinen signifikanten Effekt der Krebstherapie auf die Booster-Antwort, es war also egal, womit die Krebspatienten behandelt wurden. Was sich auch zeigte: Die Antikörpertiter nach der Booster-Impfung stiegen nicht nur auf das Niveau nach der Zweitimpfung, sondern gingen im Mittel deutlich darüber hinaus. Das ist auch für gesunde Impflinge mehrfach beschrieben worden. Die Krebspatienten verhalten sich in diesem Punkt also wie jeder andere Impfling.
Bildquelle: Diana Polekhina, Unsplash