Von allen chronischen Krankheiten, die eine Hospitalisierung erfordern, hat die Leberzirrhose die höchste Mortalitätsrate. Der Deutschland-Trend ist bedenklich: Die Zahl der Einweisungen hat sich trotz wirksamer Therapien erhöht.
Die Zirrhose, bei der funktionsfähiges Lebergewebe untergeht und vernarbt, ist das gemeinsame Endstadium der meisten chronischen Lebererkrankungen und die vierthäufigste Todesursache in Mitteleuropa. Über ihr epidemiologisches Profil in Deutschland lagen jedoch bislang kaum aktuelle Erkenntnisse vor. Deshalb entschlüsselte ein Forschungsteam um Prof. Jonel Trebicka anhand der Datensätze des Statistischen Bundesamtes die rund 250 Millionen Krankenhausaufnahmen, die von 2005 bis 2018 in Deutschland aus irgendeinem Grund erfolgt waren, gemäß der 10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10).
0,94 Prozent dieser Hospitalisierungen waren der Diagnose Leberzirrhose zuzuordnen, in der Mehrzahl der Fälle als Begleit- und nicht als Haupterkrankung. In absoluten Zahlen nahmen die Einweisungen mit Leberzirrhose im Beobachtungszeitraum von 151.108 auf 181.688 zu.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Sterblichkeit an Leberzirrhose im Krankenhaus. Zwar ist diese Mortalitätsrate im Beobachtungszeitraum erfreulicherweise von 11,57 % auf 9,49 % gesunken, liegt damit aber immer noch deutlich über den entsprechenden Raten anderer chronischer Krankheiten wie Herzinsuffizienz (8,4 %), Nierenversagen (6,4 %) und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (5,2 %). Trat eine Leberzirrhose begleitend zu einer anderen chronischen Krankheit auf, dann erhöhte sie deren Mortalitätsrate um das Zwei- bis Dreifache, am stärksten bei infektiösen Atemwegserkrankungen.
Dank der Einführung direkt wirksamer antiviraler Medikamente gegen Hepatitis-C-Erkrankungen hat sich der Anteil der HCV-bedingten Zirrhosen im Beobachtungszeitraum auf knapp ein Drittel reduziert. Umgekehrt hat sich die Häufigkeit von Zirrhosen, die durch eine nicht-alkoholische Fettleber bedingt sind, in dieser Zeit vervierfacht, parallel zu einem Anstieg von Patienten mit Adipositas. Unbeeinflusst von diesen ätiologischen Verschiebungen dominieren jedoch weiterhin die durch Alkoholmissbrauch entstandenen Zirrhosen. Sie machen 52 Prozent aller in der Studie erfassten Zirrhosen aus, in absoluten Zahlen mit steigender Tendenz.
Vermutlich aufgrund der in deutschen Kliniken weithin befolgten Behandlungsrichtlinien, zum Beispiel durch endoskopische Prozeduren oder die Gabe nicht-selektiver Beta-Blocker, treten Blutungen im Magendarmtrakt als Komplikation einer Leberzirrhose im Krankenhaus immer seltener auf. Blutungen aus Krampfadern in der Speiseröhre waren 2018 sogar auf ein Zehntel ihres Ausgangswertes von 2005 zurückgegangen. Auf der anderen Seite haben Verschlechterungen des Krankheitsbildes aufgrund von Aszites oder von Gehirnstörungen durch unzureichende Entgiftungsarbeit der Leber zugenommen. Die Zahl der Pfortaderthrombosen wiederum verdoppelte sich parallel zu einer intensiveren bildgebenden Diagnostik.
Verglichen mit anderen chronischen Krankheiten, waren die mit Zirrhose aufgenommenen Patienten deutlich jünger: Die Hälfte von ihnen hatte das 64. Lebensjahr noch nicht überschritten. In den ostdeutschen Bundesländern waren höhere Hospitalisierungs- und Krankenhausmortalitätsraten zu verzeichnen als in den westdeutschen. Bundesweit waren rund zwei Drittel der mit einer Leberzirrhose hospitalisierten Patienten Männer. Sie starben häufig bereits in ihrem sechsten Lebensjahrzehnt oder früher, woraus sich die große Zahl verlorener gesunder Lebensjahre und die hohe sozioökonomische Belastung erklärt, die mit einer Leberzirrhose einhergeht. Denn Männer dieses Alters machen noch immer den Großteil aller Berufstätigen aus.
„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Entscheider und Kostenträger des Gesundheitswesens viel stärker in die Prävention alkoholbedingter Leberzirrhosen investieren sollten“, bilanziert Trebicka. „Sie verdeutlichen auch, wie wichtig es ist, die Leberzirrhose als Begleiterkrankung anderer chronischer Krankheiten wahrzunehmen und zu behandeln.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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