Ärzteverbände und Hilfsorganisationen reagieren entsetzt auf die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine. Erste medizinische Hilfslieferungen sind bereits unterwegs.
Die Lage in der Ukraine hat sich seit dem gestrigen Einmarsch russischer Truppen (24.02.) dramatisch zugespitzt. Das WHO-Regionalbüro für Europa warnte bei jeder weiteren Eskalation des Konflikts vor einer humanitären Katastrophe mitten in Europa, die hohe Opferzahlen fordern würde. Ohnehin schon anfällige Gesundheitssysteme könnten noch weiter geschädigt werden.
Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, gab angesichts der Krise bereits gestern 3,5 Millionen Dollar aus dem Contingency Fund for Emergencies (CFE) für den Kauf und die Lieferung dringender medizinischer Hilfsgüter frei.
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Auch Ärzteverbände und Hilfsorganisationen in Deutschland reagieren entsetzt auf die jüngste Entwicklung in dem osteuropäischen Staat. „Die Situation ist dramatisch und verändert sich sehr schnell. Wir sind deshalb in ständigem Austausch mit unseren Partnern vor Ort und tun alles dafür, um Menschen in Not in der Ukraine zu unterstützen“, so Oliver Müller, Leiter von Caritas international. Laut eigener Angaben habe das Hilfswerk bereits seit Wochen Vorbereitungen getroffen, Evakuierungspläne ausgearbeitet und ihre Mitarbeiter auf den Kriegsfall vorbereitet.
Das deutsche Medikamentenhilfswerk Action Medeor hat derweil damit begonnen, erste Hilfslieferungen für medizinische Einrichtungen in der Ukraine zusammenzustellen. Wie Action Medeor mitteilt, kam eine der ersten Anfragen aus dem Partnerkrankenhaus in Ternopil, einer Stadt im Westen der Ukraine. Zwar liege dieses Krankenhaus nicht im Zentrum der derzeit umkämpften Gebiete, es sei aber auch unmittelbar betroffen.
„Wir behandeln hier viele verletzte Soldaten, aber auch Menschen, die aus den ostukrainischen Gebieten geflohen sind und Schutz suchen“, berichtet Yaroslav Chaikyvskyy, Direktor des Krankenhauses, in einer Pressemitteilung. „Viele von Ihnen kommen nur mit einem Koffer bei uns an und haben sonst nichts. Unter den Flüchtenden sind viele Frauen, auch Familien mit Kindern. Sie leiden zum Teil an chronischen Krankheiten, die im Osten der Ukraine nicht mehr behandelt werden konnten und können. Aber wir behandeln hier auch Lungenentzündungen und Unterkühlungen an Armen und Beinen, außerdem nehmen wir als Notfallkrankenhaus chirurgische Eingriffe für die Notversorgung von Geflüchteten vor.“
Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) macht auf die Gefahr aufmerksam, die von den Atomkraftwerken in der Ukraine durch Militärangriffe ausgehen könnten. Durch die Zerstörung von Infrastruktur oder Stromausfällen steige auch die Gefahr eines Reaktorunglücks, heißt es in einer Mitteilung. Der Tschernobyl-Reaktor und die Sperrzone seien potenziell gefährdet.
Die militärischen Kampfhandlungen rund um den zerstörten Atomreaktor in der Nähe der Hauptstadt Kiew könnten ganz Europa gefährlich werden, wie der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak gestern erklärte. Das russische Militär habe den Tschernobyl-Reaktor nach „erbitterten“ Kämpfen mit ukrainischen Streitkräften eingenommen, so Podoljak. Der Zustand der alten Reaktoranlage, der Schutzhülle über dem hochgradig radioaktiven Unglücksreaktor und des Lagers für Kernbrennstoffe sei allerdings nicht bekannt. „Es ist unmöglich zu sagen, ob das Kraftwerk sicher ist“, sagte Podoljak. Es handele sich um „eine der ernstesten Bedrohungen für Europa“.
Redaktionsschluss zum Artikel: 25. Februar, 17:30 Uhr
Bildquelle: Yehor Milohrodskyi, unsplash