Neben physischen Aspekten sollte bei einer chronischen Herzschwäche auch die psychosoziale Betreuung nicht zu kurz kommen. In einem Positionspapier begründen Kardio-Experten diese Forderung anhand von Studien.
Zwölf europäische Experten haben im Auftrag der European Association of Preventive Cardiology (EAPC) erstmals den wissenschaftlichen Stand und die klinische Bedeutung psychosozialer Fragen für das Krankheitsbild Herzschwäche erarbeitet. Ihre Ergebnisse haben sie in einem Positionspapier veröffentlicht. Es zeigt auch auf, wie die Versorgung der Patienten verbessert werden kann, wenn Faktoren wie Depression und Einsamkeit angemessen behandelt werden.
Dafür, dass psychosoziale Faktoren den Langzeitverlauf einer bestehenden chronischen Herzschwäche verschlechtern, gebe es ausreichend wissenschaftliche Evidenz, legen die Experten dar. Großangelegte prospektive Bevölkerungsstudien und zahlreiche klinische Studien zeigten überzeugend, dass insbesondere Depression und soziale Isolation bei einer Herzschwächetherapie berücksichtigt werden müssen.
Auch wenn das Risiko für eine Herzschwäche abgeschätzt wird, sollten seelische Aspekte berücksichtigt werden: „Psychosoziale Faktoren allein lösen keine Herzschwäche aus, aber sie sind ein wichtiger Aspekt, wenn ein Arzt einen Risikopatienten beurteilt und sollten ebenso wie zum Beispiel der hohe Blutdruck und das Übergewicht behandelt werden, um das Erkrankungsrisiko für eine Herzschwäche zu reduzieren“, sagt Pr. Karl-Heinz Ladwig, Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) an der Technischen Universität München (TUM). Er ist einer der Autoren des Positionspapiers.
Wie eine Depression die Herzschwäche verschlimmern kann, lässt sich auf biologische Prozesse zurückführen. Wenn das Herz schwächer wird, versucht der Körper dies auszugleichen, um die Versorgung mit Blut und Sauerstoff aufrechtzuerhalten. Er aktiviert das sympatho-adrenerge System und das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), man nennt dies auch neurohumorale Aktivierung. Sie führt etwa zu einem erhöhten Blutdruck und steigert die Herzfrequenz.
Das hebt die Herzleistung zwar kurzfristig an, schädigt langfristig jedoch den Herzmuskel. Es kommt zu krankhaften Umbauprozessen, wodurch die Herzschwäche weiter voranschreitet. „Diese missglückte Kompensation des Körpers wird durch die psychosozialen Faktoren verstärkt“, fasst Ladwig das Ergebnis der zahlreichen für das Positionspapier ausgewerteten Studien zusammen.
Soll eine Herzschwäche-Therapie gelingen, dürfen Patienten ihren Alltag nicht nur passiv erdulden, sondern müssen aktiv mitarbeiten. Doch diese wichtige Selbstfürsorge missglückt häufig. Denn der meistens schwere Verlauf einer Herzschwäche lässt Patienten verzweifeln und hoffnungslos werden. Sie kümmern sich dann nicht angemessen um sich selbst und ihre Erkrankung, nehmen zum Beispiel ihre Medikamente nicht regelmäßig ein oder beachten Warnzeichen wie eine Gewichtszunahme durch Wassereinlagerungen nicht. Die Erkrankung verschlechtert sich so schneller und lässt die Patienten weiter verzagen.
Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, brauche es neue psychologische Ansätze, um die Selbstfürsorge zu beleben, schlussfolgern Ladwig und seine Kollegen. Zum Beispiel die Technik des Motivational Interviewing, die den Patienten dazu bringe, eine aktive Rolle einzunehmen. „Die Technik ist hochinteressant“, so Ladwig. „Man überwindet gemeinsam eine Reihe von Hürden und der Patient überlegt sich selbst, wie er ein Behandlungsziel umsetzen könnte.“ Außerdem empfehlen die Experten telemedizinische Behandlungskonzepte ergänzend zu den persönlichen Begegnungen zwischen Arzt und Patient.
Die ausgewerteten Studien zeigten zudem, dass klassische psychotherapeutische Behandlungskonzepte bei schwer kranken Patienten mit einer sich stetig verschlechternden Erkrankung wie der Herzschwäche eher nicht greifen. Erfolgreich seien hingegen körperliche Bewegungsprogramme, die mit einer kognitiven Verhaltenstherapie kombiniert werden.
Zur Tiefenpsychologie gebe es zu wenige Daten, um verlässliche Aussagen zu treffen. Auch Psychopharmaka, egal welcher Substanzklasse, seien nur mäßig erfolgreich. Das sei etwa bei seelisch belasteten Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung ganz anders, dort wirkten diese Psychopharmaka, doch bei einer Herzschwäche bräuchten die Patienten eine unterstützende Beratung in ärztlichen Gesprächen. „Viele Kardiologen erkennen die schweren psychischen Probleme ihrer Patienten und sollten sie dann am besten an einen Psychiater oder Psychosomatiker überweisen“, so Ladwig.
Ist die Herzschwäche weit fortgeschritten, brauchen die Patienten oft externe Herzunterstützungssysteme oder implantierbare Defibrillatoren (ICD). Die Experten fordern hier übereinstimmend, dass es dringend mehr psychologische Unterstützung brauche, um die Patienten mit diesen Geräten zu versöhnen und die sehr belastende Situation abzufedern. Zusätzlich zu der sehr teuren Technik müsse zwingend auch in die psychologische Begleitung investiert werden.
Aufbauend auf zahlreichen Modellversuchen sprechen sich die Wissenschaftler dafür aus, bereits früh eine stationäre oder ambulante palliative Versorgung anzubieten. Denn die unvorhersehbare Krankheitsentwicklung, die sich rasch verschlechtern kann, ist für die Patienten und ihre Angehörigen beängstigend.
Dabei gehe es nicht nur um die unmittelbare Begleitung des Sterbeprozesses, sondern offen und einfühlsam zu besprechen, wie es weitergeht, wenn man keine weitere vernünftige Behandlung einschlagen kann. Patienten, die betreuenden Angehörigen und das behandelnde medizinisch-pflegerische Personal sollten in die Entscheidungsprozesse – auch über Entscheidungen zum Lebensende – einbezogen werden. Um dieses Konzept umzusetzen, müssten Trainings-Lehrpläne für alle Beteiligten entwickelt werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Ahmad Odeh, Unsplash