Ein Kuss am Morgen erfreut nicht jeden. Ein Grund für den Mief: reduzierter Speichelfluss während der Nacht. Doch welche Rolle spielt dabei das orale Mikrobiom?
Dass das menschliche Mikrobiom eine wichtige Rolle in der Gesundheit spielt, ist seit einigen Jahren bekannt. Häufig hört man jedoch nur von der Interaktion des Darmmikrobioms mit diversen Krankheiten wie Krebs oder Depression. Doch der Darm ist nicht das einzige Habitat für Bakterien, Viren und Pilze – auch das orale Mikrobiom spielt eine wesentliche Rolle, nicht nur beim Lächeln. Das Mikrobiom wird dabei auch von Umwelteinflüssen und Verhaltensweisen beeinflusst. Das Fachmagazin PLOS ONE veröffentlichte nun eine Studie, die einen solchen Einfluss vom Schlaf auf das Mikrobiom von oralen Biofilmen untersuchte.
Wie sich die zirkadiane Uhr bzw. der Schlaf auf das orale Mikrobiom auswirkt, ist bisher recht unbekannt. Die Forscher der Studie stellten daher eine Hypothese auf, die sie näher untersuchten: Der Schlaf beeinflusst die Gemeinschaft der Mikroorganismen des oralen Biofilms. Ähnlich wie sie es bereits für den dentalen Biofilm beobachten konnten, bei dem über Nacht die relative Häufigkeit an Parodontitis-verursachenden Arten steigt.
Um ihre Annahme experimentell zu untersuchen, führten die Forscher 16S-rRNA-Gensequenzanalysen durch. Dazu entnahmen sie vor und nach dem Schlaf Proben verschiedener oraler Stellen. Insgesamt nahmen zehn gesunde Erwachsene – alle um die 30 Jahre alt – an der Untersuchung teil. Mindestens 3 Monate zuvor erhielten sie keine Antibiotika. In der Woche bevor der Probenentnahme erhielten die Teilnehmer zwei professionelle Zahn- und orale Schleimhautreinigungen. Biofilmproben wurden jeweils um Mitternacht (pre-sleep) und 8 Uhr morgens (post-sleep) an diversen Stellen der Mundhöhle entnommen. Unmittelbar vor und nach dem Schlafen erhielten die Probanden eine Mundreinigung, eine Selbstreinigung war ihnen dabei untersagt.
Insgesamt fielen zwei Gattungen besonders auf: Prevotella und Corynebacterium. An allen untersuchten Stellen der Mundhöhle konnte nach dem Aufwachen der Probanden eine signifikant höhere relative Häufigkeit der beiden Gattungen erfasst werden als vor dem Schlafengehen, während sie bei Gattungen wie Rothia abhängig vom Probenort schwankten. Dabei war die relative Häufigkeit von Rothia auf der Zahnfleischschleimhaut beim Aufwachen signifikant höher, während sie im Speichel und auf dem Zungenrücken signifikant niedriger war als vor dem Schlafen. Auch die generelle Abundanz von Mikroorganismen in der Mund- und Zahnfleischschleimhaut war in der post-sleep-phase signifikant höher, sowie auch die Diversität an Bakterien.
Corynebacterium im dentalen Biofilm steht häufig in Verbindung mit Parodontitis: Arten wie C. matruchotii tragen nämlich zur Mineralisierung des dentalen Biofilms bei, was zur Bildung von Zahstein führt und wiederum die Ansammlung von Bakterien auf der Zahnoberfläche fördert. In dieser Studie war die relative Häufigkeit von Corynebacterium im supragingivalen dentalen Biofilm in der Zeit nach dem Schlafengehen signifikant höher, als in der Zeit vor dem Schlafengehen (9,3 % vs. 4,2 %). Eine ähnliche Tendenz wurde auch im subgingivalen dentalen Biofilm beobachtet.
Mundgeruch steht hingegen häufiger in Verbindung mit Biofilmen auf der Zunge: Die Ergebnisse zeigen, dass Prevotella eine höhere relative Häufigkeit auf der Wangenschleimhaut, dem Speichel, dem harten Gaumen und dem Zungenrücken während der post-sleep-Phase aufwies, als vor dem Schlafengehen. Die Autoren erklären, dass einige Prevotella-Arten mit einer hohen Konzentration an Methanthiol zusammenhängen – neben reduziertem Speichelfluss und Schlucken einer der Hauptursachen für Mundgeruch. „Aus unseren Erkenntnissen gehen wir davon aus, dass neben dem geringen Speichelfluss auch Veränderungen im Mikrobiom des Zungenrückens und des Speichels mit Mundgeruch assoziiert sein können“, schreiben die Autoren.
„Mehrere Faktoren ändern sich in der oralen Umgebung während des Schlafs“, erklären die Autoren. So steige die Konzentration an IgA im Speichel, der Glukose und Protein-Spiegel hingegen sinke. Auch der pH-Wert werde leicht säuerlich (von pH 7,7 zu 6,6) und die intraorale Temperatur steigt während des Schlafs von 33,9 °C auf 35,9 °C. Alles Faktoren, die das mikrobielle Wachstum bestimmter Arten fördern können.
Bakterien wie Streptococcus, Veillonella und Lactobacillus beeinflussen das Millieu im Mundraum, indem sie es insbesondre nach Kohlenhydrateinwirkung deutlich ansäuern. Doch obwohl Streptococcus und Veillonella bei den Teilnehmern nachgewiesen werden konnte, gab es keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit ihres Vorkommens, sowohl vor, als auch nach dem Schlafen.
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Mikrobiom an verschiedenen Stellen in der Mundhöhle durch Schlaf beeinflusst wird und die Veränderungen von den Bakteriengattungen und den Eigenschaften der Oberfläche abhängen, auf der sich die oralen Biofilme bilden“, schreiben die Autoren über ihre Ergebnisse.
Gleichzeitig weisen sie auch auf die Limitierungen dieser klein angelegten Studie hin: Nur gesunde Probanden wurden untersucht, in einer weiteren Studie müsse man auch Teilnehmer mit Parodontitis oder Karies in Betracht ziehen. Darüber hinaus konnte auch nicht ermittelt werden, wie sich der Schlaf tatsächlich auf das Mundmilieu auswirkt. „Die verschiedenen schlafbezogenen Veränderungen in den Mikrobiomen verschiedener Stellen könnten auf Unterschiede in den Eigenschaften der Oberflächen, auf denen sich die Biofilme bilden, und die Reaktionen der Biofilme auf Umweltveränderungen zurückzuführen sein.“
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