Etwa jede zehnte Frau ist betroffen, aber deutsche Ärzte sind schlecht informiert – es geht um Endometriose. Patientinnen haben Schmerzen und Entzündungen, die bis in die Lunge reichen. Doch bis zur Diagnose dauert es oft Jahre.
Mit über 120.000 Unterschriften innerhalb von nur 3 Wochen hat eine Petition mit dem Namen #EndEndoSilence in Deutschland Aufmerksamkeit erregt. Der Appell, gerichtet an die Regierung und Gesundheitsminister Karl Lauterbach: Erkennt die Endometriose endlich als ernst zu nehmende chronische Erkrankung an. Gefordert wird eine nationale Strategie mit Aufklärungskampagnen und mehr Investitionen in die Forschung.
Warum solch eine Kampagne gefordert wird, ist offensichtlich: Etwa jede zehnte Frau hat Endometriose; weltweit sind es schätzungsweise 190 Millionen Betroffene. Trotz der hohen Prävalenz und einer wachsenden Bekanntheit der Krankheit dauert es im Durchschnitt immer noch mehrere Jahre bis zur Diagnosestellung. Selbst nach der Diagnose kann es für die Patientinnen schwierig sein, die erforderliche Behandlung zu erhalten, da viele Länder Endometriose nicht offiziell als chronische Erkrankung anerkennen und dementsprechend die Behandlungskosten – beispielsweise für die Pille – nicht übernehmen.
Bei der Endometriose wächst endometriumartiges Gewebe auch außerhalb der Gebärmutterhöhle. Meistens sind Eierstöcke, Eileiter und das Gewebe rund ums Becken davon betroffen, aber die Krankheit ist nicht auf den Beckenbereich beschränkt (wir berichteten); auch Darm, Lunge und Leber können von Endometriose-Herden betroffen sein. Die Erkrankung kann außerdem zu Unfruchtbarkeit führen. Das breite Spektrum der Symptome erschwert die Diagnose: Neben Dysmenorrhö, Dyspareunie, Dyschezie und anderen Schmerzsymptomen können auch allgemeinere Symptome wie Müdigkeit, Obstipation oder Übelkeit auftreten. Das Leben der Patientinnen kann durch die Erkrankung stark beeinträchtigt werden, doch ihre Beschwerden werden selbst von medizinischem Fachpersonal oft bagatellisiert.
Australien hat daher im Juli 2018 als erstes Land weltweit einen detaillierten Aktionsplan gegen Endometriose vorgelegt und seitdem 22,5 Mio. Dollar für die Verbesserung der Lebensqualität von Betroffenen bereitgestellt. Der Plan verspricht, „eine Plattform für die Verbesserung des Bewusstseins, des Verständnisses, der Behandlung und der Erforschung von Endometriose zu schaffen.“
Neben verstärkten Ausgaben für Forschung besteht eines der Hauptziele darin, durch gezielte Aufklärungsinitiativen das Verständnis der Öffentlichkeit für die Erkrankung zu verbessern. Ein Beispiel ist das Periods, Pain and Endometriosis Program – kurz PPEP Talk –, ein staatlich finanziertes Aufklärungsprogramm für Jugendliche. Im Mai 2021 kündigte der australische Gesundheitsminister Greg Hunt ein Paket von 354 Mio. Dollar zur Förderung der Frauengesundheit an, welches weitere 21 Mio. Dollar für den Ausbau dieses Programms bereitstellt. Die Strategie zielt auch darauf ab, die Ausbildung von Medizinern zu verbessern, indem spezielle Schulungen und Lehrmaterialien bereitgestellt werden und auch die Hochschul-Lehrpläne angepasst werden.
Von so viel staatlicher Unterstützung können Patientinnen, Ärzte und Forscher hier in Deutschland nur träumen. Die Endometriose ist bisher nicht offiziell als chronische Erkrankung anerkannt; die Forschung ist eher unterfinanziert. Eine Anfrage beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zeigte, dass zwischen 2000 und 2017 nur zwei Endometriose-Projekte gefördert wurden; dabei gab das Ministerium insgesamt eine Summe von 406.263 Euro aus. Selbst wenn man Zuschüsse des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) an die Endometriose-Vereinigung Deutschland hinzurechnet, ist das nicht viel.
Gerne wird der Vergleich mit Diabetes gezogen, um zu demonstrieren, wie gering diese Ausgaben sind – auch wenn der Vergleich zugegebenermaßen hinkt, da beim Diabetes mehr Menschen betroffen sind (laut WHO weltweit 422 Millionen) und eine Nicht-Behandlung schwerwiegendere Folgen hat. Der Unterschied in der staatlichen Finanzierung ist dennoch frappierend: Im Jahr 2007 stellte das BMBF jährlich 2,5 Mio. Euro für den Aufbau eines Diabetes-Forschungsnetzwerks für die Dauer von 12 Jahren in Aussicht; das BMG stellt seit 2016 jährlich 3 Mio. Euro für diabetesbezogene Projekte zur Verfügung. Ähnliches ist im Vereinigten Königreich zu beobachten: Zwischen 2003 und 2021 wurden 35 Projekte zum Thema Endometriose gefördert, 5 davon mit mehr als 1 Mio. Pfund – im Vergleich dazu wurden 1.758 Projekte im Bereich Diabetes gefördert, 243 davon mit mehr als 1 Mio. Pfund.
Frankreich wiederum folgt mit der Ankündigung einer nationalen Endometriose-Kampagne dem Beispiel Australiens. Am 11. Januar 2022 kündigte Präsident Emmanuel Macron selbst den Start einer nationalen Strategie an, die Diagnoseraten und Behandlungspläne verbessern und Frankreich an die Weltspitze der Endometrioseforschung bringen soll. Obwohl ein genauer Zeitplan noch nicht bekannt gegeben wurde, zeigen sich Patientenverbände bereits erfreut.
Am 14. Februar trat erstmalig ein von Gesundheitsminister Olivier Véran einberufener Ausschuss zusammen, um den Aktionsplan zu konkretisieren. Ähnlich wie schon in Australien verspricht der Aktionsplan mehr Investitionen in die Forschung, von einem Betrag über 20 Mio. Euro ist die Rede. Zu den weiteren Maßnahmen gehören ebenso die verbesserte Ausbildung des medizinischen Personals und die Etablierung einer großen epidemiologischen Datenbank. Interessant ist auch die geplante Einrichtung von Fachzentren in jeder Region, wofür rund 4 Mio. Euro bereitgestellt werden sollen.
In der Zwischenzeit hat das französische Parlament bereits einen kleinen Sieg für die Patientinnen errungen: Am 13. Januar 2022 wurde die Endometriose offiziell als Langzeiterkrankung anerkannt. In Zukunft können dadurch alle Behandlungskosten vollständig von der staatlichen Krankenversicherung übernommen werden.
Auch im Vereinigten Königreich tut sich etwas. Eine Petition hat das Thema erfolgreich ins Parlament gebracht: Im November 2021 wurde eine Aufstockung der Mittel für die Endometrioseforschung diskutiert; am 9. Februar gab es eine erneute Debatte zu Unterstützungsmöglichkeiten von Endometriose-Patientinnen am Arbeitsplatz.
Schottland nahm die Sache im letzten Jahr bereits selbst in die Hand und kündigte einen „Women's Health Plan“ an, in dessen Mittelpunkt auch die Förderung von Endometrioseforschung steht. Zu Recht: Ein erster, von der Regionalregierung in Auftrag gegebener Bericht zeigt deutlich, dass die Patientenversorgung derzeit nicht zufriedenstellend erfüllt wird. Auch die mangelnden Kenntnisse von Allgemeinmedizinern und Gynäkologen werden beleuchtet.
Dieses Jahr schließt sich auch England den Bestrebungen an: Eine detaillierte Strategie zur Förderung der Frauengesundheit wird entwickelt, die im Frühjahr 2022 vorgestellt werden soll. Ein Teil dieser Kampagne soll nach den bisher vorliegenden Plänen auch auf die Verbesserung der Endometriose-Versorgung abzielen.
Zusammengefasst lässt sich also feststellen: International gesehen scheint es vorwärts zu gehen – insbesondere in Deutschland liegt aber noch viel Arbeit vor uns.
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