Zwischen gesundem und bösartig verändertem Prostatagewebe zu unterscheiden, ist schwierig. Ein neues Gerät könnte Ärzten zukünftig die Diagnose erleichtern: Mithilfe einer optischen Analyse trifft es binnen weniger Minuten eine Aussage, ob ein Karzinom vorliegt oder nicht.
Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor bei Männern in Deutschland. Es gehört zu den Krebsarten, die meistens frühzeitig erkannt werden und deshalb eine gute Aussicht auf Heilung haben. Besteht bei einem Patienten Verdacht auf Prostatakrebs erfolgt normalerweise eine Gewebeuntersuchung, um die Diagnose abzusichern. Der behandelnde Arzt entnimmt dafür dem Patienten mit einer Hohlnadel zehn bis zwölf Proben aus der Prostata. Anschließend werden aus diesen Proben hauchdünne Gewebeschnitte angefertigt, die ein Pathologe unter dem Mikroskop auf Veränderungen untersucht. Die Biopsie der Prostata ist nicht nur zeitaufwändig, sondern auch nicht völlig fehlerfrei: „Nicht immer gelingt es den Pathologen, zwischen gut- und bösartigem Gewebe zu unterscheiden“, sagt Jörg Opitz vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden.
Der Wissenschaftler hat mit seinem Team ein Diagnosegerät entwickelt, mit dessen Hilfe die Untersuchung in Zukunft schneller und präziser ablaufen könnte. Der Prototyp des Diagnosegeräts, den Opitz und sein Team kürzlich in Düsseldorf auf der internationalen Fachmesse Compamed vorgestellt haben, wiegt rund 30 Kilogramm und hat die Abmessungen eines größeren Druckers. Er lässt sich einfach bedienen und zeigt dem Arzt in Ampelfarben an, ob ein bösartiger Tumor vorliegt oder nicht. Die rund 1,5 Zentimeter langen und 100 Mikrometer dicken Gewebeproben werden auf einen Träger gelegt und einzeln in das Gerät geschoben. Um sie zu analysieren, nutzt das Diagnosegerät den physikalischen Prozess der Fluoreszenz. Dabei regt die Bestrahlung mit einem Laser einer bestimmten Wellenlänge verschiedene Moleküle im Gewebe an. Diese sogenannten Fluorophore geben einen großen Teil der aufgenommenen Energie in Form von langwelligerem Licht wieder ab und leuchten kurz auf. Das Diagnosegerät fährt stückchenweise die jeweilige Probe ab und misst innerhalb von zwei Minuten an 15 Stellen jeweils das abklingende Fluoreszenz-Signal. „Das Gerät schaut dabei nicht auf einzelne Moleküle, sondern auf Strukturen, die aus vielen Zellen und Molekülen bestehen“, sagt Opitz. „Denn Krebsgewebe zeichnet sich dadurch aus, dass Strukturen verloren gehen und Zellen weniger differenziert sind.“
Der Strukturverlust im Gewebe führt zu einer Veränderung des Fluoreszenz-Signals, die das Gerät misst. Überschreitet die Veränderung einen bestimmten Schwellenwert, handelt es sich um ein Karzinom. Der Schwellenwert hilft so dabei, eine genaue Aussage zu treffen, ob in der untersuchten Probe bösartiges Gewebe vorkommt oder nicht. Nach der Messung kann die Probe weiter aufgearbeitet und zusätzlich von einem Pathologen bewertet werden. Nach einer kleinen Pilotstudie haben die Wissenschaftler das Gerät nun auch in einer größeren Studie getestet. Dafür verwendeten sie 732 Proben aus 61 Prostatae. Die Proben stammten von Patienten, bei denen die Prostata aufgrund einer eindeutigen Krebsdiagnose entfernt wurde. Insgesamt untersuchten sie mithilfe des neuen Geräts 10.248 Messpunkte. Danach begutachtete ein Pathologe die Proben genau an den Stellen, wo das Gerät gemessen hatte, ohne die dabei gewonnenen Ergebnisse zu kennen. Für die anschließende Analyse zogen Opitz und seine Mitarbeiter 5.953 Messpunkte heran, da sie nur bei diesen Punkten eine eindeutige räumliche Korrelation zur mikroskopischen Auswertung durch den Pathologen herstellen konnten.
„Wir erzielten eine sehr hohe Übereinstimmung mit einer Spezifität und Sensitivität von jeweils über 90 Prozent“, berichtet Opitz. „Die Aussagekraft der Studie wird allerdings durch die Tatsache ein wenig eingeschränkt, dass schon von Anfang an klar war, dass die in dieser Studie verwendeten Organe krebsbefallen sind.“ Deswegen haben die Wissenschaftler um Opitz kürzlich eine neue Studie begonnen: Dieses Mal stammen die Gewebeproben von Patienten, bei denen nicht sicher war, ob Krebs vorlag, und die sich deshalb einer Gewebeentnahme unterziehen mussten. Fachärzte erhoffen sich vom neuen Diagnosegerät, dass durch seinen Einsatz die Subjektivität bei der Beurteilung von Prostata-Gewebeproben wegfällt: „In rund 20 bis 30 Prozent der Fälle kommen verschiedene Pathologen zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Aggressivität des Prostatakarzinoms“, sagt Georg Salomon, Leitender Arzt an der Martini-Klinik, dem Prostatazentrum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der Urologe, der vor einigen Jahren die Grundidee für das Diagnosegerät hatte, plädiert für den flankierenden Einsatz von bildgebenden Verfahren wie der MRT oder der Elastographie, um sicherzustellen, dass die Proben auch an den richtigen Stellen in der Prostata, also dort wo die potenziellen Tumorherde sitzen, entnommen werden. In den vergangenen Jahren, so Salomon, hätten diese Verfahren enorme Fortschritte gemacht, auch wenn eine Biopsie bei Krebsverdacht nach wie vor unverzichtbar sei.
Die Dresdner Forscher wollen das Einsatzgebiet des Diagnosegeräts weiter ausbauen: Eine erste Studie zur Untersuchung von Proben aus Mundhöhlenkarzinomen habe laut Opitz ebenfalls eine hohe Korrelation zu den histologischen Befunden ergeben. Prinzipiell, so der Wissenschaftler, lässt sich das Gewebe von vielen weiteren Krebsarten mit dem Gerät analysieren, sofern man den spezifischen Schwellenwert für die jeweilige Krebsart kenne.