Bald sind mehr rezeptfreie Arzneimittel erhältlich – das geht aus einer Änderung der AMVV hervor. Neben dem Dauerbrenner Ibuprofen sind auch Antihistaminika dabei. Alles, was ihr dazu wissen müsst.
Die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) legt unter anderem fest, welche Arzneimittel verschreibungspflichtig sind und welche Ausnahmen es dazu gibt. Diese Arzneimittel werden in der Anlage 1 AMVV aufgelistet.
Diese Liste wird hin und wieder auch aktualisiert. Nun gab es die 20. Verordnung zur Änderung der AMVV, die dafür sorgt, dass ihr bald eine größere Auswahl an rezeptfreien Arzneimitteln habt, die ihr in der Apotheke kaufen könnt. Hier sind die Neuen in der Sichtwahl:
Ibuprofen liegt als Racemat vor, es ist also ein Gemisch aus zwei Enantiomeren, die sich in ihrem räumlichen Aufbau wie Bild und Spiegelbild verhalten. Das S(+)-Enantiomer ist für die Wirkung verantwortlich; es heißt Dexibuprofen. Das R(-)-Enantiomer ist weitgehend unwirksam.
Eine 400 Milligramm Ibuprofen-Tablette enthält also 200 Milligramm wirksames Dexibuprofen und 200 Milligramm des nicht wirklich wirksames R(-)-Ibuprofens. Ob man nun also 200 Milligramm Dexibuprofen oder 400 Milligramm Ibuprofen gegen Fieber, Schmerzen oder bei einer Entzündung einnimmt, macht kaum einen Unterschied. Man hätte in etwa die gleiche Wirkung und die gleichen Nebenwirkungen wie bei Ibuprofen 400 Milligramm. In Deutschland gibt es momentan nur ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Dexibuprofen, es ist mit 300 oder 400 Milligramm erhältlich, was also 600 und 800 Milligramm Ibuprofen entsprechen würde.
Bisher hatte ich noch kein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Dexibuprofen in der Hand. Das dürfte sich aber demnächst ändern, wenn der Wirkstoff dann auch OTC, also ohne Rezept erhältlich sein wird.
Allerdings wird es kein Präparat mit 300 oder 400 Milligramm Dexibuprofen ohne Rezept geben, da der Wirkstoff nur in einer Dosierung von 200 Milligramm freiverkäuflich sein wird und das auch nur für Menschen, die älter als 18 Jahre alt sind. Ein Präparat mit 200 Milligramm Dexibuprofen ist allerdings noch nicht auf dem Markt.
Vermutlich wird es bei Dexibuprofen sein wie bei Desloratadin und Levocetirizin auch, die jeweils kaum bis keinen Vorteil gegenüber Loratadin und Cetirizin bieten, dafür aber wesentlich mehr Geld kosten.
Das nächste Wirkstoff, der von nun an rezeptfrei zu haben sein wird, ist Levodropropizin. Levodropropizin wird bei Reizhusten eingesetzt und gelegentlich in Form von Tropfen oder Sirup (Quimbo®) verordnet. In den letzten zehn Jahren, habe ich diesen Wirkstoff höchstens zehn Mal abgegeben. Freiverkäuflich wird der Wirkstoff dann für Kinder ab zwei Jahren und Erwachsenen zu haben sein, mit einer Anwendungsdauer von maximal sieben Tagen.
Wie genau Levodropropizin wirkt, ist nicht geklärt, aber es wirkt peripher auf den Tracheobronchialbaum, also den Teil der Atemwege, der aus der Trachea und den gesamten Bronchien, dem Bronchialbaum, gebildet wird.
Auch Levodropropizin ist ein Enantiomer und zwar das S-Enantiomer des nicht verschreibungspflichtigen Dropropizins, das man in Larylin-Pastillen oder -Saft vorfindet. Auch dieser Wirkstoff kommt so gut wie nie vor. Zumindest habe ich weder die Pastillen noch den Saft jemals in der Hand gehabt. Die Wirkung von Dropropizin und Levodropropizin ist in etwa gleich, allerdings macht letzteres weniger müde.
Auch Bilastin, ein H1-Antihistaminikum der zweiten Generation wird fortan in Zubereitungen für Kinder ab 12 Jahren rezeptfrei erhältlich sein. Bisher gab es den Wirkstoff in dem rezeptpflichtigen Fertigarzneimittel Bitosen®. Was soll ich sagen? Auch dieses Präparat habe ich noch nie in der Hand gehabt.
Möglicherweise ist das bei meinen Kolleginnen und Kollegen anders, da es natürlich auch immer davon abhängig ist, ob es von den Ärzten in der Nähe der Apotheke verordnet wird.
Bilastin soll nicht müde machen und bis zu 24 Stunden wirken. Man kann es also mal als Alternative zu Cetirizin und Loratadin ausprobieren. Allerdings sind diese beiden Antihistaminika so günstig zu haben, dass ein Wechsel nur dann Sinn ergibt, wenn sie aus irgendeinem Grund für einen nicht geeignet sein sollten.
Viele Kinderärzte empfehlen bei kleinen Kindern Paracetamol und Ibuprofen im Wechsel einzusetzen, falls eines alleine nicht ausreichend fiebersenkend oder schmerzlindernd sein sollte.
Ibuprofen gehört zur Gruppe der NSAR, der nicht-steroidalen Antirheumatika und ist ein unselektiver COX-Hemmer. Das heißt, dass die Wirkung durch eine Hemmung der beiden Cyclooxygenasen COX-1 und COX-2 zustande kommt. Wird COX gehemmt, entstehen weniger Prostaglandine, die sonst zum Beispiel Schmerzen und Fieber auslösen können.
Paracetamol hingegen hat einen anderen, noch nicht wirklich sicher geklärten Wirkmechanismus, gehört nicht zu den NSAR und wirkt nur schwach gegen Schmerzen und kaum bis gar nicht entzündungshemmend. Dafür aber sehr gut fiebersenkend.
Wenn Ibuprofen alleine also nicht ausreicht, kann man es mit einer Kombination der beiden Arzneimittel versuchen und erhält so eine stärkere schmerzlindernde Wirkung als mit den Einzelsubstanzen. Ob allerdings ein Kombipräparat günstiger zu haben sein wird, als Ibuprofen und Paracetamol einzeln, wird sich zeigen.
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